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Gegner-Check FCH: Schmidteinander flanken und köpfen

Gegner-Check FCH: Schmidteinander flanken und köpfen

Foto: Imago Images

Der 1. FC Kaiserslautern reist zum 1. FC Heidenheim. Kommt als Tabellensiebter zum -dritten. Keine ungewohnte Position für den FCH, denn er gehört seit Jahren zu den Besten der Zweiten Liga. Weshalb, ist gar nicht so einfach zu ergründen.

Keine Glanzlichter, aber Dauerbrenner: Okay, es ist nicht nett, so etwas zu sagen, aber es ist ehrlich: Im Vergleich zu "1. FC Nürnberg", "Hannover 96", "Fortuna Düsseldorf" oder eben "1. FC Kaiserslautern" klingt "1. FC Heidenheim" für den gemeinen Fußballfan weniger sexy. In der Marktwerttabelle von "Transfermarkt.de" rangiert der FCH auf Rang 11. Laut aktueller "Kicker"-Rangliste performten im vergangenen Halbjahr lediglich Innenverteidiger Patrick Mainka und der mittlerweile nach Schalke abgewanderte Flügelspieler Tobias Mohr "auffällig". Der teuerste Spieler, den der Verein jemals verkaufte, war der einst vom FCK abgeworbene Robert Glatzel - etwa sechs Millionen Euro brachte der Transfer des heutigen HSV-Torjägers nach England. Teuerster Einkauf war Tim Kleindienst, der etwa für die Hälfte kam. Der einzige Star, den der Verein je hervorgebracht hat, hieß Marc Schnatterer, und der kickt seit 2021 drittklassig in Mannheim. Dennoch: Die Heidenheimer sind im nunmehr neunten Jahr in Folge in der 2. Bundesliga präsent, seit fünf Jahren platzieren sie sich regelmäßig einstellig. 2019/20 qualifizierten sie sich für Relegationsspiele um den Bundesliga-Aufstieg, scheiterten aber an Werder Bremen und der damals noch gültigen Auswärtstor-Regel. Das Erfolgsgeheimnis? Außer den zurecht erwarteten Schlagworten "ruhiges Umfeld", "Kontinuität" und natürlich "Frank Schmidt" lässt sich da für Außenstehende auf die Schnelle kaum was ermitteln. Dem Coach, der seit nunmehr 15 Jahren beim FCH das Sagen hat, hat der "Kicker" gerade in seiner Montagsausgabe zwei Seiten gewidmet. Die Kernaussagen: Schmidt ist top-ehrgeizig, identifiziert sich hundertprozentig mit seiner Aufgabe und hat ein feines Gespür für seine Jungs. Ah ja.

Die ganz linke Tour: Zwölf Treffer haben die Heidenheimer bislang erzielt. Davon fünf mit dem Kopf. Keiner hat in dieser Liga öfter aus dem Luftraum getroffen, aber der FC St. Pauli, der Hamburger SV und der FCK immerhin genauso oft. Drei Mal ging einem Treffer mit dem Fuß ein mehr oder weniger gewonnenes Kopfballduell voraus. Drei Treffer fielen nach Eckbällen und Freistoßflanken, die allesamt mit links von der linken Seite getreten wurden. Vier Mal fielen Tore nach Linksflanken aus dem Spiel heraus, eine Flanke wurde von der rechten Seite auf den Schädel eines Mitspielers gelöffelt, allerdings mit links. Einmal traf ein Linksfuß höchstpersönlich. Die Indizien sind eindeutig: Mit Jan-Niklas Beste und Jonas Föhrenbach hat Frank Schmidt auf der linken Seite ein ganz starkes Pärchen zusammengefügt. Beste, von Heidenheim im Sommer aus einem "Ferner liefen"-Engagement bei Werder Bremen erlöst, hat laut "Wyscout" in dieser Runde schon 44 Flanken geschlagen, die zweitmeisten in der Liga nach dem Kieler Fabian Reese. Drei Mal schon führten Bestes Vorlagen zu Treffern, einmal hat er selbst getroffen. Föhrenbach rangiert im Flanken-Ranking auf Platz 4 und hat ebenfalls schon zwei Assists auf dem Konto.

Die dankbaren Abnehmer: Über die Flankenflut freut sich vor allem einer - Tim Kleindienst, die 1,94-Meter-Kante. Schon drei Mal war Kleindienst mit dem Kopf zur Stelle, eine flache Linksflanke von Beste verwertete er mit dem Fuß. In der Freiburger Fußballschule sozialisiert, kam Kleindienst das erste Mal zur Saison 2019/20 nach Heidenheim. Nach einem Zwischenspiel in Gent kickt er nun im zweiten Jahr beim FCH und hat sich in der Spitze festgebissen. Doch auch die beiden robusten Achter in Schmidts derzeit praktiziertem 4-1-4-1 gehen gerne mit vorne rein, um Flanken abzufischen: Adrian Beck, Neuzugang aus Ulm, und Routinier Denis Thomalla. Beide haben auch schon Erfahrungen als Stürmer gesammelt.

Das Abwehrbollwerk: Heidenheim ist seit fünf Spielen ungeschlagen, hat bereits vier Mal zu Null gespielt und stellt mit erst fünf Gegentreffern in acht Partien gemeinsam mit dem HSV gegenwärtig die beste Abwehr der Liga. Hinten auf der Linie steht Keeper Kevin Müller, den die "Kicker"-Rangliste vergangene Saison überhaupt nicht berücksichtigt hat, der auf dem "Wsycout"-Index derzeit aber als bester Torwart der Liga geführt wird. Vor ihm räumt der erfahrene Patrick Mainka ab, der ebenfalls bei ruhenden Bällen gerne aufrückt und auf Flugbälle lauert. Neben ihm hat sich Lennard Maloney etabliert. Den 22-Jährigen holten die Heidenheimer im Sommer aus dem Drittliga-Team von Borussia Dortmund und scheinen mit ihm einmal mehr einen ihrer unspektakulären, aber guten Griffe gemacht zu haben. Linksverteidiger Föhrenbach haben wir schon erwähnt, sein Gegenüber auf der rechten Seite, Marnon Busch, gilt als einer der schnellsten Spieler der Liga.

Die im Dunkeln: In dem Maß, in dem die starken Flankengeber Föhrenbach und Beste und ihr potenzieller Abnehmer Kleindienst für Furore sorgen, ist der Stellenwert der Ex-Lautrer Christian Kühlwetter und Florian Pick im FCH-Kader weiter gesunken. Beide kamen diese Saison bislang nur zu Kurzeinsätzen, Pick stand lediglich ein einziges Mal in der Startelf, musste aber schon zur Pause wieder raus. Gegen Beste auf der linken Seite ist der Flügeldribbler aktuell ohne Chance, rechts hat sich Kevin Sessa vor ihn geschoben, der Bruder von Nicolas Sessa. Kühlwetter feierte vor zwei Jahren einen starken Zweitliga-Einstieg beim FCH, steht aktuell aber ebenfalls noch ohne Saisontreffer da. Ob Schmidt am Sonntag einen oder gar beide bringt, des eventuellen Motivationskicks gegen den Ex-Verein wegen? Derart romantische Anwandlungen sind eher nicht sein Stil. Außerdem hat der Coach die vergangenen vier Partien stets mit der gleichen Startelf begonnen. Ob das jüngste 0:0 in Karlsruhe, gleichwohl nicht berauschend, bei ihm Wechsel-Überlegungen ausgelöst hat? Ist natürlich möglich, aber nicht unbedingt wahrscheinlich.

Fazit: Beginnt FCK-Trainer Dirk Schuster am Sonntag mit einer 3-4-1-2-Formation, nachdem die Umstellung auf diese sich gegen Magdeburg und Darmstadt nun schon zwei Mal ausgesprochen positiv ausgewirkt hat? Das wird zurzeit öfter gefragt. Wir sagen: Gerade in Heidenheim wäre es eher nicht angezeigt. Vor allem gegen das starke Flügelpärchen links braucht es doppelt besetzte Außenbahnen, und da bietet sich das gewohnte 4-2-3-1 an. Die linke Seite dichthalten sowie Ecken und Freistoßflanken vermeiden, das kann in diesem Spiel mehr als die halbe Miete sein. Gegen Darmstadt haben die Schuster-Jungen nicht einen gegnerischen Eckball zugelassen, gegen den Gegner, der bis dato laut Statistik die meisten Ecken in der Liga provoziert hatte. Es geht also. Und wie lassen sich Tore erzielen gegen die aktuell beste Defensive der Liga? Gegen die Lilien haben die Roten Teufel gezeigt, dass sie im Grunde die gesamte Bandbreite des Offensivspiels beherrschen. Torchancen generieren mit Kurzpassspiel über mehrere Stationen inklusive Flankenwechsel: so gesehen vor Ritters Torversuch in der 3. Minute. Langer Ball, Kopfballablage und direkter zweiter Ball in die Tiefe: so gesehen vor Herchers Einschusschance in der 24. Minute. Schnelles, exakt abgestimmtes Umschalten nach Ballgewinn tief in der eigenen Hälfte: so gesehen vor Kenny Redondos 3:2 in der 87. Minute. Sie haben also alles drauf. Nur dürfen sie es gerne noch öfter zeigen.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Sonntag, 13:30 Uhr: Gastspiel auf der Schwäbischen Alb (Der Betze brennt)

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