Im Blickpunkt

Grafiken sagen nicht alles, aber viel: Die xG-Analyse

Grafiken sagen nicht alles, aber viel: Die xG-Analyse


Da sind sich alle einig: Dass dem FCK am Montag in Wiesbaden noch in der Schlusssekunde der 2:2-Ausgleichstreffer glückte, war wichtig für die Moral. Aber welchen sportlichen Wert hat der erste Punkt der Saison wirklich? Vielleicht hilft ein Blick auf die sogenannten "xG-Grafiken" - zusammengestellt von Eric Scherer und ab sofort regelmäßig auf DBB.

Wer in den vergangenen Jahren immer mal bei "blogvierzwei.de" vorbeischaute, kennt diese Methode der Spielanalyse ja bereits - und auch die üblichen Kommentare dazu. Für die einen ist und bleibt es überflüssiger Nerd-Kram, da der gesunde Fußballsachverstand bekanntlich ja schon immer gereicht hat, um ein mieses Spiel zu erkennen. Für die anderen aber ist es spannend, nach einem Spiel die eigenen, subjektiven Erkenntnisse mit objektiv erhobenen Daten abzugleichen, und so mancher soll mit ihrer Hilfe hinterher sein Team sogar schon ein wenig fairer betrachtet haben. Wir veröffentlichen diese Grafiken für die anderen.

Zur Premiere bei Der Betze brennt sei noch einmal eine kurze Einführung gegeben. "xG" steht für "expected Goals", also: "zu erwartende Tore". Der "xG"-Wert beziffert die Wahrscheinlichkeit eines Treffers aus einer bestimmten Einschussposition. Diese wird berechnet, indem der Analyst diese gemeinsam mit anderen Torszenen aus seiner Datenbank betrachtet. Vergleichskriterium ist dabei nicht nur die Entfernung zum Tor, sondern beispielsweise auch der Schusswinkel, die Position des Schützen zum Ball oder, wie viele Spieler den Weg zum Gehäuse im Moment des Schusses versperren.

Der "xG"-Wert beschreibt die Wahrscheinlichkeit eines Treffers

Je nachdem, wie oft in den vergleichbaren Situationen getroffen wurde, wird die aktuelle Einschussposition dann mit einem Wert zwischen 0 und 1 belegt. Ein "xG"-Wert von 0.35 beschreibt demzufolge eine Trefferwahrscheinlichkeit von 35 Prozent, im Klartext: Von drei Torschüssen, die aus dieser Position in einem vergleichbaren Kontext abgegeben wurden, ist in der Regel einer drin.

Der Niederländer Sander Ijtsma, von dem wir die xG-Grafiken für die FCK-Spiele beziehen, gilt als Pionier dieser Betrachtungsweise. Einst als Betreiber des Blogs 11tegen11" gestartet, fertigt er xG-Grafiken mittlerweile auch im Auftrag zahlreicher Vereine und Verbände in ganz Europa an.

Und selbst die größten Skeptiker sollten zugeben: "xG's" sind aussagekräftiger als die simplen Torschussstatistiken, die sonst veröffentlicht werden. Denn da hat das aus 40 Metern fünf Meter am Tor vorbeigebolzte Verzweiflungsgeschoss den gleichen Stellenwert wie die überlegt herausgespielte Abschlusschance sechs Meter frei vorm Keeper. Und sie gibt Aufschluss über die Dominanz und Effektivität eines Teams. Denn nur gute Mannschaft kreieren immer wieder Chancen innerhalb des Strafraums und nur da lassen sich hohe xG-Werte erzielen. Wem die spielerischen Mittel hingegen fehlen, der kann es nur aus der Distanz probieren, und selbst mehrere Versuche werden sich am Ende nur zu einem bescheidenen xG-Gesamtwert zusammenläppern.

SVWW-FCK: Ohne Elfer wär's fast ausgeglichen

Kommen wir nun also zur Partie des FCK gegen den SV Wehen Wiesbaden.

Die Aufrechnung der erzielten xG-Werte über 90 Minuten spricht zunächst mal klar für den SVWW. 1.26 zu 0.72, da hätten die Gastgeber doch klar gewinnen müssen. Allerdings: Elfmeter sorgen stets für gewaltige Ausreißer von etwa 0.76 Punkten. Ohne den sähe die Timeline schon wesentlicher ausgeglichener aus.

xG-Plot

Interessant: Hainaults Kopfballchance in der 32. Minute nach Freistoßflanke von Ritter war im Grunde größer, als es der Erregungslevel des "Magenta"-Live-Kommentators ausdrückte. Und Ciftcis Chancen zum Ausgleichstreffer am Ende standen gar nicht mal so gut: Der Winkel war schon etwas spitz, zudem waren etliche Beine von Mit- und Gegenspielern im Weg.

Deutlich zu erkennen ist aber auch: Bei Wiesbaden ging in den zweiten 45 Minuten gar nichts nach vorne, während Lautern immer aktiver wurde.

Die Positions- und Passgrafik: Wechsel bleiben unberücksichtigt

Darüber hinaus bietet Sander Ijtsma zu jedem Spiel eine Positions- und Passgrafik an. Diese visualisiert, wie oft die einzelnen Spieler am Ball waren - je größer der Spot, desto öfter -, und wo auf dem Feld sie "im Durchschnitt" das Leder annahmen.

Das mit dem "Durchschnitt" ist natürlich tückisch: Der Spot eines Flügelstürmers, der immer wieder die Seiten wechselt, wird am Ende im Zentrum auftauchen. In diesem Fall aber deuten Dreieckspfeile neben dem Spot an , das ein Spieler variabel unterwegs war.

Für die Partie in Wiesbaden sieht Lauterns Positions- und Passgrafik so aus:

xG-Passmap

Deutlich zu erkennen: Röser und Huth hingen ganz schön in der Luft, auch wenn sich über die gesamte Breite des Spielfelds anboten. Über die rechte Seite lief ebenfalls nicht viel. Gegenüber war Ritter mit Hlouseks Unterstützung Lauterns Aktivposten.

Passlinien zwischen zwei Spots werden erst visualisiert, wenn es zu drei Abspielen gekommen ist. Auch hier gilt: Je öfter gepasst wurde, desto dicker werden die Pfeile. Daher findet beispielsweise der schöne vertikale Pass, den Tim Rieder nach ungefähr einer Stunde auf Lucas Röser spielte, worauf dieser Elias Huth den Ball zu ersten vernünftigen FCK-Chance auflegte, keinen Niederschlag.

Kleinsorge fand nach Verletzungspause nicht ins Spiel

Allerdings haben diese Grafiken auch eine nicht zu wegdiskutierende Schwäche. Sander Ijtsma betrachtet stets nur die ersten 70 Minuten eines Spiels, da die dann folgenden Wechsel und Umstellungen dem Gesamtbild in der Regel die Aussagekraft nehmen würden. Das mag im Prinzip richtig sein, hat für die Betrachtung gerade dieses Spiels aber eher eine gegenteiligen Effekt.

Denn positive Effekte im FCK-Spiel stellten sich erst ab der 52. Minute ein - mit der Einwechslung von Simon Skarlatidis für Marius Kleinsorge. Kleinsorge fand, nach seiner Verletzungspause erstmals in dieser Saison eingesetzt, gar nicht in die Partie, verursachte auch den ersten Gegentreffer, als er den Ball nach einer abgewehrten Ecke eigentlich schon unter Kontrolle hatte, dann aber in der Nähe des eigenen Sechzehners wieder verlor - zur Freude von Paterson Chato. Auch auf dem rechten Flügel gelang dem Neuzugang aus Meppen nichts.

Skarlatidis belebt, Saibene verblüfft - So kann es weitergehen

Mit Skarlatidis dagegen kam der FCK nach und nach auf, und nach der Einwechslung von Hendrick Zuck für Elias Huth war dann sogar richtig Druck auf dem Kessel. Zuck übernahm fortan die rechte Seite, und Skarlatidis gab nun einen beweglichen Offensiven im Zentrum, der abwechselnd links, rechts oder im Zehnerraum auftauchte. Also eine ähnliche Rolle spielte wie die, die Florian Pick in zahlreichen Spielen der vergangenen Runde interpretierte.

Womit FCK-Trainer Jeff Saibene gleich zu seinem Trainerdebüt zeigen durfte, dass er ein 4-4-2 als Grundordnung zwar bevorzugt, aber eben auch nicht stur daran festhält. Dass der TV-Kommentator auf die Auswechslung eines Stürmers für einen Mittelfeldspieler mit Unverständnis reagierte, durfte bereits als gutes Zeichen gewertet werden: Denn wer Kommentatoren verblüfft, vermag auch den Gegner zu überraschen. Zwei Treffer in den elf Minuten danach sprechen für sich.

Ab sofort erscheinen die xG-Grafiken von den Spielen des 1. FC Kaiserslautern regelmäßig hier auf DBB. Je nachdem, wie es die vielen englischen Wochen zeitlich zulassen, entweder wie heute im großen Artikel-Format oder ansonsten im neu eingerichteten Bereich unseres Diskussionsforums - aufbereitet von Sander Ijtsma und zusammengestellt von Eric Scherer.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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