Fankongress 2012
Fans reichen die Hand zum Dialog
von Netzer (Gastautor)
Am Wochenende fand in Berlin der bundesweite Fankongress mit rund 500 Teilnehmern statt. Auf „Der Betze brennt“ blicken die Teilnehmer aus der Fanszene des Kaiserslautern auf das Erlebte zurück.
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Fotogalerie: Bundesweiter Fankongress in Berlin
Das große Saal ist voll besetzt, rund 500 Fans sind aus ganz Deutschland angereist. Nun ist es still, es läuft ein Film zur Einleitung des ersten Fankongresses des Bündnisses „Pro Fans“. Bei der Einblendung des Slogans „Lust auf Dialog statt Monolog?“ brandet nach wenigen Minuten das erste Mal Applaus auf. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag gab es getreu diesem Motto zahlreiche Diskussionsrunden und Workshops mit Fans, Wissenschaftlern, Anwälten, Journalisten sowie Funktionären von DFB und DFL.
Aus Kaiserslautern war ein gutes dutzend Fans angereist, um am Fankongress ihre Fragen an die Vertreter von DFB und DFL zu richten. Nach der Begrüßung am Samstagmorgen teilten sie sich auf fünf verschiedene Workshops auf. Während sich einer davon mit der Frage „Der Umgang mit den Fanfreiheiten: ein ehrlicher Dialog?“ beschäftigte, sprachen zeitgleich Fans mit Vertretern aus Stuttgart, Berlin und Nürnberg über die Möglichkeiten, die eigene Vereinsidentität zu erhalten.
Die höchste Aufmerksamkeit erreichte sicher die Diskussion um die 50+1-Regel, bei welcher der Präsident von Hannover 96, Martin Kind, seine Position zur Regel darlegte und zwar keine Zustimmung erntete, aber Anerkennung dafür, sich in die „Höhle des Löwen“ begeben zu haben. Anschließend wurden durch den Fan-Anwalt René Lau Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich Anhänger gegen die Übernahme ihres Vereins durch einen Investor wehren können. „Werdet Mitglied in euren Vereinen und nehmt euer Stimmrecht wahr“, war sein Statement, das auch für Kaiserslautern richtig und wichtig ist. Gerade mit der Struktur des e.V. haben wir Fans es selbst in der Hand, inwieweit Investoren Einfluss in unserem Verein erlangen können.
Nachdem sich die Kongressteilnehmer mit einem Mittagessen gestärkt hatten, konnte die zweite Runde der Diskussionen beginnen. Beim Thema „Geld regiert die Welt - Einflussfaktoren auf die Anstoßzeiten“ diskutierte Tim von „Frenetic Youth“ mit dem Geschäftsführer der DFL, Holger Hieronymus, und Dirk Grosse von Sky. Während Hieronymus die verschiedenen Einflussfaktoren auf die Anstoßzeiten mittels eines Videos darstellte, zeigte Grosse die Entwicklung der Zuschauerzahlen der Bundesliga in den vergangenen Jahren. Die Interessen der Stadionbesucher blieben hier weitestgehend auf der Strecke und Fans wurden maximal im Sinne von „Sicherheitsfaktoren“ erwähnt. Im Anschluss zeigte Tim aus Kaiserslautern auf, dass viele Spielbesuche auf Grund der Terminierungen für die Fans mit großen Schwierigkeiten verbunden sind. Er listete Beispiele mit unmöglichen Spielansetzungen aus der Zweitligazeit des FCK auf, etwa aus der Saison 2006/07: Hansa Rostock gegen den 1. FC Kaiserslautern an einem Montagabend, was für die Auswärtsfans einen Reiseweg von über 1.500 km bedeutete. „Wo sind hier die Faninteressen beachtet worden?“, fragte sich nicht nur der Vertreter aus Kaiserslautern.
In der anschließenden Diskussion legte Hieronymus dar, dass die DFL kaum Spielräume sehe an den aktuellen Anstoßzeiten etwas zu ändern. Vielmehr sei die Deutsche Fußball-Liga dafür da, die Interessen der Vereine, Sicherheitsorgane, Sponsoren und natürlich der TV-Sender unter einen Hut zu bringen. Somit zeigte sich, dass Mitgliederanträge, die den Vorstand eines Vereins dazu verpflichten, sich für fanfreundliche Anstoßzeiten einzusetzen, wie in Kaiserslautern vor einigen Jahren geschehen, ein richtiger Ansatzpunkt sind.
Weiterhin diskutierten die Fans über Eintrittspreise, Identifikation mit ihren Vereinen und die Vielseitigkeit der Ultrabewegung. Eine interne Diskussion zum Thema Fan-Gewalt fand ebenfalls statt.
Am Sonntag stand der Fankongress ganz im Zeichen ausländischer Referenten. Während aus England über schwindende Fankultur und Möglichkeiten der Mitbestimmung berichtet wurde, zeigte ein Referent aus Norwegen die dortige Handhabung im Bereich Pyrotechnik. Bengalos sind dort, sogar durch Mithilfe der Vereine, legalisiert worden.
Außerdem berichten Referenten aus der Schweiz und der Türkei, aus Italien, Frankreich, Griechenland und Schottland über Einschränkungen für Fußballfans in ihren Heimatländern. Besonders die Fanpässe und -karten dieser Länder waren ein wichtiges Thema.
Mit einer Abschlusspräsentation der Ergebnisse aus den verschiedenen Workshops ging der Fankongress 2012 am Sonntagnachmittag zu Ende. „Es war ein spannendes und sehr informatives Wochenende für mich. Ich finde es super zu sehen, dass Fans von so vielen verschiedenen Vereinen zusammen kommen, um über wichtige Themen zu diskutieren“ fasste Marc aus Kaiserslautern seine Eindrücke zusammen.
Weitere Informationen, Bilder und Videos findet ihr auf http://www.fankongress-2012.de.
Quelle: Der Betze brennt / Gastautor Netzer
Fankongress in Berlin: FCK-Ultra spricht sich für regulierten Umgang mit Pyros aus
Tim Wiedmann, 23 Jahre, aus der Ultra-Gruppierung „Frenetic Youth“ ist einer von zwölf Lauterern, die am Wochenende am Fankongress in Berlin teilgenommen haben. Am Samstag bot er in einer Podiumsdiskussion zum Thema Anstoßzeiten dem DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus und Dirk Grosse vom Pay-TV-Sender Sky eindrucksvoll Paroli. Sonntag sprach die AZ mit Wiedmann am Rande der Berliner Veranstaltung.
Allgemeine Zeitung: Herr Wiedmann, ein Dutzend Lauterer ist hier in Berlin dabei, das ist aber nur ein winziger Bruchteil der FCK-Fans, die auf der Westtribüne Stimmung machen. Wie gewährleisten Sie, dass sich die Botschaften, die vom Berliner Kongress ausgehen, in der Szene rumsprechen?
Tim Wiedmann: Das passiert zum einen über die Kurvenblätter, die sowohl wir als auch die „Generation Luzifer“ zu jedem Heimspiel am Betze ausgeben. Unseres von „Frenetic Youth“ heißt „Unter die Haut“. Außerdem nutzen wir natürlich das Online-Forum
http://www.der-betze-brennt.de, dort haben wir schon im Vorfeld des Kongresses Vorberichte eingestellt. Und natürlich werden wir in vielen Gesprächen aufzeigen, was das Ganze für uns in Kaiserslautern bedeutet, was es uns bringt.
Allgemeine Zeitung: Die Fans haben in Berlin deutlich gemacht, dass sie trotz des strikten Verbots auch in Zukunft nicht auf Pyrotechnik verzichten wollen. Wie sehen Sie die Diskussion?
Wiedmann: Wir Fans haben dem DFB ein Konzept vorgelegt und in vielen konstruktiven Gesprächen dargelegt, dass wir bereit sind, beim Zünden von Pyro strikte Regeln einzuhalten. Dass so etwas funktionieren kann, beweist das Beispiel Norwegen, das ist ja auch heute am Sonntag eines der Themen hier beim Fankongress. Der DFB macht aber ein Tabuthema daraus, das ist schade. (...)
Quelle: http://www.allgemeine-zeitung.de/sport/ ... 568082.htm