geist hat geschrieben:Ist diese Art des Fußballspiels wirklich passend für unseren Betze? Oder ist die historische gewachsene Sehnsucht unseres Publikums nach einem wilden brachialen und auch schon mal unkoordinierten Kampfspiel doch so groß, dass Unzufriedenheit fast schon vorprogrammiert ist?
Diese Frage kommt ja immer wieder auf. Ich versuche mal eine (von vielen möglichen) Antworten darauf zu geben:
Irgendwie kommt mir diese "Sehnsucht nach den alten Zeiten" so vor, wie ein Oldtimer-Liebhaber auf die heutigen Automobile schaut. Früher waren die Autos für ihn "schöner", "individueller", manche sogar "kultig" und heute ein Mythos. Dreckschleudern waren sie alle und keins hatte Sicherheitsgurte.
Die heutigen Karren sehen fast alle gleich aus, haben grüne Umweltplaketten, einen Kat und Airbags. Irgendwie langweilig.
Bei Politikern, das gleiche. Statt Wehner oder Strauss nur aalglatte Karrieristen die sich kaum noch voneinander unterscheiden - vor allem, wenn sie den Mund aufmachen.
Hatte ich als Kind die Freiheit nach der Schule bis zum Abendessen im Viertel rumzustreunern werden die Kids von heute vor Spielkonsolen geparkt. Und wenn sie denn wirklich mal außer Sichtweite sind geht bei den Eltern sofort der Puls hoch. Tage, an denen ich als Kind zu Hause blieb, hatten fast immer mit Krankheit (oder Hausarrest

) zu tun. Heute ist das Normalzustand.
Wer jetzt entgegnet: "Aber der Fußball ist doch noch der gleiche! Da kämpfen 22 Spieler um einen Ball und wer mehr Tore schießt hat gewonnen." macht es sich zu einfach. Auch hier haben sich Voraussetzungen verändert. Von Bosman über "passives Abseits", von TV-Geldern über CL-Prämien. Von Handys in Fankurven ganz zu schweigen.
Das mag man alles vermissen: Den B-Kadett, den R4 oder den E21. Politiker mit Profil und Kinder, die einem statt vom x-ten Level ihres Konsolenspiels über ihre neu gegründete Bande erzählen. Und Fußball mit Libero, Vorstopper und Manndeckung. Am Ende hilft es aber nichts sich aus lauter Wehmut dem hier und jetzt zu verweigern.
Von dieser Art des Spiels (von manchen Pseudofachleuten als "Beamtenfußball" tituliert) haben wir lange - bis zum 30. Spieltag - profitiert. Es ist eine Spekulation, ob wir auch mit einer "wilden, brachialen und manchmal unkoordinierten" Spielweise ähnlich gut dagestanden hätten. Vielleicht hätten wir Glück gehabt und die Saison wäre ähnlich verlaufen, wie die erste in Liga 1 unter Kurz - daß es uns gegen Ende noch nach oben geaschwappt hätte. Vielleicht sogar auf Platz 4. Dann wären hier alle zufrieden und würden darüber jubeln, daß die "juhuuuunge" Mannschaft bis zum Schluß alles gegeben hätte.
Ist doch etwas verlogen - oder?
Was ich sagen will: Die Spielweise von Runjaic bis zum 30sten Spieltag gerne mitnehmen und dann bitte in den letzten 4 Spielen eine Priese 90er Jahre Mythos dazu und alles wird gut - gibts halt nicht. Genau so wenig wie Runjaic als Manager eines stabilen Systems aber bitte mit etwas Werner Lorant Geschmack im Interview plus Felix-Quälix-Medizinballsauce für die Kondition obendrauf.
Im Internet kannst du dir deinen Avatar zusammenklicken: Blondes Haar, Seitenscheitel, Nerdbrille, schwarzes T-Shirt. Draußen gibt es nur Menschen. Und von denen ist keiner Perfekt.