Spielbericht: 1860 München - 1. FC Kaiserslautern 2:1

Chance nicht genutzt

Chance nicht genutzt

Foto: Steven Mohr

Erstmals seit Oktober verliert der 1. FC Kaiserslautern ein Spiel, nach fast genau einem Jahr gibt er wieder mal eine Führung aus der Hand. Das 1:2 bei 1860 München ist kein Grund für Panik, Vorsicht ist dennoch geboten.

Wenn ein Fußballspiel anstatt mit "You’ll never walk alone" unter den Klängen von John Lennons Friedenshymne "Imagine" und einer Gedenkminute eröffnet wird, dann weiß man, es herrschen keine normale Zeiten. Auch das "Duell unter Freunden" zwischen dem FCK und 1860 steht unmittelbar vor dem Anpfiff unter dem Eindruck des russischen Überfalls auf die Ukraine. Auf einem großen Banner in den blau-gelben Farben der Ukraine zeigen beide Mannschaften, was sich die ganze Welt zu Herzen nehmen sollte: "Gemeinsam für den Frieden!" Die Fans stimmen in Form einer tollen Schalparade mit ein.

"Gemeinsam für den Frieden" - Unnötige Fan-Trennung in Giesing

Rund 900 Fans sind aus Kaiserslautern nach Giesing gereist, so viele wie eben Karten bekommen konnten. Etliche hatten sich bereits zuvor in den umliegenden Kneipen und Biergärten auf ein Freundschaftsbier getroffen, auch wenn die Polizei wie schon vor drei Jahren wieder eine völlig blödsinnige Fan-Trennung vornimmt, sodass einige FCK-Fans an der Grünwalder Straße nicht zu den gemeinsam feiernden Gruppen auf der anderen Seite durchgelassen werden. Wann wird hier endlich dazugelernt? Im Stadion selbst sind 7.500 Zuschauer unter Corona-Bedingungen zugelassen. Ultras sind auf beiden Seiten nicht sichtbar, es gibt keine Fahnen und keine Choreos, der Lärmpegel auf den Rängen geht nur sporadisch hoch, vor allem in der Schlussphase. Aber besser als ein Geisterspiel, dass es noch beim ursprünglich vorgesehenen Termin Ende Januar gewesen wäre, ist es allemal.

Gerade einmal 90 Sekunden dauert das Spiel, da ist Mike Wunderlich hellwach, ganz anders als die Hintermannschaft der Münchner Löwen: Stephan Salger will im Strafraum zu seinem Keeper zurückspielen, doch bei seinem Querpass hat er die Rechnung offensichtlich nicht mit Lauterns Team-Oldie gemacht, der pfeilschnell dazwischen eilt und den Ball in die Maschen schießt. Doch der FCK kann erstaunlicherweise dieses Momentum nicht nutzen. Zwar hat etwa Muhammed Kiprit die Chance auf das 2:0, als er nach einer Viertelstunde alleine aufs Tor zuläuft, jedoch mit einem Lupfer scheitert. Aber insgesamt ist das Antwerpen-Team danach viel zu passiv. 1860 kann sich so schütteln und hat mehrfach gute Gelegenheiten, etwa durch Stefan Lex (13.), Dennis Dressel (14.) oder Yannick Deichmann (17.) Und so ist der Ausgleich in der 26. Minute nicht unverdient: Merveille Biankadi nimmt einen Ball im Strafraum volley, der wird von Mannschaftskollege Marcel Bär unhaltbar zum 1:1 abgefälscht. Vor allem die sonst so bockstarke FCK-Defensive wirkt in der Rückwärtsbewegung gegen mutige Löwen immer wieder ungewohnt anfällig. Etwas, das auch Wunderlich nach Schlusspfiff anspricht und was sich in den vergangenen Wochen andeutete, wie der 35-Jährige es formuliert. Der sieht in der 15. Minute übrigens nach einer unnötigen Schwalbe seine fünfte Gelbe Karte und wird in am Samstag beim Spitzenspiel in Osnabrück fehlen - sehr bitter.

FCK nutzt das Momentum nicht - Sechzig setzt den späten K.o.

In der Pause nimmt Marco Antwerpen dann auch prompt zwei Wechsel vor, bringt Philipp Hercher und Kenny Redondo, denen er heute eigentlich eine Pause gönnen wollte. Doch Dominik Schad und Daniel Hanslik können im ersten Durchgang nicht wie gewünscht überzeugen. Zunächst setzt sich trotzdem das Gesehene fort: Der FCK findet nicht so richtig Zugriff auf die Partie, Offensivaktionen versanden meist schnell, weil der eröffnende Pass beim Gegner landet. In Zweikämpfen wirken die Roten Teufel so gar nicht bissig, dabei könnten sie doch heute Abend den Abstand auf Rang 4 auf sieben Punkte ausbauen. 1860 dagegen ist zwar optisch überlegen, glasklare Chancen bleiben aber ebenfalls Mangelware. Und eine Viertelstunde vor dem Ende trauen sich die Lautrer dann sogar wieder etwas näher an den gegnerischen Strafraum heran.

Doch dann ist es ausgerechnet ein Standard der Löwen - jüngst eigentlich eine exzellente FCK-Stärke -, die den Weg zum Münchner Sieg ebnet. Kevin Goden wird nach einem Freistoß knapp vor dem Strafraum auf links völlig alleine gelassen, der kann in Ruhe Maß nehmen und knapp zehn Minuten vor dem Ende den 2:1-Siegtreffer erzielen.

Lautern verpasst die große Chance - Am Samstag kommt die nächste

Der FCK verpasst also die Chance, seiner Konkurrenz in der Tabelle davon zu eilen und 1860 gar komplett aus dem Aufstiegsrennen zu nehmen. Doch ist das ein Grund, gleich in Panik zu verfallen und schon wieder den Stab komplett über Mannschaft und Trainer zu brechen? Natürlich nicht. Antwerpen fand dazu nach dem Spiel die richtigen Worte: Es war die erste Niederlage seit Oktober vergangenen Jahres, ja eine hochverdiente, aber eben auch die erste seit stolzen 13 Partien. Und ja, die Leistungen waren schon besser als in den letzten vier, fünf Spielen. Aber die 3. Liga ist eben auch kein Wunschkonzert. Jede der Mannschaften im oberen Tabellendrittel hatte solche Spiele, hatte solche Phasen schon. Die Roten Teufel müssen sich nun nur fangen, die Entwicklungen erkennen, ansprechen und abstellen. Und im Idealfall an der Bremer Brücke am Samstag dreifach punkten. Dann ist auch die Stimmung wieder teuflisch gut.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel

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