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Gegner-Check Bielefeld: Auf der Alm, da gibt's scho Sünd

Gegner-Check Bielefeld: Auf der Alm, da gibt's scho Sünd

Foto: Imago Images

Die Ausgangslage mutet ähnlich an wie vor den Auswärtssiegen in Rostock und Fürth. Also gilt für den 1. FC Kaiserslautern im Gastspiel bei Arminia Bielefeld: Aller guten Dinge sind drei? Obacht: Zuhause hat der Tabellenletzte schon drei Mal gewonnen.

Mit Arminia stürzt auch Arabi: Dem Bundesliga-Absteiger droht gegenwärtig nicht nur der Durchmarsch in die 3. Liga, auch das über Jahre entwickelte Konzept von Samir Arabi droht nun zu scheitern. In den elf Jahren, in denen der heute 43-Jährige vom Sportlichen Leiter zum Sport-Geschäftsführer aufstieg, etablierte er ein Scouting-System, das immer wieder talentierte Spieler im U23-Alter nach Ostwestfalen führte. Diese sollten den Verein wirtschaftlich wettbewerbsfähig halten, indem sie nach ein, zwei Jahren fette Ablösen generierten, und sportlich im Idealfall Aufstieg und Verbleib in der Bundesliga ermöglichen. Das klappte bis zur vorangegangenen Saison gut, und auch nach dem Abstieg im Sommer blickten die Arminen noch mit Zuversicht der anstehende Zweitliga-Spielzeit entgegen, sah man doch die unvermeidlichen Abgänge angemessen kompensiert. Doch die eigentlich nur in Teilen neu formierte Mannschaft enttäuschte bislang. Nach einem Fehlstart mit vier Niederlagen wurde der gerade erst verpflichtete Trainer Uli Forte wieder entlassen. Der Osnabrücker Coach Daniel Scherning übernahm und ist mit elf Punkten in zehn Partien nicht gerade durchgestartet. Ein 2:0-Sieg über den FC St. Pauli vor zwei Wochen wurde bereits als Wiedergeburt der Arminia gefeiert, doch ihm folgte gleich darauf eine deprimierende 0:1-Niederlage beim direkten Nachbarn auf den Abstiegsrängen, der SpVgg Fürth. Samir Arabi ist mittlerweile ziemlich abgetaucht und im Umfeld wachsen die Zweifel, ob er in der Winterpause die Weichen stellen kann, die Wende zu schaffen.

Talentschmiede macht Kurzarbeit: Entwicklungsfähige Kicker im U23-Alter hat die Arminia nach wie vor einige Kader, nicht von ungefähr verfügt sie laut der Marktwerttabelle von "Transfermarkt.de" über den zweitwertvollsten Kader der Liga. Anscheinend aber sind die Talente gegenwärtig nur noch in Kurzarbeit beschäftigt. Die Stuttgarter Leihgabe Mateo Klimowicz (22) deutete ihre Begabung zwar mal an, hat es aber erst einmal in die Startelf geschafft. Der physisch starke Flügelspieler Bryan Lasme (23) kam zuletzt ebenfalls nur noch von der Bank. Ihm wird der Japaner Masaya Okugawa (26) vorgezogen, den die Ostwestfalen 2021 von RB Salzburg liehen und nun fest verpflichteten. Am konstantesten performen noch Linksaußen Robin Hack (24) und Stürmer Janni Serra (24), die beide schon fünf Mal getroffen haben. Seit vier Wochen ungefähr hat sich Eigengewächs Jomaine Consbruch (20) in der Startelf festgespielt. Im von Scherning bevorzugten 4-2-3-1 füllt er die Zehnerrolle aus.

Mögen und Nicht-Mögen: Man muss ihn einfach gern haben. Auch wenn er es war, der beim 3:2-Sieg der Arminia am 27. April 2018 mit gleich zwei Treffern dem FCK den Todesstoß Richtung 3. Liga versetzte. Fabian Klos, der Mann, der es nur in den Profifußball schaffte, weil ein Scout namens Lars Mrosko sich nicht zu schade war, auch in der sechsten Liga nach Talenten zu fahnden und so den Wechsel des damals 21-Jährigen vom MTV Gifhorn zum VfL Wolfsburg II in die Wege leitete. Zwei Jahre später unterschrieb der Sturmtank bei der Arminia, für die er seither in allen drei deutschen Profiligen über 360 Pflichtspiele bestritt und 65 Buden machte. Dass zwischenzeitlich auch Lautern mal an ihm gebaggert haben soll, ist ein Gerücht, das sich nie bestätigt hat. Diese Saison war der nun 34-Jährige eigentlich nur noch als Notnagel gedacht. Doch eben der wird nun gebraucht. Getreu der Liedzeile "When the going gets tough, the tough get going" steht der langjährige Kapitän seit zwei Partien wieder in der Startelf. Getroffen hat er freilich noch nicht. Über die Sympathiewerte eines anderen aktuellen Arminen, die dieser insbesondere in der Pfalz genießt, schweigt des Sängers Höflichkeit lieber: Einer der Assistenztrainer heißt seit diesem Sommer Michael Henke.

Konstant instabil: Für einen Tabellenletzten verzeichnen die Arminen vergleichsweise viele Ballberührungen im gegnerischen Strafraum: Pro Spiel 14,08 im Schnitt, das sind mehr, als der aktuelle Tabellen-7. aus Kaiserslautern aufweist (13,95). Das aber ist auch schon so ziemlich der einzige interessante statistische Wert, den Bielefeld zu bieten hat. Bislang 24 Gegentreffer markieren den viertschwächsten Wert der Liga, und wie bei allen Teams, die hinten stehen, resultieren diese daraus, dass die Ostwestfalen in der Defensive keine stabile Formation hinbekommen. Verletzungen und Formschwankungen verhinderten ein Einspielen über mehrere Partien. Abwehrchef Andrés Andrade (24) etwa, im Sommer nach einem Jahr Leihe fest aus Linz verpflichtet, überragte beim 2:0-Sieg gegen St. Pauli, musste beim peinlichen 0:1 in Fürth jedoch direkt wieder pausieren. Ebenso finden diverse Routiniers nicht zu der Form, die es bräuchte, um für die Jungspunde zu Leitwölfen zu werden. Marc Rzatkowski (32), aus Schalke geholt, blieb im defensiven Mittelfeld bislang unauffällig, Linksverteidiger Bastian Oczipka (33) funktioniert längst nicht mehr so gut wie in seinen großen Zeiten bei Eintracht Frankfurt. Als konstante Größe präsentiert sich bislang lediglich Innenverteidiger Oliver Hüsing (29), der bislang in allen Partien durchgehend auf dem Platz stand.

Fazit: "Wer macht aus dieser Arminia mehr als nichts?" - In Fürth ließ die Mannschaft "zum x-ten Mal alles vermissen, was Chancen auf ein erfolgreiches Spiel eröffnen könnte" - "Keine Spielidee, kaum Grundzüge irgendwelcher Systematiken, keine Mittel, keine Harmonie und (...) kein erkennbarer Wille, keine Leidenschaft, kein Kampf". Wer am Montag den Kommentar von "Kicker"-Redakteur Michael Richter zur Situation in Bielefeld gelesen hat, ist fast geneigt, Dirk Schuster am Samstag den Einsatz einer B-Elf zu empfehlen und die Stammkräfte für den Rest der anstehenden Englischen Woche zu schonen. Aber: Gerade in Kaiserslautern sollte man wissen, wie gefährlich solche Einschätzungen sind. Und: Ihre drei Siege bislang feierte der DSC ausnahmslos zuhause auf der Alm, das sollte Warnung genug sein. Den kriselnden Gegner vom Anpfiff weg hart attackieren, ihm keine Gelegenheit geben, Selbstvertrauen zu tanken - das wäre die klassische Lehrbuch-Losung. Wir wissen aber mittlerweile, dass Dirk Schuster seine Jungs es lieber zurückhaltender angehen, sie erst mit zunehmender Spieldauer nach Kontrolle und dann auch nach Offensive streben lässt. Beim 2:0 in Rostock zuletzt ging diese Marschroute ja auf, beim 3:1 in Fürth, einer Partie mit vergleichbarer Ausgangssituation, ebenfalls. Dort aber nur mit ganz viel Glück.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Samstag, 20:30 Uhr: Die Rückkehr der Teufel auf die Alm (Der Betze brennt)

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