Die Darbietung gestern hat mich in heftige Schockstarre versetzt, die auch jetzt noch nicht vollends nachgelassen hat.
Ja, Karlsruhe war brutal effizient und macht sicher auch nur in 1 von 20 Fällen oder so aus insgesamt 8 Torschüssen (da wird ja alles gezählt, nicht nur Schüsse aufs Tor) und weniger als 1,5 zu erwartenden Toren (also xgoals) 4 tatsächliche Tore.
Und ja, die erste Großchance in einem bis dato chancenarmen und von beiden Seiten risikoscheuen Spiel hatten wir direkt nach der Pause durch den Schuss von Ritter (wo er wahrscheinlich besser Ache in Szene gesetzt hätte), den der Torhüter noch knapp über die Latte lenken konnte. Geht der rein, haben wir sicher einen ganz anderen Spielverlauf, weil wir auch weiter so tief hätten stehen bleiben können wie wir es bis zum Rückstand gemacht haben. Und bis dahin fiel ja auch dem KSC wenig ein, um unsere Defensive zu knacken. Und dieses Mal war es bis dahin auch ein recht statisches und somit weniger kräftezehrendes Spiel von beiden Seiten (Rasenschach eben), so dass trotz der ausbaufähigen Kondition eigentlich noch genug Körner hätten übrig sein müssen, um weiter gut zu verteidigen.
Aber alles lamentieren nutzt ja nix, wir haben unsere Chance eben nicht verwertet, der KSC seine erste richtig gute Chance aber schon. Danach haben wir etwas aufgemacht und der KSC wusste dann partiell schon recht gut die entstehenden Lücken zu bespielen.
Letztlich war dann die Niederlage hochverdient. Sie ist sicherlich um 2 Tore zu hoch ausgefallen, was aber sicher nicht daran lag, dass wir ja gar nicht so schlecht waren. Denn das war gestern unterirdisch in jeder Hinsicht. Spielerisch zählen wir ohnehin zu den schwächeren Mannschaften, aber gestern kamen nicht einmal 4-5 Pässe hintereinander an – da haben wir uns auf niedrigem Niveau nochmals verschlechtert. Wir konnten in 90 Minuten eine einzige echte Torchance kreieren – in einem Heimspiel, in einem Derby, in einem so wichtigen Überlebenskampf-Spiel. Kämpferisch war es leidenschaftslos und blutleer – zumindest sah es so aus. Jetzt haben alle 3 Trainer diese Saison ihren auch von der Einstellung und Moral her desolaten Auftritt (mind. Kiel bei Schuster, mind. Braunschweig bei Grammozis und gestern eben bei Funkel).
Ich habe schon nach dem Paderborn-Spiel geschrieben, dass es mit einer Grammozis-Entlassung nicht getan sein würde, weil er zwar sicherlich auch nicht zufriedenstellend performt hat, aber dennoch nicht das größte Problem war. Viele haben ja tatsächlich alles sehr stark an der Person Grammozis festgemacht und dachten, wir müssten ihn nur loswerden und schon würde alles gut werden. Tja, dann willkommen auch an diejenigen auf dem harten Boden der Realität.
Ich habe nach dem Paderborn-Spiel auch geschrieben, dass es den Impuls der Trainerentlassung jetzt natürlich dennoch benötigt, auch wenn man unsere Misere nicht alleine an ihm festmachen kann, sondern die Ursachen tiefer liegen.
Funkel empfand ich dann als den genau richtigen Mann für unsere Situation. Erstens, weil er pragmatischen Fußball spielen lässt und die Mannschaft und die einzelnen Spieler nicht überfordert mit seiner Spielidee. Zweitens, weil er schon öfter gegentoranfällige Mannschaften defensiv stabilisieren konnte. Drittens, weil er bei den Fans und dem Umfeld wieder ein wenig Aufbruchstimmung erzeugen und alle wieder hinter der Mannschaft vereinen konnte. Viertens, weil ich ihm mit all seiner Erfahrung und seiner Art und Aura am ehesten noch zutraute, im Mannschaftsgefüge retten zu können, was noch zu retten ist.
Aber ganz ehrlich? Seit gestern ist diese doch sehr große Hoffnung, dass wir es trotz aller Schwierigkeiten, die auch Funkel nicht wegzaubern kann, mit ihm dennoch packen werden, mit einem Schlag auf nahe Null reduziert. Was soll denn nach dieser grottigen /(Nicht-)Leistung von gestern noch Hoffnung machen? Mit ganz ganz viel gutem Willen vielleicht noch, dass wir zumindest in der ersten Halbzeit auch defensiv nix zugelassen haben. Aber auf der anderen Seite sind wir dann eben doch auf einmal so brutal offen und mit einem simplen Diagonalball extrem einfach auszuhebeln – und das trotz des extrem vorsichtigen, risikoaversen Spiels.
Und genau das lässt mich komplett ratlos zurück. Hätten wir doch durchziehen müssen mit dem hohen, laufintensiven, kräftezehrenden Angriffspressing? Weil wir hinten ohnehin nicht dicht bekommen (selbst bei der übervorsichtigen Ausrichtung), aber mit dem Angriffspressing wenigstens vorne durch hohe Ballgewinne noch Chancen erarbeiten konnten? Und dann eben hoffen, dass wir hier und da mal mit zwei Toren in Front gehen, bis uns dann die Kraft ausgeht bzw. weniger spielstarke Gegner wie Paderborn sich dann eben auch wenn wir etwas müder werden nicht so gut aus dem Pressing herausspielen können?
In jedem Fall war dann wohl doch der Wunsch Vater des Gedankens, als ich erste Anzeichen wahrzunehmen glaubte, dass Funkel in die Köpfe der Spieler kommt und es schafft sie stark zu reden und ihnen wieder mentale Stärke zurückzubringen. Ebenfalls scheint sich mein Wunsch bzw. meine Hoffnung nicht bewahrheitet zu haben, dass Funkel es schafft, die Kabine wieder zu einen und das Teamgefüge wiederherzustellen – zumindest als Zweckgemeinschaft bis zum Saisonende, die sich trotz Unstimmigkeiten auf das gemeinsame große Ziel Klassenerhalt einschwören kann.
Klar, hier bewegen wir uns ein wenig im Bereich der Spekulation und wir müssen uns auf Indizien verlassen. Aber diese sprachen gestern leider für mich eine eindeutige Sprache – nämlich die, dass da nach wie vor kein Team auf dem Platz steht.
Was ist nur im Herbst passiert mit dieser Mannschaft? Sie hatte bis dahin meiner Wahrnehmung nach einen guten Teamspirit, eine gute Moral und ein Kämpferherz, auch wenn man sicherlich auch da schon deutliche Defizite im Positionsspiel mit Ball hatte und bereits defensiv anfällig war. Der mentale Knacks durch das Düsseldorf-Spiel wird eine Rolle spielen, dann dass die Mannschaft konditionell nicht mehr auf der Höhe war (neben dem kontraproduktiven Trainingslager in den USA, dass die Vorbereitung durcheinanderwirbelte, wird ja auch kolportiert, dass Schuster zum Schluss kaum noch trainieren ließ). Ganz entscheidend war aber meiner Meinung nach auch, dass man verdiente Spieler abgesägt (eine „Streichliste“ wird es im engeren Sinne sicher nicht gegeben haben, aber die braucht es doch auch nicht - dennoch wird man wohl den Spielern unmissverständlich klar gemacht haben, dass man nicht mehr auf sie setzt und sie keine Verlängerung erhalten) und die Axt an Kaderhygiene und Teamgefüge angelegt und selbige damit zertrümmert hat, garniert mit dem Transferaktionismus im Winter, wo man trotz insgesamt 6 Transfers (mit dem vorgezogenen von Toure) die wichtigsten Kaderbaustellen nicht geschlossen hat.
Das Interview mit unseren Investoren auf Treffpunkt Betze
https://treffpunkt-betze.de/article/242 ... echstange/macht ja klar, dass diese den heftigen Umbruch und das aufs Abstellgleis schieben verdienter Spieler als notwendig erachten. Ob sie es „nur“ befürwortet haben oder sie es Hengen und Hajri sogar in ihr Pflichtenbüchlein geschrieben haben, kann ich nicht sagen, aber vieles deutet aus meiner Sicht auf letzteres hin, zumal sie in dem Interview sogar bedauerten, die Spieler nicht schon früher – in der Sommerpause – aufs Abstellgleis geschoben zu haben – um es mal etwas zuzuspitzen. Tja, da scheinen einige – ich habe es schon mehrmals geschrieben – von zwischenmenschlichen Beziehungen in sozialen Gefügen und Gruppendynamiken nichts zu verstehen und empathielos zu verfahren wie in einem Fußball-Managerspiel an der Konsole – nur auf die nackten Auswertungstools und Analysesoftware achtend? Das was Notzon schon vorgeworfen wurde. Dabei hatte Hengen immer betont, dass ein wichtiges Kriterium sei, dass man prüfe, ob derjenige von der Mentalität auf den Betze passe und ob er ins Team passe. Das ist dann scheinbar aber zuletzt überhaupt nicht mehr gelungen oder man hat diesen Vorsatz über Bord geworfen oder auf Geheiß der Investoren über Bord werfen müssen?