Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SCV

DBB-Analyse: Wenn Umschaltspiel zur One-Man-Show wird

DBB-Analyse: Wenn Umschaltspiel zur One-Man-Show wird


Ein "Pflichtsieg" gegen einen Tabellen-18.? Von wegen: Die Partie des 1. FC Kaisers­lau­tern gegen den SC Verl bot gerade auch dank des Gegners Fußball auf ordentlichem Niveau. Da passt es, dass ihm ein Straßenfußballer alter Schule die Krone aufsetzte.

Sie können's also doch. Nicht nur gewinnen, sondern auch Fußball spielen, und zwar im besten Wortsinn. Vor allem am zweiten Punkt waren nach den beiden jüngsten Partien der Lautrer wiederholt leise Zweifel im Umfeld geäußert worden.

In der Tat war der FCK nach dem 2:2 gegen den souveränen Tabellenführer 1. FC Magdeburg in der zweiten Halbzeit eine halbe Stunde lang Ball und Gegner nur noch hinterher gelaufen. Und nach dem 0:0 bei Waldhof Mannheim wurde dem Team von Marco Antwerpen sogar "Mauerfußball" vorgeworfen worden. Prompt hieß es bei "Magenta Sport" zu Beginn des Spiels gegen den SC Verl, der Fußball des Tabellen-2. sei nicht unbedingt "attraktiv", sondern fuße vielmehr auf dessen starker Defensive. Als Beleg wurden die insgesamt 16 Zu-null-Partien und die erst insgesamt 15 Gegentore angeführt, die der FCK in dieser Saison bislang verzeichnete.

Also doch: Dieser FCK kann Fußball spielen

Dass in der 3. Liga mit Eintracht Braunschweig und Spitzenreiter 1. FC Magdeburg nur zwei Mannschaften deutlich mehr Treffer erzielten als die Lautrer - das wurde dabei glatt vergessen. Dass die Roten Teufel in der ersten Hälfte gegen Magdeburg dem anerkannt spielstärksten Team der Liga durchaus auch mit dessen eigenen Mitteln Paroli boten - dito. Dass ihre Vorstellung in Mannheim fußballerisch sicherlich keine Offenbarung war, dass sie aber kaum gegnerische Chancen zuließen und selbst im Grunde die besseren Möglichkeiten zum Führungstreffer hatten - geschenkt. Nichts manifestiert sich eben schneller als Vorurteile.

Ob die Partie gegen Verl nun hilft, diese ein wenig abzubauen? Müsste eigentlich. Denn es gab wieder einen FCK zu sehen, der über weite Strecken des Spiels gegen einen geordnet stehen Gegner das Durchkommen mit Kombinationsfußball suchte und dabei zu einigen ordentlichen Einschussgelegenheiten kam. Wenngleich es am Ende einen starken ruhenden Ball und eine überragende Einzelaktion brauchte, um die beiden Treffer zum Sieg zu erzielen. Aber so ist Fußball nun einmal.

Wieder einmal war der Gegner stärker als sein Tabellenplatz

Notorische Kritiker werden eher darauf verweisen, dass es ja nur den gegen Tabellen-18. ging und gegen diesen von Zweitplatzierten ein deutlicherer "Pflichtsieg" gefordert werden dürfe. Dass solche Einschätzungen gerade in der 3. Liga wenig hilfreich sind, da die Formkurven der meisten Teams permanenten Berg- und Talfahrten ausgesetzt sind, haben wir an dieser Stelle schon öfter ausgeführt. Der SC Verl präsentierte sich vielmehr als eben die spielstarke Elf, als die wir sie auch bereits in unserem Gegner-Check ausgewiesen hatten.

Das auch unter dem neuen Trainer Michél Kniat in einem forschen 4-3-3 formiert und situativ auch im gegnerischen Stadion ein mutiges Angriffspressing spielt. Aus einem solchen resultierte auch der Führungstreffer der Gäste. Innenverteidiger Aaron Berzel fängt einen langen Ball des bedrängten Hendrick Zuck ab und köpft in den Zehnerraum der Gäste. Dort bedient Tom Baack den halblinks einlaufenden Flügelstürmer Leandro Putaro. Der schiebt sich an Felix Götze vorbei und trifft.

Es war allerdings die erste gelungene Toraktion des Sportclubs. So dass die eigentlich stark gestartete Betze-Elf einem Rückstand hinterher laufen musste. Dass ihnen das gelang, ohne an Struktur zu verlieren, zeigt die gewachsene innere Stärke eines Teams, das sich oben in der Tabelle festgesetzt hat.

Antwerpen entscheidet wieder mal anders - und korrigiert sich

Götze? Der war für den gesperrten Boris Tomiak in die Abwehr-Dreierkette gerückt. Und eben nicht René Klingenburg, den Marco Antwerpen vor drei Wochen in Zwickau in die hintere Reihe zurückbeordert hatte. Und Götze übernahm hinten nicht die zentrale Position hinten, die er noch in der Vorsaison ausgefüllt hatte. Sondern eins zu eins die rechte Innenverteidiger-Position Tomiaks. Marco Antwerpen ist eben immer für eine Überraschung gut.

Aber auch gut genug, Entscheidungen, die sich nicht bewähren, zügig zu korrigieren. In der Halbzeit stellte er um, wohl nicht zuletzt wegen der unglücklichen Figur, die Götze bei seinem Einsatz vor dem Gegentreffer machte. Klingenburg, der bis dato den halbrechten Achter neben Mike Wunderlich gegeben hatte, musste raus. Für ihn kam Hikmet Ciftci, der Götzes Position übernahm, während dieser nach vorne rückte und von nun an das FCK-Spiel ankurbelte.

Die Rechnung ging auf - mit kleinen Bruchstellen, aber unterm Strich erfolgreich. Als Linksfuß hatte Ciftci auf der rechten Innenverteidiger-Position ein paar Probleme im Vertikalspiel, dafür gab er der Abwehr mit seiner Zweikampfstärke Qualität. Götze war fortan an allen Offensiv-Aktionen beteiligt. Schwächen zeigte er lediglich, wenn er selbst in Abschlussposition kam. Gleiches gilt einmal mehr Offensivkraft Kenny Redondo, diesmal wieder gemeinsam mit Daniel Hanslik unterwegs.

Ist der FCK-Sturm ohne Boyd variabler? Fortsetzung folgt

Winter-Neuzugang Terrence Boyd war krankheitsbedingt ausgefallen. Mit dem eingespielten Sturmduo wirkte das Offensivspiel in der Tat wieder beweglicher als zuletzt mit Boyd, der zwar schon angedeutet hat, dass er auch beim FCK der lange gesuchte Vollstrecker werden könnte, mit dem das Spiel der Roten Teufel zuletzt aber auch leichter ausrechenbar schien. Andererseits wurde Boyd kaum für die Bank geholt. Inwieweit sich da ein Problem abzeichnet, müssen die nächsten Spiele zeigen.

Und, bitte nicht vergessen: Sturmtalent Muhammed Kiprit ist ebenfalls noch da. Kam in der 62. Minute für Redondo und hätte ums Haar allerbeste Eigenwerbung für sich betrieben, als er sich kurz vor Schluss stark im Verler Strafraum durchsetzte und nur haarscharf verfehlte.

Winkler und Ritter drehen das Spiel - und setzen ihm die Krone auf

Die Wende hatte dem Spiel aber zwei andere Lautrer gegeben. Zum 1:1 traf der linke Innenverteidiger Alex Winkler, der noch in ersten Hälfte eine Ecke von Hendrick Zuck über die gegnerische Torlinie ablenkte und somit zum 16. FCK-Torschützen dieser Saison avancierte.

Und natürlich Marlon Ritter. Der Sechser, der sich in der entscheidenden Szene 13 Minuten vor Schluss in die letzte Reihe hatte fallen lassen. Reaktionsschnell ersprintet er sich einen Diagonalpass, der einen gefährlichen Konter der Verler hätte einleiten können, marschiert auf der halblinken Seite über den halben Platz, trickst sich am Sechzehner an einem Gegnerspieler vorbei, dringt in den Strafraum ein und vollstreckt per Beinschuss. "Umschaltspiel" als One-Man-Show. Oder: Der Triumph eines Straßenfußballers über Verschieben, Pressen, Gegenpressen, Seitenwechsel, Dreiecksspiel und weiß Gott was noch alles.

Und der Höhepunkt eines Spiels, das auch insgesamt auf einem für ein Drittliga-Verhältnisse ansprechenden fußballerischen Niveau war. Auch dank eines Gegners, bei dessen Bewertung es überhaupt keine Rolle spielt, dass er nur als Tabellen-18. kam.

Die xG-Grafiken: Was Götzes Chance wirklich die dickste?

Die xG-Grafiken bestätigen unsere subjektiven Eindrücke im Großen und Ganzen. Ein Endwert von 1.48 : 0.57 zugunsten der Roten Teufel - verdienter Sieg, ganz klar. Interessant: Als die dickste Chance wird Götzes Kopfball nach Wunderlich-Flanke in der 20. Minute gewertet. Naja, Götze erwischt den Ball zwar nur vier Meter vor der Torlinie, aber ein höher gewachsener Gegenspieler ist dicht vor ihm postiert und springt mit ihm hoch - so einfach zu machen war der nicht.

xG-Plot FCK-SCV

Die Positions- und Passgrafik: ein bisschen Unterbesetzung im Zentrum. Hatten wir in den vergangenen Spielen auch schon, aber solange die Einschussgelegenheiten gut über die Flügel vorbereitet werden, was soll's. Dass Götzes Spot insgesamt weit vorgeschoben erscheint, liegt an seinem Positionswechsel zur Halbzeit. Wir erinnern uns: Diese Grafiken bilden die Spielerbewegungen der ersten 70 Minuten ab, länger wäre, so Sander Ijtsma, uninteressant, da die danach einsetzenden Wechsel die Visualisierung sehr verzerren würden. Interessant: René Klingenburg wirkt in dieser Darstellung wie aus dem Spiel genommen. Haben wir in den ersten 45 Minuten so extrem eigentlich nicht wahrgenommen, womöglich aber Marco Antwerpen. Und ein Grund, weswegen er Ciftci für ihn brachte, mag auch darin gelegen haben.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik des SC Verl. Gut geordnetes 4-3-3, passfreudig - von wegen "Kellerkind". Das ist eine spielstarke Mannschaft, die der 3. Liga gut täte, so sie denn drin bliebe.

Passmap Verl

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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