SuperMario hat geschrieben:Dass die/wir Fans auch anders könn(t)en, das gabs sogar in der näheren Vergangenheit. Noch nicht mal ein Jahr her haben wir gegen 60 die Mannschaft bedingungslos zum 2:1 getrieben und gesungen. Früher war das die Regel, nicht die Ausnahme...
Früher hatten wir auch eine andere Fankultur. Bis Ende der 90er Jahre war der Betze noch ein brodelnder Vulkan. Schon ein Funke genügte, um ihn zum Ausbruch zu bringen. Der Betze war ursprünglich, spontan, wild, aggressiv, politisch inkorrekt - und vor allen Dingen unorganisiert. Eine Naturgewalt, ein Naturereignis vor dem jeder Gegner Angst hatte, vor dem alle zitterten, weil der Vulkan jederzeit ausbrechen konnte. Noch Ewald Lienen sprach nach der 4:3 Niederlage mit Hansa Rostock in der Saison 97/98 wutschnaubend von einer Progromstimmung.
Heute ist der Profi-Fußball überall amerikanisiert und standardisiert. Alle natürlichen Differenzen zwischen den Vereinen werden hemmungslos und gewaltsam plattgewalzt. Bis auf einen einzigen Unterschied: Der Wirtschaftsfaktor. Das Geld regiert den modernen Fußball mittlerweile zu 100%. Wer keines hat, geht unter. Alle anderen Standortfaktoren wie Tradition, Mentalität, Stadionatmosphäre und Fankultur spielen keine Rolle mehr. Der moderne Fußball zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, daß er eindimensional geworden ist - und unendlich ärmer.
Und die Standardisierung hat vor den Fankurven leider auch nicht haltgemacht. Die meisten organisierten Fangruppen lassen sich vor den Kommerzkarren spannen, ohne es selbst zu bemerken. Krampfhaft versucht man zwischen den vielen Verordnungen, Vorschriften und Verboten noch Stimmung zu erzeugen, meistens gnadenlos am Spielverlauf vorbei. Progromstimmung am Betze? Das gehört längst der Vergangenheit an. Heute muß sich hier niemand mehr fürchten. Die Stimmung ist wie in jedem anderen 0/8/15 - Stadion auch, mit dem einen Unterschied, daß sie in anderen Stadien wie in Frankfurt, Köln oder Hamburg ein wenig ausgelassener und fröhlicher ist, weil es dort sportlich etwas besser läuft. Ansonsten derselbe Einheitsbrei. Überall spielt das gleiche Orchester, nur das es auf einer Beerdigung etwas gedämpfter aufspielt, als bei einer Hochzeitsgesellschaft.