Adaleh hat geschrieben:Ich sehe den Begriff "Gutmensch" weniger als politischen Kampfbegriff, sondern eher als, sicherlich überspitze, Charakterisierung eines Verhaltensrituales innerhalb des politischen Systems der Bundesrepublik.
Das mag ja sein, dass Du den so siehst. Der ist aber in Historie und Etymologie klar zuzuordnen. Etwas zugespitzt formuliert: Ich kann auch den Begriff "Nazischwein" für mich selbst als Charakterisierung eines verbreiteten politischen Reflexes definieren und ihn dann - ganz "wertfrei" - in politischen Diskussionen so anführen. Mache ich natürlich nicht - und aus dem selben Grund finde ich den Begriff "Gutmensch" überaus zwielichtig. Zumal er eine durchgehende Konnotation hat: Man unterstellt damit Leuten, aus einer bestimmten ideologischen Haltung heraus zu argumentieren, schafft sich Feindgruppierungen - und lenkt damit Diskussionen von der eigentlichen Sache auf ideologische Grabenkämpfe.
Schön in diesem Thread zu beobachten: Es geht hier nicht um "links" oder "rechts", sondern eine konkrete Partei deren Ziele ganz klar in der Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen bestehen. Alles andere ist Blendwerk und geht nur auf die relativierenden Einwürfe der "ich find die ja auch doof, aber man sollte sie mal machen lassen"-Fraktion zurück.
Adaleh hat geschrieben:Die öffentliche-politische Diskussion in Deutschland orientiert sich seit vielen Jahren an moralischen Leitlinien...
Dies ist ein wesentliches Merkmal einer funktionierenden Gesellschaft - wie man schon bei den alten Griechen nachlesen kann. Leitlinien sind ja eben diskutierbar - und das werden sie ja auch hier. Wenn die Leute, die hier im Thread von einigen relativierend in Schutz genommen werden ihr Programm umsetzen dürften, dann würden wir diese Diskussionen nicht führen.
Adaleh hat geschrieben:...diese [Leitlinien] ergeben sich aus historischen Erfahrungen mit der rechten Diktatur des Dritten Reich und der Dominanz meist "linker", anti-nationaler Positionen in Politik, Kultur und Medien.
Ein Vorwurf, den der rechte Flügel der CDU mal aus Wahlkampfzwecken in Auftrag gegeben hat (Stichwort Noelle-Neumann, Schweigespirale), der aber in der Form nie wissenschaftlich belegt werden konnte. Trotzdem nach wie vor ein beliebtes Argument am rechten Rand, um Meinungen, die im demokratischen Spiel der Kräfte eine gewisse gesellschaftliche Verbreitung gefunden haben als "Verschwörung" abzutun.
Adaleh hat geschrieben:Es gibt meines Erachtens eine Objektivität weg von politischen Positionen und Diskussionen - diese Objektivität wird aber genau dann öffentlich unterdrückt, wenn sie zuvor das Sieb der "Korrektheit" nicht passiert hat - konkret sollte es jeden wahren Demokraten ankotzen - wenn der Reflex "links" ist gut - "rechts" ist schlecht praktiziert wird.
Once again. Dieses "Sieb" gibt es nicht, sonst dürftest Du hier nicht mit mir diese Positionen diskutieren. Hier im Thread geht es auch nicht um einen Reflex, sondern konkret um eine Veranstaltung einer Partei, die für die Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen steht. Ich bin bereit Dir zuzugestehen, dass Du - aus Reflex? - hier den ideologischen Überbau der Diskussion bemühst. Aber ein letztes Mal (da Du die Frage ja bisher ignoriert hast): Findest Du es falsch, wenn man den Zielen der NPD, Teile der Bevölkerung auszuschließen, entgegentritt?
Adaleh hat geschrieben:Warum sprechen die etablierten Parteien, wenn es um Rassismus und Ausländerfeindlichkeit geht, nicht genauso offen und laut die mittlerweile verbreitet "Deutschfeindlichkeit" vieler junger Ausländer der dritten Generation an? Damit würde dieses wachsende Problem nicht Dritten überlassen!
Es gibt weder wissenschaftliche Belege dafür, dass es sich da um ein "wachsendes Problem" handelt, noch sind beide Dinge vergleichbar: Wir reden hier über eine Partei, deren Ziel es ist, Menschen mit Migrationshintergrund aus der Bevölkerung auszuschließen. Weder ist mir eine Partei vergleichbarer Größe bekannt, die Deutsche aus der Bevölkerung ausgrenzen möchte, noch geht es hier um eine solche Kundgebung. Das Argument der Relativierung - aber die Deutschen sind doch die Opfer - ist ein weiteres beliebtes rhetorisches Mittel am rechten Rand, für das nichtmal Sarazin Statistiken gefunden hat, die einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.
Adaleh hat geschrieben:Ich stelle eine Behauptung auf: Genau die politische Einstellung, die heute dem weitgehend medial getriebenen Zeitgeist hinterhechelt, hat damals bei der Mehrheit der Menschen dazu geführt, den rechten Arm hoch zu reißen...
Und damit ist das bunte Potpourri klassischer Argumente des rechten Rands komplett. Die beliebte Krönung des Relativismus, in der ein "Zeitgeist", der die Ausgrenzung von Ausländern nicht mehr zulässt, mit dem dritten Reich gleichgesetzt wird.
Ich habe auch mal Politikwissenschaft studiert, sogar in der Rechtsradikalismusforschung meinen Abschluss gemacht. Das was Du hier behauptest ist hanebüchener Quatsch.
Dass Leute damals den "rechten Arm hochgerissen" haben hat sehr viele "Gründe". Dass der Nationalsozialismus überhaupt an die Macht gelangen konnte, hatte alerdings nichts damit zu tun, dass man keine anderen Meinungen haben durfte, sondern dass sich die Weimarer Republik eben nicht gegen politische Positionen gewehrt hat, die die Bevölkerung spalten wollten in dem sie dem Begriff der Bevölkerung ein selbst definiertes Konzept des Volkes gegenübergestellt und sich militant gegen Teile der Bevölkerung gewandt haben.