Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Berlin

DBB-Analyse: Ein Spiel zum Reinbeißen, mit Volltreffer

DBB-Analyse: Ein Spiel zum Reinbeißen, mit Volltreffer

Foto: Imago Images

Mit seinem elften Saisonsieg nährt der 1. FC Kaiserslautern weiter die Aufstiegsträume. Beim 2:0 gegen Viktoria Berlin brauchten die Roten Teufel jedoch zunächst mal Glück, Geduld - und einen Mann in der Startelf, mit dem keiner gerechnet hatte.

Also ist sie geglückt, die "Revanche" für das 0:4 im Hinspiel, der schmerzhaftesten Niederlage, die der FCK in dieser Saison bislang einstecken musste. War ja auch klar, dass diese Partie in der Pfalz als solche etikettiert werden musste. Wenngleich sich die Hintergründe vor diesem Spiel gegenüber denen des 3. Spieltag deutlich verändert hatten.

Der kesse Aufsteiger war damals mit zwei Siegen in die Runde gestartet und erwartete den FCK als selbstbewusster Tabellenführer. Bei den Lautrern dagegen lief es nach einem mittelprächtigen 0:0 gegen Braunschweig und einem bitteren 0:1 in Meppen noch erkennbar unrund. Das Ergebnis im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark sprach für sich.

Am Samstag präsentierten sich beide Klubs nun mit einer gegenüber dem Hinspiel auf vier Positionen veränderten Startelf, und auf beiden Seiten fehlten augenscheinlich Hochkaräter. Beim FCK etwa Kapitän Jean Zimmer und Mittelfeld-Ass Felix Götze, bei Berlin Kapitän Christoph Menz und Mittelfeld-Ass Tolcay Cigerci. Doch schon der nähere Vergleich dieser beiden Personalien offenbart die Unterschiede, die sich in den vergangenen Wochen zwischen den beiden Teams aufgetan haben.

Revanche unter deutlich geänderten Vorzeichen

Zimmer war beim FCK krankheitsbedingt schon vor seinem jetzigen Ausfall keine richtige Stammkraft mehr, Götze nur kurzfristig ausgefallen, zudem ist er in dieser Saison schon mehrfach erfolgreich ersetzt worden. Cigerci dagegen hat die Viktoria in der Winterpause Richtung Türkei verlassen, Menz ist einer von etlichen Spielern, die die Berliner zurzeit unter anderem Corona-bedingt ersetzen müssen. Aus diesem Grund hatten sie 2022 auch noch kein Pflichtspiel absolviert und nur unter erschwerten Bedingungen trainiert. Die Euphorie im eigenen Lager ist nach den Startsiegen ebenfalls abgekühlt, mittlerweile hängt der Aufsteiger im Tabellen-Mittelfeld ab. In Lautern dagegen tanzen die Glückshormone zurzeit Polka, nach sieben Spielen ohne Niederlage, aber fünf Siegen und dem Sprung auf Aufstiegsplatz 2.

Die Viktoria startet geschwächt, aber mutig

Doch das muss man den Hauptstädtern lassen: Angesichts dieser Umstände bescherten sie der Elf von Marco Antwerpen eine sehr schwierige erste halbe Stunde. Ungeachtet ihrer Handicaps schoben sich die Gäste mutig nach vorne. Das Offensivtrio, das die Lautrer Hintermannschaft in Hinspiel noch so eindrucksvoll durcheinanderwirbelte, ist nach Cigercis Abgang zwar nur noch ein Duo, doch Enes Küc und Falcao harmonieren nach wie vor gut miteinander. Vor allem der Brasilianer gefiel, unter anderem mit zwei gefährlichen Tor-Annäherungen. Kein Wunder, dass Gerüchten zufolge auch der FCK den 22-Jährigen, dessen Vertrag in Berlin am Saisonende ausläuft, bereits im Visier haben soll. Allerdings dürften ihn auch finanzstärkere Vereine an ihm dran sein.

So kam Lautern diesmal nicht in den Genuss eines frühen Treffers. Erstmals seit dem Heimspiel gegen Wehen (1:0) im November war wieder mal ein "Sich-Reinbeißen" in eine Partie angezeigt. Doch auch das hat die Mannschaft mittlerweile gelernt, und dabei wirkte sie gar nicht mal zu "verbissen", sonderlich offenbarte auch spielerische Qualität. Wie Marlon Ritter, Mike Wunderlich und Philipp Hercher den beiden Stürmern Kenny Redondo und Daniel Hanslik Bälle in die Laufwege servierten, um ihnen erste Einschusschancen zu ermöglichen, war einfach schön anzuschauen. Redondo scheiterte zwei Mal an Berlins starkem Berlin Keeper Julian Krahl, Hanslik wurde ein Elfmeter verweigert, als er ein Wunderlich-Anspiel erlief und zu Fall gebracht wurde.

Julian Niehues: Ein Mann mit gewissen Eigenschaften

Und dann war da noch ein junger Mann, mit dem keiner gerechnet hatte. Marco Antwerpen hatte Julian Niehues für Götze als halbrechten Achter aufgeboten. Und eben nicht René Klingenburg, der womöglich krankheits- und verletzungsbedingt nicht wieder hundertprozentig hergestellt ist. Und auch nicht Hikmet Ciftci, der nach wie vor erst bei drei Startelf-Einsätzen in dieser Saison steht, obwohl er in allen dreien überzeugte.

Weshalb Niehues? Vielleicht, weil er im Training mehr überzeugte als die Mitbewerber. Vielleicht auch, weil Antwerpen ihn als eher defensiv orientierten Akteur als die bessere Absicherung für seine rechte Seite ansah. Hercher mutiert schließlich immer wieder vom "Schienenspieler" zum echten Rechtsaußen, und auch der rechte Innenverteidiger Boris Tomiak marschiert oft und gerne auf der Außenbahn nach vorn. Da braucht es einen, der die Kontrolle behält.

Und in der Tat: Niehues erledigte diese Aufgabe ordentlich, und nicht nur das. Der 20-Jährige schaltete sich auch mit ins Offensivspiel ein und zeigte, dass er trotz seiner 1,95 Meter gar nicht so ungelenk ist, wie viele ihn halten. Man betrachte sich nur den eleganten Lupfer, mit dem er den Ball behauptet, ehe er in der 16. Minute Hendrick Zucks Abschlussversuch vorbereitet. Kuriose Anekdote am Rande: Das letzte und bis gestern einzige Mal stand Niehues ausgerechnet beim Hinspiel in Berlin in der Startelf, wo er mit der gesamten Mannschaft unterging.

In der 42. Minute bestätigt sich Antwerpens Personalentscheidung endgültig als Volltreffer: Wunderlich bedient nach vorne gepreschten Tomiak auf der rechten Seite, der flankt butterweich auf den eingelaufenen Niehues - und der köpft ein.

Mit dem 1:0 kehrte auch die defensive Stabilität zurück

Damit befand sich der FCK im nunmehr siebten von elf Heimspielen auf der Siegerstraße. Eine Führung hat er erst einmal abgegeben, beim 1:1 Ende August gegen Zwickau.

Auch diesmal sollte nichts mehr anbrennen. In Hälfte zwei zeigte die stärkste Defensive der Liga wieder die Stabilität, die sie in den 45 Minute zuvor in einigen Momenten vermissen ließ. Und die FCK-Elf insgesamt demonstrierte, dass sie mittlerweile auch Umschaltspiel beherrscht. Allein die Versuche, mit denen Wunderlich gegen Krahl abzuschließen versuchte, wären gegen eine schwächeren Keeper wohl zwei, drei weitere Treffer mehr gewesen.

So aber war lediglich ein 2:0 zu bestaunen, das geradezu lehrbuchhaft demonstrierte, wie geschlossenes Ver- und Nachschieben funktioniert. Zuerst zwingt Redondo durch beharrliches wie kluges Anlaufen an der Mittellinie einen viel zu riskanten Pass von der linken Verteidiger-Position. Den erläuft sich Hanslik, der setzt direkt wieder Redondo ein, der bereits wieder auf Angriff umgeschaltet hat. Redondo misslingt zwar der unmittelbare Abschluss, doch der Rest des Teams ist mittlerweile so eng aufgerückt, dass es sich nach Berliner Abwehrversuchen gleich zwei Mal das Leder zurückholt.

Philipp Hercher: Der Schienenspieler ist zum coolen Knipser mutiert

Beim zweiten Mal nach einem beherzt geführten Zweikampf Ritters, der sofort nach links auf Zuck legt. Der flankt aufs lange Eck - und Philipp Hercher beweist mit seinem fünften Saisontreffer, wie abgezockt er mittlerweile vor Gegners Kasten ist: Der 25-Jährige nimmt den Ball nicht volley und mit Verve, sondern lässt ihn sich lediglich gegen den Fuß prallen, so dass er ganz locker gegen die Laufrichtung des Keepers ins Netz rollt.

Danach waren, wie schon geschrieben, zwar noch einige Torszenen zu sehen - auch auf der anderen Seite -, doch Fouls mit anschließenden Reibereien sowie etliche Wechsel machten das Spiel zunehmend unstrukturierter. Fakt ist: Am Ende stand dann doch ein ungefährdeter und auch nach Chancen klarer FCK-Sieg. Nach dem man nun gespannt sein darf, wie sich Top-Transfer Terrence Boyd in dieses gut funktionierende Team einfügen will. Es würde nicht wundern, wenn der Sturmtank sich erst einmal mit der Rolle des Jokers zufrieden geben müsste.

Ergänzung, 24.01. - die xG-Plots: Sieh an, Flankengott Tomiak ist auch der erste Aufbauspieler

Für die Timeline der expected Goals gilt diesmal das gleiche wie in der Vorwoche nach dem Meppen-Spiel: einfach anschauen und genießen. Was für ein Treppchen.

xG-Plot FCK-Berlin


Die Positions- und Passgrafik: Interessant, wie schief die Dreier-Abwehrreihe des FCK positioniert ist. Drum nochmal zum Verständnis: Die Spots markieren die durchschnittliche Ballannahme-Position. Alex Winkler ist nun mal der, der sich Keeper Matheo Raab für kurze Anspiele anbietet, sieht man auch am Pfeil. Bei Ballbesitz des Gegners stehen die drei Verteidiger natürlich auf gleicher Höhe. Erfreulich wieder die Passintensität zwischen den Offensivspielern. Und: Wahnsinn, was da auf der rechten Abwehrseite zusammengespielt wird. Boris Tomiak ist nicht nur der in der Dreier-Abwehrkette, der am meisten nach vorne marschiert, sondern auch der, der die ersten Pässe spielt. Guck an. Vergangene Saison hat der 23-Jährige noch Regionalliga gekickt. Was für eine Entwicklung. 


Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Berliner: Wie oben bereits beschrieben. Das ist ein Aufsteiger, der stark aufs spielerische Element setzt. Kompliment, gerade weil er derzeit auch personell gebeutelt ist.


Passmap Berlin

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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