Saisonrückblick 2020/21, Teil 1

Die Hinrunde: Von der Top-Mannschaft zum Remis-König

Die Hinrunde: Von der Top-Mannschaft zum Remis-König

Foto: Eibner/Neis

Hinter dem 1. FC Kaiserslautern liegt die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte. Daran ändert auch die fulminante Aufholjagd mit erfolgreichem Klassenerhalt nichts. Dabei sollte im Sommer doch endlich alles besser werden.

Der FCK ging wieder einmal mit hohen Zielen in seine mittlerweile schon dritte Drittliga-Spielzeit. "Wir wollen als 1. FC Kaiserslautern ab dem ersten Spieltag eine der Top-Mannschaften der Liga sein", lautete die unmissverständliche Ansage des selbstbewussten Cheftrainers Boris Schommers, der damit auch stellvertretend für alle anderen Verantwortlichen des Vereins sprach.

Pokal-Aus, Liga-Fehlstart und Trainerwechsel: Die Saison ist gelaufen, bevor sie angefangen hat

Doch vor dem ersten Spieltag stand eine Saisonvorbereitung unter schwierigen Vorzeichen. Am 01. September eröffnete die 1. FC Kaiserslautern GmbH & Co. KGaA offiziell das schon in der Vorsaison angemeldete Insolvenzverfahren. Leistungsträger - vor allem der Offensive - wie Florian Pick und Christian Kühlwetter zog es in die 2. Bundesliga zum 1. FC Heidenheim. Sturmkollege Timmy Thiele überwarf sich mit Trainer Schommers und wurde kurz vor Transferschluss zu Ligakonkurrent Viktoria Köln abgegeben. Zwölf Abgängen standen neun externe Neuzugänge entgegen, wieder einmal gab es beim Fritz-Walter-Klub einen Umbruch. Und auch rund um den Betzenberg kehrte keine Ruhe ein: Anfang August war der Schweizer Jurist Jörg Wilhelm nach einer üblen Schlammschlacht aus dem Aufsichtsrat und Beirat zurückgetreten, weitere Funktionäre sollten ihm in dieser Saison folgen. Hinter den Kulissen wurde Hauptsponsor Layenberger von der Trikotbrust verdrängt und parallel zur Planinsolvenz über den Einstieg einer regionalen Investorengruppe verhandelt.

Trotz mauer Auftritte im Verbandspokal der Saison 2019/20, der coronabedingt noch im August zu Ende gebracht werden musste und nur mit "viel Dusel" gewonnen wurde, starteten die Roten Teufel optimistisch in die Spielzeit und hätten diese auch beinahe mit einer Überraschung begonnen. In der 1. Runde des DFB-Pokals drehte die Schommers-Elf gegen den Zweitligisten Jahn Regensburg zunächst einen Rückstand, scheiterte dann aber doch noch mit 4:5 nach Elfmeterschießen. Dabei verweigerte der Schiedsrichter dem FCK zu Unrecht den zwischenzeitlichen Führungstreffer zum 2:1, der wohl den Sieg statt einer Niederlage bedeutet hätte - die erste von sehr vielen weiteren strittigen Szenen der Unparteiischen in dieser Saison.

Eine Woche später stand dann der Liga-Start gegen Dynamo Dresden an. Mit rund 4.000 Fans im Nacken, die unter Einhaltung der Hygieneregeln erstmals seit März 2020 wieder ins Fritz-Walter-Stadion pilgern durften, war die Erwartungshaltung groß, schließlich wollte man endlich einmal von Rundenbeginn an oben mitmischen. Doch es lief enttäuschend. Obwohl die Lautrer über eine Halbzeit in Überzahl spielten, mussten sie sich am Ende mit 0:1 geschlagen geben. Es traf Sebastian Mai, der wenige Wochen zuvor noch fast selbst auf den Betze gewechselt wäre. Von der Top-Mannschaft, wie sie Schommers und Sportdirektor Boris Notzon formen wollten, war bereits nach dem ersten Spieltag nicht viel übrig. Schommers hatte sich in der Mannschaft und im Umfeld nicht viele Freunde gemacht, und so kamen noch vor dem ersten Auswärtsspiel bei Aufsteiger Türkgücü München Gerüchte auf, der Trainer stehe vor der Ablösung. Ausgelöst wurde das Ganze unter anderem durch einen weiteren Rücktritt, nämlich den von Beirats- und Aufsichtsratsmitglied Martin Wagner, der intern Schommers heftig kritisiert und in Frage gestellt hatte. Der obligatorische Treueschwur von Sportdirektor Notzon hielt ganze vier Tage. Nach einer desaströsen 0:3-Niederlage in München wurde Schommers freigestellt und es übernahm der erfahrene, eher ruhige Ex-Zweitliga-Coach Jeff Saibene. Da schielte man in Kaiserslautern immer noch nach oben, schließlich waren gerade erst einmal zwei von 38 Spieltagen ausgespielt.

Auf Aufholjagd folgt Kaffeefahrt - Insolvenz-Ende zu Fritz Walters 100.

Die Ära Saibene begann direkt mit einer wilden Aufholjagd. Beim SV Wehen Wiesbaden schienen die Roten Teufel lange chancenlos, erzwangen durch einen Treffer von Hikmet Ciftci in der Nachspielzeit aber noch ein 2:2. Die Hoffnung war groß, diesen Schwung mit in das anstehende Derby gegen Waldhof Mannheim nehmen zu können. Doch dort offenbarte die Mannschaft erstmals auch unter Saibene ein Einstellungsproblem, lieferte eine grottenschlechte erste Halbzeit ab und kam nur dank einer Leistungssteigerung im zweiten Durchgang zu einem 1:1-Unentschieden. Nicht zum letzten Mal mussten wir feststellen: "Eine gute Halbzeit ist zu wenig". Nachdem auch die Spiele gegen Bayern München II (0:0) und den FC Ingolstadt (1:1), bei dem sich obendrein Dominik Schad schwer verletzte, nur remis endeten, mussten die FCK-Fans bei der 2:3-Niederlage gegen den SV Meppen erneut eine Leistungsverweigerung ihrer Mannschaft verkraften. Beiratsvorsitzender Markus Merk sprach nach der Partie gegenüber dem SWR von einer "Kaffeefahrt ins Emsland" und kündigte erstmals Konsequenzen an.

Am 31. Oktober beging der FCK - coronabedingt sehr abgespeckt - den 100. Geburtstag seiner Legende Fritz-Walter. Pünktlich dazu fand auch die Insolvenz der FCK-Kapitalgesellschaft ein geordnetes Ende. Einen Heimsieg aber gab es trotz schön gestalteten Fritz-Walter-Sondertrikots und einer etwas missglückten Silhouette im Rasen des Fritz-Walter-Stadions gegen Hansa Rostock jedoch nicht zu sehen. Erst am 9. Spieltag gelang den Pfälzern mit einem 2:1-Auswärtserfolg beim FSV Zwickau der erste Saisonsieg - in der Tabelle bedeutete das Platz 18 mit mageren acht Punkten. Die angepeilten Aufstiegsränge waren da bereits neun Zähler entfernt.

Premieren-Sieg gegen Lübeck, desolate Auftritte in Haching und gegen die Löwen

FCK-Fans wie Journalisten gingen davon aus, dass dieser Sieg wie eine Art Befreiungsschlag wirken würde. Doch diese Erwartung stellte sich nicht ein. Obwohl der FCK im Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg über eine lange Zeit klar dominierte, fuhr er auch gegen die Ottostädter nur ein weiteres 1:1-Unentschieden ein, ebenso eine Woche später beim Halleschen FC. Und so hatten die einst so heimstarken Roten Teufel, als am 25. November der VfB Lübeck im Fritz-Walter-Stadion gastierte, tatsächlich noch keinen einzigen Heimerfolg eingefahren. Lange Zeit sah es auch gegen den Drittliga-Aufsteiger nach einer trostlosen Nullnumer aus, doch in 88. Minute erlöste Marlon Ritter alle rot-weißen Herzen und traf zum 1:0-Heimerfolg.

Und fast, ja fast wäre es gelungen, diesen Heimsieg mit einem Derbysieg und damit dem zweiten "Dreier" in Folge zu krönen. Gegen den 1. FC Saarbrücken führte man trotz einer Roten Karte für Avdo Spahic bis in die 89. Minute mit 1:0 - Kenny Redondo hatte den FCK in Führung gebracht. Doch dann zerstörte ausgerechnet der ehemalige Lautrer Maurice Deville alle Derbysieg-Träume und sorgte für das bis dato achte Unentschieden im elften Saisonspiel. Im Rückblick muss man sagen: Im November stand der FCK unter Trainer Saibene mehrfach kurz davor, eine Serie wie dann später im Saison-Endspurt zu starten - aber er schaffte es einfach nicht.

Denn es folgte trotz sieben Wochen ohne Niederlage keine nachhaltige Verbesserung: Gegen das zu diesem Zeitpunkt abgeschlagene Schlusslicht MSV Duisburg konnte Marvin Pourié erst in der Nachspielzeit mit zwei Treffern eine Niederlage abwenden, die dann aber bei der SpVgg Unterhaching (0:2) und vor allem zu Hause gegen 1860 München (0:3) krachend folgten. Jetzt stimmten nicht nur die Ergebnisse und die Tabelle nicht mehr, auch die Leistung versagte. Ein verspätet ausgestrahltes Interview mit FCK-Investor Giuseppe Nardi, der zu diesem Zeitpunkt noch vom Aufstieg sprach, sorgte bei den Fans nur für Kopfschütteln. Einige Wochen zuvor hatte die fünfköpfige "Saar-Pfalz-Invest GmbH" ihr ursprüngliches Angebot noch ausgeweitet und mit 11 Millionen Euro Eigenkapital für 33 Prozent der FCK-Aktien die ersten großen Finanzmittel nach Abschluss der Insolvenz beigesteuert.

Kurz vor dem letzten Spiel des Jahres beim Drittliga-Lieblingsgegener KFC Uerdingen schien auch Jeff Saibene erstmals zu wackeln - zwei Siege in 14 Partien waren einfach verheerend wenig. Doch der Jahresabschluss in Düsseldorf wurde tatsächlich mit 2:0 gewonnen und so beging man in Kaiserslautern trotz Platz 15 und mageren 18 Punkten halbwegs besinnliche Weihnachten. Das Tabellenbild war jedoch trügerisch, denn wegen zahlreicher coronabedingter Spielabsagen standen der Konkurrenz der Roten Teufel noch jede Menge Nachholspiele ins Haus. Grund zum Feiern sollte aber auch gar nicht erst aufkommen, denn nach einer rekordverdächtig kurzen Winterpause folgten - wie konnte es anders sein - gegen Viktoria Köln (1:1) und den SC Verl noch die Remis Nummer zehn und elf. Zumindest gelang den FCK-Verantwortlichen mit der leihweisen Rückkehr von Jean Zimmer noch ein echter Transfercoup, der für die anstehende Rückrunde noch sehr entscheidend werden sollte. Und der Beiratsvorsitzende Merk hatte zu diesem Zeitpunkt schon weitere Konsequenzen für die Mannen um Jeff Saibene und Boris Notzon angekündigt: "Ein 'Weiter so' wird es nicht geben ..."

Morgen im zweiten Teil des Saisonrückblicks auf Der Betze brennt: Der zweite Trainerwechsel der Saison, die Entlassung des Sportdirektors, eine virtuelle Jahreshauptversammlung mit Folgen und die fulminante Aufholjagd im April.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel

Weitere Links zum Thema:

- Saisonrückblick 2020/21, Teil 2 | Die Rückrunde: Goldener April verhindert den Super-Gau

Kommentare 24 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken