Schlossberg hat geschrieben:salamander hat geschrieben:Hätte der FCK nach dem Bochumspiel mit vier Siegen durchgepowert, so würde man Runjaic Emotionslosigkeit als die Ruhe des Analytikers sehen. Haben wir aber nicht. Wir sind erneut eingebrochen. Und da darf man dann schonmal nach Gründen Fragen.
In der Tat.
Leider fehlen uns Außenstehenden zur Erstellung eines zutrefffenden Gesamtbildes wichtige Informationen. Wir konnten das sehen, was sich auf dem Platz abgespielt hat, und die Presse lesen.
Was wir aber nicht kennen, ist die Vertragssituation und der diesbezügliche Verhandlungsstand der einzelnen Spieler in der Endphase der Saison.
Ob ein Spieler 100% bringt, oder eben nur 95%, hängt von vielen Faktoren ab, untere anderem davon, was dem Spieler so im Kopf herumgeht.
Nehmen wir das Beispiel Zoller. Warum hat der in den letzten vier Spielen weder ein Tor gemacht noch eine besonders gute Leistung gebracht? Ist es ausgeschlossen, dass ihm sein Unterbewusstsein sagte, nächste Saison bin ich wieder beim Geißbock, was soll ich mir also hier ein Bein ausreißen?
Beispiel .. nein, zu diesem Verräter wollte ich hier eigentlich nichts mehr schreiben.
Beispiel Zimmer. In KA trifft er beim Fernschuss noch die Latte, in der Endphase der Saison gar nichts mehr, spielt einfach schwach. Ausgeschlossen, dass diverse fette Angebote seine Konzentration störten?
Beispiel Karl. Zielt gut, trifft meilenweit daneben. Macht sich beim Versuch lächerlich, vor der West Übersteiger a la CR7 zu zeigen. Bringt bei einer Riesenchance gegen den FCI nur ein Rollerchen s´zustande. Nagt der Neid auf die Vertragangebote, die immer nur die anderen bekommen, wo er doch ...?
Beispiel Heintz. Versucht sich als Flügelstürmer und Dribbelkünstler, was das Publikum zum Lachen bringen würde, wäre es nicht das Heimspiel gegen St. Pauli, in dem der Aufstieg verspielt wurde. Warum? War es der Berater, der ihm eingebleut hatte, wenn Du Offensivqualiäten zeigst, schlage ich ein höheres Gehalt für dich raus?
Runjaic hat viel richtig gemacht, aber auch so einiges falsch. Manches kann man ihm vorwerfen, z. B. seine eigenartige Wechselstrategie.
Aber für die diffuse Gefühlslage der Spieler in der entscheidenden Phase der Saison, die m. E. dazu beigetragen hat, dass die Normalform nicht annähernd erreicht wurde, sind andere mindestens ebenso sehr verantwortlich.
Natürlich ist es nicht so eindimensional, dass Runjaic allein verantwortlich ist für alles Übel. Ich habe schon zum Zur Mitte der Hinrunde darauf hingewiesen, dass die Ziele der ausgeliehenen Spieler nicht notwendigerweise deckungsgleich mit denen des FCK waren. Später mag das dann auch auf die zugetroffen haben, die wussten, dass ihre Zukunft nicht beim FCK liegt.
Aber die Situation trifft ja alle Profivereine in der Endphase der Saison und dennoch schaffen es einige Trainer, die Spannung in ihren Kadern hoch zu halten. Ich hab's jetzt nicht nachgerechnet, denke aber, dass wir in den letzten Spieltagen von allen Teams in den ersten beiden Ligen, für die es noch um etwas ging, wir mit am wenigsten Punkte geholt haben.
Und was Runjaic angeht, muss man nun mal jetzt den Daumen heben oder senken. Da steht auf der Haben-Seite
- hat aus neu zusammengestelltem Kader schnell ein funktionierendes Team gemacht
- hat einzelne, vor allem jüngere Spieler weiterentwickelt
- hat der Mannschaft ein funktionierendes System gegeben, das Stabilität verleiht
- hat, soweit man das sieht, die soziale Dynamik im Team souverän im Griff gehabt (Unzufriedenheit, Eifersüchtelei, Grüppchen etc.pp.)
- hat immer wieder Phasen gehabt (vor allem zu Beginn der Saison bzw. seiner Tätigkeit), in der die Mannschaft begeisterte
- funktionierte konfliktfrei mit dem Spirtdirektor
Auf der Sollseite steht
- "kann" nur ein System, den langsamen Aufbau über viele Stationen, der aber aufgrund limitierter Spieler zu langsam und ungenau ist, um gegen die dann formierten Abwehrreihen ausreichend Chancen zu kreieren.
- Durch die große Statik bei der Spielweise sind für für spielerisch schwächere gegnerische Teams und Trainer leicht ausrechenbar.
- Wesentliche potenzielle Stilmittel modernen Fußballs sind kaum oder gar nicht vorhanden: Schnelles Umschaltspiel, Spiel über Außen, brauchbare Standards.
- Die Mannschaft reagiert trotz hohem Ballbesitzanteil seltsam lethargisch und passiv: Nach eigener Führung zieht man sich ohne sichtbaren Grund zurück, man "bettelt" um den Ausgleich, nimmt sich aus dem Spiel. Nach dem ersten Tor wird nicht aufs Zweite gegangen, nach dem zweiten nicht aufs dritte, vierte, fünfte.
- Die wirklich begeisternden Spiele sind rar. Als Normalfall bleibt eher ein gleichförmiges, im Tempo kaum variierendes Ballgeschiebe in Erinnerung. Mitreißender Fußball wurde, auch wenn von Vereinsseite anderes kolportiert wird, von Ausnahmen wie 1860 abgesehen, auch in Heimspielen nicht geboten.
- Trotz offenbar guter Stimmung im Team haben wir ein Mentalitätsproblem. Das manifestiert sich in einer gewissen Lustlosigkeit bei eigentlich schwächeren Gegnern, vor allem aber an der Art und Weise des Auftritts in den Saisonfinals 2014 und 2015. Im letzten Jahr wurden dafür vom Trainer öffentlich die älteren Spieler (Idrissou, Alushi) verantwortlich gemacht, in diesem Jahr die jüngeren (Demirbay, Younes).
- seine Aussendarstellung ist eher schwach: zur Selbstkritik nicht fähig, arrogant-spöttischer Grundausdruck, fan-fern, unemotional. Haben wir den Aufstieg verpasst, probieren wir es halt nochmal. Er hat den Habitus eines Erfolgstrainers, aber die Ergebnisse passen nicht zum Ego.
Das Problem ist nun, dass sich die Defizite nun schon weitgehend unverändert durch die zweite Saison ziehen. Runjaic hat sich selbst da kaum weiterentwickelt. Jeder weiß, was uns in der nächsten Saison mit ihm erwartet: Langsames Ballgeschiebe. Ich halte auch die Analyse ("Knipser fehlt") für falsch. Unser Spiel krankt am Spiel im vorderen Drittel, ist zu langsam, die Stürmer bekommen wenig verarbeitbare Bälle und die mit dem Rücken zum Tor. Da nützt auch der beste Goalgetter nichts. Runjaic müsste seine Spielphilosophie völlig umstellen, um dies zu ändern, und das wird er nicht tun.
Deshalb wünsche ich mir einen neuen Trainer mit neuen Ideen. Ich denke, etwas Inspiration würde dem Verein gut tun. Ich gebe gerne zu, dass ich mir attraktiveren Fußball wünsche und noch nicht soweit bin, mir den Klassenerhalt in Liga 2 als Erfolg schönzumalen. Und ich glaube, dass der Ruf nach Kontinuität in der Spielweise in unserem Fall auf den Holzweg führt.