Hier kommt die xG-Analyse zum München-Spiel, das gesamte Inhaltsverzeichnis findet Ihr wie immer vorne im Startbeitrag dieses Threads:
Taktik-Nachlese zum Spiel FCB2-FCK
Die Taktikanalyse: Weniger Ballbesitz, mehr Torchancen
Okay, der Kick zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Bayern München II endete nur als "Nullnummer". Aber er war spannend - und bot einige Hinweise, wie sich der FCK unter Jeff Saibene weg vom Schommers-Stil entwickeln könnte.
"Ich will das gar nicht zu sehr thematisieren. Nicht, dass sich die Jungs dann zu sehr darauf fokussieren, denn dann passiert es meistens doch."
Es wird in den nächsten Wochen sicher noch viel darüber geredet und geschrieben werden, was Jeff Saibene als Trainer des 1. FC Kaiserslautern anders, gegebenenfalls besser macht als sein Vorgänger Boris Schommers. Nicht alles davon wird unbedingt Sinn machen. In diesen beiden Sätzen jedoch könnte mehr Aussagekraft stecken, als es den Anschein hat.
Schommers wurde am Ende öfter vorgeworfen, dass er seine Spieler möglicher Weise mit seinen Anweisungen und Anregungen überforderte, sie regelrecht zutextete. Saibene dagegen will eher weniger als zu viel darüber reden, wie er den Fluch der frühen Gegentore, die sich seine Mannschaft bislang in jedem Ligaspiel und im DFB-Pokal einfing, beenden wolle - eben danach war in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen die kleinen Bayern gefragt worden.
xG-Timeline zeigt: Nach 60 Minuten hatte der FCK die Partie im Griff
Diese Art der Menschenführung mag aus pädagogischer Sicht generell diskussionswürdig sein, mit Blick auf vergangenen Samstag muss jedoch festgestellt werden. Der FCK kassierte in München, gegen den amtierenden Drittligameister FC Bayern II, keinen frühen Führungstreffer. Die Null stand hinten sogar noch über 90 Minuten, vorne allerdings auch. Lautern bot seine bislang konzentrierteste Leistung über die volle Spielzeit, stand durchgehend kompakt in der neuen 4-1-4-1-Grundordnung, die der Trainer seinem 4-4-2 vorzog. In den Schlussminuten hätten die Lautrer die Partie sogar gewinnen müssen.
Das belegt auch die "Fieberkurve" der qualitativ bewerteten Torchancen.
Vor allem in den Schlussminuten hätten Ritter, Morabet und Zuck den FCK noch in Führung schießen können - okay, das weiß jeder, der die aktuelle Berichterstattung verfolgt hat. Schön zu sehen ist hier aber auch: Lautern hatte die Partie bereits nach einer knappen Stunde gut im Griff, die Bayern kamen einfach nicht mehr in nennenswerte Einschusspositionen.
Die stärksten Ausschläge verursachen auf der Lautrer Linie Morabets Großchance in der 9. Minute, bei den kleinen Bayern Dominik Kerns nicht minder große Gelegenheit in der 48. Minute. Auch keine Überraschung. In Hälfte eins waren die Gastgeber zudem durch einen Flachschuss Dajakus und zwei Kopfbälle Zirkzees nahe an einem Treffer.
Wobei man auch mal ohne jede Häme anmerken darf: Es gibt Mittelstürmer, die Kopfstöße aus dieser Position mit mehr Wumms und Präzision ausführen und deren Marktwert nicht auf neun Millionen Euro taxiert wird.
Arps Alukracher: In der xG-Analyse nicht weiter auffällig, aber hallo
Nicht unerwähnt bleiben soll auch: Arps Außenpfostenkracher in der 52. Minute verursacht kaum einen Ausschlag in der Timeline. Was daran liegt, dass die "expected Goals" eben nur die statistische Wahrscheinlichkeit wiedergeben, die einen Freistoßtreffer aus dieser Position erwarten lässt. Und die war nun einmal nicht besonders hoch.
Beinahe drin gewesen wär das Ding dennoch, so dass die errechnete Siegwahrscheinlichkeit von 51 Prozent für Lautern in der Tat nur theoretisch anmutet. Was natürlich wieder mal Wasser auf die Mühlen der Altvorderen ist, die xG-Analysen ohnehin für überkandidelten Krampf halten.
Spannender zu betrachten ist sicher die Positions- und Passgrafik.
Ausnahmslos kleine Punkte, die zeigen: Lautern hatte deutlich weniger Ballbesitz, als wir aus der Schommers-Ära noch gewohnt sind. Und hat doch verhältnismäßig viele Torgelegenheiten kreiert. Ballbesitz ist eben nicht alles, was übrigens auch bereits statistisch belegt ist, wie sich etwa beim Autorenduo Daniel Memmert und Dominik Raabe in "Revolution Profifußball" (Springer-Verlag, 2017) nachlesen lässt.
Sie verweisen auf Untersuchungen, nach denen Ballbesitzwerte erst ab 70 Prozent mit einer größeren Wahrscheinlichkeit einhergehen, dass das dominante Team gewinnt. Verteilungen mit weniger großen Extremen, etwa 65:35, 40:60, 60:40 oder was auch immer, machen dagegen keinen Spielausgang zu irgendjemandes Gunsten wahrscheinlicher - hier scheint das durch Ratinho populär gewordene Rehhagel-Zitat zu gelten: "Der Ball muss ins Tor, alles andere ist Kokolores."
Mehr Flügelspiel als unter Schommers
Zu sehen ist aber auch: Der Ball wird mehr auf die Flügel nach vorne getragen, als es in der Ära Schommers der Fall war - mal sehen, ob das unter Saibene so bleibt. Die Passkommunikation zwischen den Spielern ist in Ordnung, die Abstände sind auch schön anzusehen.
Dass die Vierer-Mittelfeldreihe des 4-1-4-1 so schräg daher kommt, liegt daran, dass die Grafik so etwas wie eine durchschnittliche Ballannahme-Position zeigt, also den Punkt, an dem die Spieler sich bevorzugt für ein Zuspiel angeboten haben. War der Gegner im Ballbesitz, formierten sich die Vierer-Reihen sehr kompakt auf einer Linie. Auffällig, wie tief sich Hanslik die Bälle abholte, den Saibene überraschend auf die rechte Seite gestellt hatte, eine ungewohnte Position für gelernten Stürmer.
Ein neues Pressingschema? Davon gerne bitte mehr
Meistens wartete die vordere Viererreihe kurz hinter der Mittellinie. Nur punktuell - das gibt die Grafik natürlich nicht wieder - griff sie auch mal in der gegnerischen Hälfte an. Auffallend dabei: Die beiden Achter Ritter und Morabet attackierten dabei die gegnerischen Innenverteidiger, überholten so die Sturmspitze Pourié, der sich darauf konzentrierte, die Passwege in den Sechserraum zuzustellen.
Die Flügelspieler Redondo und Hanslik rückten dann den Außenverteidigern auf die Pelle, sobald diese angespielt wurde. Der Rest musste von hinten aufrücken, damit sich hinter der ersten Pressinglinie keine Räume auftaten. Klappte das, blieb dem Gegner nur der lange Ball.
Auch hier gilt: Es wird spannend sein zu sehen, wie die Mannschaft diese Art des Pressings noch kultivieren kann. Es ist sehr laufintensiv, doch genau das gilt ja bekanntlich als die Spezialität von Saibene-Teams.
Bitte beachten: Die kleinen Bayern sind nicht typisch 3. Liga
Ohne jetzt gleich wieder zu optimistisch werden zu wollen: Auch wenn dieses Spiel nur 0:0 endete - so kann, so sollte es weitergehen. Der Mannschaft sollte jetzt eigentlich Gelegenheit gegeben werden, sich in dieser 4-1-4-1-Formation zu festigen. Allerdings: Die Englische Woche wird auch personelle Wechsel notwendig machen.
Außerdem ist zu beachten: Bayern München II ist nicht wirklich eine Drittligamannschaft. Dafür ist da einfach zu viel Talent unterwegs. Andererseits fehlt es hier und da an Abgeklärtheit und, aktuell, noch an der Feinabstimmung, da die Mannschaft im Sommer stark umgekrempelt wurde. Doch im Gegensatz zu den meisten ihrer Ligakonkurrenten haben die kleinen Bayern immer den Ehrgeiz, selbst zu agieren statt zu reagieren. Das zeigt auch ihre Positions- und Passgrafik.
Freilich: Die meisten Pässe liefen hintenrum, die Stürmer interagierten kaum miteinander. Sicher auch ein Verdienst des FCK, dessen, siehe oben, kompakt stehende Viererketten das Spiel mit zunehmender Dauer vom eigenen Tor fernhielten.
Den einst von Boris Schommers formulierten Anspruch, jedes Spiel dominieren zu wollen, hatte der FCK zumindest in diesem Spiel deutlich zurückgeschraubt. Doch wie wird es nun weitergehen? Wie wird Saibene gegen Gegner zu Werke gehen lassen, die ihrerseits mehr reagieren als agieren wollen?
Eine erste Antwort könnte das Spiel am Mittwoch, 19:00 Uhr, gegen den FC Ingolstadt geben. Sollen wir jetzt noch darauf hinweisen, wie dringend notwendig der erste Saisonsieg nun wäre, ihn sogar fordern? Halten wir es mit Jeff Saibene: Da weniger drüber reden ist vielleicht mehr.
Quelle: Der Betze brennt /
Autor: Eric Scherer
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