Ach was war des für ein schöner Tag. Ach was war des so schön…man lebt schließlich nur einmal!
Samstag, 12h. P&R Parkplatz KL Ost.
Gerade habe ich mich unauffällig an der Schlange vor dem Malteserzelt vorgedrängelt, weil die anderen Nerds in rot-weiss um mich herum mit dem Handy beschäftigt sind.
Mein Plan: da ich mich bereits vor Monaten todesmutig in die Coronaspritzen gestürzt habe, und seither wie jung Siegfried mit dem gelben Impflappen gegen Covid unbesiegbar gerüstet bin, will ich einfach die komische „TuN“-Karte abholen, wie im Netz ausgewiesen:
https://www.herzlich-digital.de/tun/
Wo das Malteser-Zelt steht, das haben uns drei junge Betze Fans gezeigt. Mutig, verwegen, gut aussehend, unverzagt. Das sind Micky, Sandro und das Mastermind des Trios, es war einer, der sich selbst „Rez-Äpp“ nannte. Mutmaßlich hat er sich neulich eine Koch-Rezepte App auf das Smartphone geladen. Zumindest so kann ich mir seinen Namen merken.
Ich stehe vor einem Malteser. Leider nur einer auf zwei Beinen, und nicht gekühlt im Gläschen.
Ob ich die App runter geladen hätte? Wie soll ich das machen? Ich habe kein Smartphone, denn mich ruft eh keiner an. Hallo, hier gelber Lappen, du mir geben komische Plastikkarte!
Oldschool! Plastik statt permanentes Handy-Geglotze!
Tja – die haben sie nicht.
Jetzt weiss ich auch, warum die Anal(og)karte so heißt: nicht verteilt ist sie tatsächlich für den Arsch.
Herzlich-digital.de: Danke für nichts!
Der Plan wird kurzerhand geändert, und schon kitzelt mir eine nette Malteserin mit einem Stäbchen in meinem Riechorgan herum. Bischen gewartet, und da ist es: ein weißes Papier, was uns den Weg in den Olymp des deutschen Fussballsportes, den Betzenberg, ebnen sollte.
Auf zum Bus!
Mein Mitfahrer, das Baumhaus, der leider bereits in der B-Jugend seine FCK Spielerkarriere mit den bereits legendären Worten „Feiern-ist-auch-schön“ (zum Schrecken des damaligen Trainerteams) beendete, läuft vorne weg. Dabei hat er den Sebastian. Der ist gar kein FCK Fan, brauchte aber mal dringend eine Auszeit weil ihn daheim die Olle nervt….wem ging es nicht mal auch schon so?
Laut öffentlich hustend und niesend eile ich ihnen hinterher und mime laut mit „Was mache mer denn jetzt?“-rufend den Covid-Positiven. Da haben die in der Schlange aber schön geguggt…aber es war freilich nur ein Witz.
Endlich am Betze angekommen und bereit für den Gipfelsturm, spornt uns die Aussicht auf die erste Brotworscht seit Monaten in dem Stand am Kohlmeyer-Tor zu neuer Luft an.
Mit dabei in der Seilschaft: das besagte dynamische Trio aus Rockenhausen/Enkenbach-Alsenborn.
Der Rez-Äpp will wissen, warum der Baumhaus ein rosa Leibchen trägt. Bevor sich was zwischen den beiden anbahnt, klären wir die Verhältnisse. Der Rez-Äpp würde wegen unglücklicher Formulierungen seinerseits, öfter mal seine Brille aufgrund Fausteinschlages verlieren.
Außerdem ist er schüchtern – er kann es nur nicht so zeigen…
Nein, heute bleibt die Brille heil, denn er ist vollkommen in Ordnung, ein feiner Mensch, denn man lebt nur einmal!
Unglaubliches dann im Stadion vor dem Anpfiff. 10.000 Menschen - Mucksmäuschen still. Stecknadelkopf-Leise. Für die Flut-Opfer. Der unglaubliche Berg. Auch in seiner imposanten Stille wird klar: der Betze ist zurück.
Anpfiff. Und es geht endlich endlich endlich los, der Ball rollt!
Wir sind gut drauf, und ergänzen uns prächtig: nach dem ersten Foul des BTSV in Minute 2 erschallt unser „der hat schon gelb“ gefolgt auf „Schiedsrichter der lacht über dich“.
Noch bevor die Braunschweiger das erste Mal mit dem Ball über unsere Linie gekommen sind, jammert neben mir ein pfälzer Best-Ager (vermutlich ist es werner1953) „ich habbs gewisst…..mehr stehn hinne ned guud“.
Ja so sind sie in der Pfalz. Mir fällt da der alte Witz ein: Was ist der schlimmste Monat für die Pfälzer? Der Februar. Warum? Da können sie nur 28 Tage jammern….
Da lobe ich mir Antwerpen und seinen heißen Höllenhund, den Co-Trainer Frank Döpper:
Wer positiv denkt, kann viel mehr erreichen. Wenn das endlich hier ankommt, kann uns keiner mehr stoppen!
Deshalb rufe ich laut: „Der kann nix!“
Und tatsächlich, der Pfosten klärt gegen den Nichtskönner Kobylanski.
Mehr hat Braunschweig nicht zu bieten. Der Spieler mit der 11, es ist Hinflie-Horst, macht den Immobile von Italien und fällt bei jedem lauen Lüftchen grad um. Der liegt länger auf dem Platz als er auf selbigem steht. Und nimmt uns so Zeit und Ballbesitz. Der wird es bestimmt mal weit bringen...als Bettvorleger.
Und weil der nicht unbedingt clever pfeifende Klever Schiedsrichter Dr. Thomsen gelernt hat, immer Foulspiel zu pfeifen, wenn einer liegt, kommt der BTSV ständig zu ungerechtfertigten Ballbesitz, der nichts einbringt. Fazit: Wenn einer Doktor ist, kann er vermutlich besser im Krankenhaus operieren, als ein Spiel gut leiten. Nur bei Zahnärzten ist dies nicht so, wie wir wissen.
Kommen wir zum nächsten Pflegefall. Wenn einer Jasmin heißt, ist er entweder eine Frau, oder hat einen an der Waffel und steht bei den Blaugelben im Tor. So holt sich der Tor im Tor in Minute 61 völlig unbedarft nach einem Sprint inklusive Rempler zum komplett unbeteiligten Huth gelb ab.
Natürlich bekommt Huth vom Schiedsrichter auch gelb, und zwar nur für seine Existenz.
Aus Jasmin wird Ar-Lo-Wi-Hu-Bo, denn er spielt tatsächlich von der ersten bis zur letzten Minute auf Zeit. Wie kann ich nur auf 0:0 spielen? Und er wäre bestimmt schneller geworden, hätte unser aufrechter Ritter den Ar-Lo-Wi-Hu-Bo nur mit einem Gegentor bestraft. Aber den Ball, den 99% aller Zuschauer, einschließlich meiner traurigen Existenz, direkt ins lange Eck geleckt hätten, wird von Marlon leider nochmal vorgelegt – Chance vorbei. Spiel aus. Der BTSV hat seinen Punkt. Vermutlich der einzige, den sie in dieser Liga erreichen werden.
Beim FCK fehlte der Spielwitz, die Kombinationen des Saisonendspurtes, ein Kleinsorge, ein Sessa, und vielleicht ein Ouahim hätten dem Spiel gut getan.
Zu oft standen Sturm und OM statisch in einer Reihe mit der Braunschweiger Defensive, es lies sich keiner mal zurückfallen, so war es schwer für Zuck, Götze und Ritter, den Mitspieler vorne zu finden. Ball und Gegner müssen einfach laufen. Nächster Testlauf dann in Meppen.
Aber es gibt auch Gutes zu vermelden. Dome Schad hat sein Handwerk nicht verlernt, und Raab auch sicher hinten im Kasten.
Und auch im Bus sind wir wieder vereint, unsere drei neuen Freunde sind auch wieder da. Weil man laut Rez-Äpp nur einmal lebt, soll es ins Bordell gehen. Weil wir Unentschieden aber nicht mehr so exzessiv feiern, einigen wir uns auf einige dunkelbraune Kaltschalen gälischer Braukunst.
Selbige leeren wir dann in einem bekannten Etablissement in dem schon viel Durst gelöscht wurde.
Man lebt nur einmal, sagt der Rez-Äpp, und macht der Wirtin Maria einen Antrag, eine in der Tat tolle Frau. 7 Kinder hat Rez-Äpp, und keine Frau, doch leider kassiert unser neuer Freund einen Korb, aber die Brille bleibt zumindest dieses Mal ganz.
Allzu früh müssen die 3 gehen, denn die Chefin von einem der Dreien meldet vehement zeitlichen Verzug mittels Smartphone an. Wohl dem, der keines hat !
Als die drei grade weg sind, sieht Adlerauge Baumhaus auf der anderen Seite zwei Männer. Einer mit, einer ohne Haare. Und tatsächlich. In dieser Kombination können es nur Coach Antwerpen und sein Co Frank Döpper sein. Sie sind es leibhaftig.
Wohnen die zwei tatsächlich noch im Hotel gegenüber! Wie der Udo Lindenberg !
Unsere Daumen gehen hoch, und unsere Rufe nach einem Auswärtssieg, werden von den Männern gegenüber mit wohlwollendem Winken beantwortet, auch aus dem abfahrenden Taxi heraus.
Ihr zwei, holt uns bitte aus diesem sportlichen Tal der Tränen, und ganz Kaiserslautern liegt euch zu Füßen! Man spürt, es passt mit denen beiden. Da geht doch was.
Ich glaube persönlich nicht, dass man nur einmal lebt, wie der philosophierende Rez-Äpp meinte.
Wahrscheinlich lebt man mehrfach. Aber nicht mehr als Lauternfan auf die Welt zu kommen, das wäre wirklich schrecklich….deshalb lasst uns alles geben, dass es in diesem Leben mit dem FCK wieder nach oben geht. Das wäre es doch. Oder?
Und wieder geht ein wunderbarer Tag in der wunderbaren Pfalz beim besten Verein mit den allerbesten Fans der Welt zu Ende. Es wird nicht der letzte gewesen sein.
