Ktown2Xberg schrieb:
Nach einer Nacht drüber schlafen:
Sorry, wer dem Trainer nach diesem dritten guten Auswärtsspiel in der Liga hintereinander die Schuld geben möchte (und dabei auch noch argumentiert der Ausgleich wär das Resultat passiver Spielweise gewesen, unfassbar) muss schon sehr auf seinem eigenen Kreuzzug sein.
Direkt kann Runjaic nüscht dafür. In einem sind sich jedoch viele der Trainer-Kritiker und -Verteidiger überraschend einig: So etwas wie gestern kannst Du entweder mit Pech auf kosmisch höchstem Niveau erklären - oder, etwas weltlicher, psychologisch.
Um das ganze etwas zu beschleunigen: Es gibt von hier ab 2 mögliche Erklärungen, über die wir vielleicht mal eine ehrliche, sachliche Diskussion ohne Krakele und Agenda führen sollten:
a.) Runjaics Spielsystem ist zu kompliziert für die Spieler. Es überfordert sie, setzt ein Maß an Konzentration voraus das unser Team nicht halten kann - und zieht deshalb häufige individuelle Fehler nach sich.
Damit kann man den Fehler von Marius vor dem Ausgleich immer noch nicht erklären (dafür war der einfach zu eklatant), aber immerhin ließe sich damit ein Ansatz ausmachen, warum wir so häufig mit dem Prädikat "Sieger der Herzen" aus dem Spiel gehen. mMn ist da sogar ein Stück was dran; unser Spielsystem ist Anspruchsvoll - allerdings mMn nicht, weil man phasenweise unter Pressing den Ball sicher im eigenen Drittel spielen muss um die (unter Foda so verhassten) blinden, hohen Bälle nach vorne zu vermeiden (aka "Ballgeschiiiiiiieeeebe!!!!11elf!), das müssten wir gg. pressende Mannschaften auch in anderer Ausrichtung, sondern weil wir meist sehr hoch stehen, die Verteidiger im Aufbauspiel die ersten Spielmacher - und dabei ohne Absicherung sind.
Wenn man das so sieht, muss man allerdings eine Frage ehrlich diskutieren: Wollen wir einen vielversprechenden Ansatz so lange verfolgen, bis wir unserem Team das zur Gänze beigebracht haben oder ein entsprechendes Team zusammengestellt haben, oder den Ansatz verwerfen, weil er in der jetzigen Konstellation eine Herausforderung für das Team ist. Verkürzt: Spielkonzept durchziehen und Mannschaft entsprechend bauen, oder System dem Kader anpassen?
Klar, hier werden viele rufen "Du kannst nur spielen, was Du auch spielen kannst." Dann muss man aber auch (gerade gegen über all denen, die den FCK einfach aufsteigen sehen wollen und hier schlicht aufgrund der Ergebnisse auf den "Runjaic raus!"-Zug aufspringen so ehrlich sein, und darüber reden was die spieltaktischen Alternativen sind. Wir haben nicht nur eine Transfer-, Struktur- oder irgendwas-Geschichte die uns ins hier und jetzt gebracht hat, sondern auch eine taktische.
Wie von oben dargelegt halte ich die Ansätze, ein Speil wie das gestrige mit "Passivität" zu erklären für ziemlich verblendet, um nicht zu sagen spieltaktisch platt und naiv. Jo, wir spielen den Ball phasenweise mal hinten rum. Aber dieses hinten ist 2/3 des Spiels fast auf Höhe er Mittellinie, eben so weit vorne, wie es das Pressing des Gegners grad zulässt, aber immer am Maximum. Die entscheidende Frage ist nicht aktiver oder passiver (wir sind in dieser Saison auswärts ein einziges mal wirklich über längeren Zeitraum zu passiv aufgetreten, und da stands 3:0 für uns), sonder höher oder tiefer stehen sowie hoch rausspielen vs. flach aufbauen.
Wenn wir tiefer stehen operieren unsere Verteidiger mit und gegen den Ball nicht permanent als "letzte Grenze", was z.B. einem Heubach helfen würde, der nicht der Antrittsschnellste ist, das i.d.R. durch sehr gutes Stellungsspiel wettmacht - und bei einem gewissen Dauerdruck im Gegenpressing, kurz: sich verkleinernden Zeitfenstern beim Agieren, manchmal nicht mehr nachkommt, die Schwächen (Tempo, Ballbehandlung) mit Stärken (Stellungsspiel, Übersicht) zu kompensieren. Diesen Druck nimmt man den Verteidigern aber nur, wenn man nicht nur das hohe Stehen zurücknimmt, sondern auch - Torwart wie Verteidiger - unter Pressing vorgibt, die Bälle hoch aus der Gefahrenzone zu schlagen statt flach aufzubauen. Nur dann werden die 1:1-Situationen in letzter Reihe im Aufbau vermieden. (Und das ist auch der Grund warum man erst das hohe Stehen zurücknehmen müsste; wenn man nur die Vorgabe flach/hoch raus ändert, kommen alle hohen Bälle, die direkt zurück kommen - und die gibt's dann immer mal - mit Tempo auf eine hoch stehende, mittelflinke IV; ergo: Einladung zum Auskontern, teilweise im Winter 13/14 nach Einführung des hohen Spiels durch Runjaic unser Problem. Also: Wer hoch raushaut, muss auch tiefer stehen.)
Mal abgesehen davon, dass ich persönlich eine ästhetische Abneigung gegen blinde hohe Bälle am Rande der Allergie habe:
a1: wir haben aktuell nicht die Zielspieler für ein auf zweite Bälle angelegtes hohes Spiel (das waren mal Idrissou und Occean).
a2: Die Saison 12/13 unter Foda sowie die Rückrunde 13/14, als Runjaic mit Fodas Kader zum 4-4-2 und diesem Ansatz dem Kader geschuldet zurückgekehrt ist, haben gezeigt, dass diese Taktik gg. tief stehende Gegner mit kräftigen Innenverteidigern (Remember Aalen) nullkommanix bringt.
Long story short:
Wer behauptet, Runjaic will zuviel von unseren Spielern, der muss auch konkret benennen können, worin genau diese Überforderung besteht. mMn ist das größte Risiko immer noch die hohe Konzentration im Defensivbereich, die das System zwingend voraussetzt. Dann muss man aber auch ehrlich im nächsten Schritt anerkennen, dass a) wir das schon einmal (letzte Saison) über weite Teile gut hinbekommen haben und b) ein Abschied von dieser Ausrichtung zwingend ein Schritt zurück zu mehr "Hoch und Weit" sein wird.
Ob man damit (mehr "konventionelles" Hoch und weit, Standards, physisches Spiel) geplant aufsteigen kann, welche Perspektiven man ohne Spielkultur bei Ballbesitz in Liga 1 hätte usw. sind dann absolut berechtigte Folgefragen.
Nur mal so für all die, die sich durch das Kippen von Runjaic irgendeine Erlösung und den "short cut" zum Glück erhoffen.
Womit wir bei der alternativen These in Sachen "psychologisches Problem" wären:
b. Trotz aller kommunikativer Versuche der Verantwortlichen hat sich gegenüber den ersten beiden verkrampften Aufstiegsversuchen nichts geändert; bei uns zählt der Aufstieg - und sonst nix. Jedes Spiel, jede Spielphase wird sofort "hochgerechnet" und am Ziel Aufstieg gemessen - mit dem Ergebnis, dass wir nie etwas zu gewinnen haben, stets aber viel zu verlieren. Die Leichtigkeit, die Braunschweig, Paderborn oder Darmstadt über ihre Verhältnisse und damit über den Strich getragen hat, fehlt bei uns komplett.
Am Anfang der letzten Saison, noch bis über Spieltag 10 hinaus, haben hier viele den Umschwung auf eine Mannschaft mit Identität zusammenstellen und "langsam aufbauen" mitgetragen. Zwei Entwicklungen haben uns das mMn komplett kaputt gemacht:
b1. Paradoxerweise haben die überraschend guten 30 Spiele letztes Jahr uns hier im Nachhinein zurückgeworfen. Die gute Arbeit, die dazu geführt hat, dass wir mit einem Kader, den vorher viele allenfalls im Mittelfeld erwartet hatten, 4 Spieltage vor Schluss eigentlich "nur" noch über die Linie gehen mussten, hat das "langsam aufbauen" komplett gefressen und nach sich gezogen, dass der Strategiewechsel nur noch unter "Kommunikationsstrategie" verbucht wird.
Das ist mMn gefährlich - weil die Welt so nicht funktioniert. Die psychologische Wirkung, die das "langsam Aufbauen" haben sollte hat es eben nur, wenn man es auch ehrlich nimmt. Anders gesagt: Wir wollten Druck aus dem Kessel nehmen und haben u.a. deshalb die Strategie gewechselt. Psychologisch bedeutet das aber witzigerweise tatsächlich, dass wir unsere Chancen hochzugehen deutlich erhöhen, wenn wir innerlich damit umzugehen lernen, nicht aufzusteigen. Einen Wunsch aufgeben, um ihn möglich zu machen. Das erfordert eine Reflexionsfähigkeit, die schon viele Individuen überfordert. Es einer großen Gemeinschaft, wie "dem FCK" als Ganzes, zu vermitteln ist noch einmal um einiges schwieriger. Trotzdem waren wir da auf einem guten Weg - doch die Konstellation des letzten Saisonfinales hat uns komplett aus diesem Weg rausgehauen.
b2. Ein wesentlicher "Katalysator" dabei, den geduldigen Weg mitzugehen war für sehr viele hier die Tatsache, dass wir mehr und mehr Pfälzer Eigengewächse in der Mannschaft gesehen haben.
Hier haben uns Herr O. und die Brause viel tiefer getroffen, als den meisten bewusst ist. Der Weggang von Heintz und Orban, gerade O.'s "Verrat", hat uns in Sachen Identität/identifikation einen herben Schlag versetzt. Gerade deshalb gehen jetzt immer mehr in Richtung "mir egal wer da spielt, Hauptsache sie machen ihren Job und bringen uns hoch". Das erhöht den Druck nur leider zusätzlich.
Zauberfrage zum Schluss: Was ist nun richtig, a oder b?
mMn (wie so oft im Leben) beides. Wir verfolgen einen sehr anspruchsvollen Fußball, der hohe Konzentration und psychische Stärke voraussetzt. Und das in einem Umfeld, das keine Spielräume, keine Lern- oder Probierphasen zulässt sondern nahezu jede Spielsekunde am großen Ziel - dem Aufstieg - misst.
So wird das nix.
Ich habe kein Problem damit, wenn wir dieses Saison nicht aufsteigen. Aber ich würde es sehr schade finden, wenn wir uns aufgrund einer Gruppenpsychologisch ungünstigen Dynamik die Chance nehmen, etwas großes Aufzubauen. Der FCK wird nie als blutleere "macht Euren Job,Hauptsache hoch"-Interessengemeinschaft Erfolg haben, sondern nur als eingeschworene Trutzburg.
Das ist unsere Mannschaft, Unser Trainer. Wir haben erst 5 Spieltage hinter uns. Lasst uns diese Saison gemeinsam angehen - und schauen was dabei rauskommt. Alle die uns die Pistole auf die Brust setzen - innen oder außen - müssen damit leben, dass dann unter Umständen irgendwann mal einer abdrückt.
---------------------------------------
so, das war der beitrag, über den wir diskutieren wollten.
da er im geschlossenen vorgängerthread war, musste er erst von mir herkopiert werden, damit man ihn zitieren kann.
*klopft sich auf die schulter
dass ich dies hier zitiert habe, weil ich Ktown2Xberg zu 100 prozent zustimme, muss ich wohl nicht mehr sagen, oder?
