Diese dumme Pyro-Diskussion geht mir jetzt doch langsam auf den Keks. Da fällt doch keiner Seite irgendwas Neues ein, auf der einen Seite die pauschal gegen die Vereine ausgesprochenen Strafen, die alle und damit keinen treffen und eigentlich nur Unwillen auf allen Seiten erzeugen, zum anderen die infantile Trotzreaktion selbsternannter Zorros, die anstatt ihr Z in den Schnee zu pissen, es lieber in den Nachthimmel schwenken.
Die Argumente Pro oder Contra, falls es wirklich sinnvolle gibt, sind doch auf beiden Seiten durchgenudelt und nicht nur ich habe den Eindruck beide Seiten können aus irrationalen Gründen nicht mehr aus ihren emotionalen Schützengräben raus.
Das klassische Pro-Argument, die Stimmung und das Ambiente ist recht schnell als Scheinargument enttarnt, denn derjenige der brennt, hat eigentlich in Punkto Ambiente nix von seiner Aktion, außer beißender Qualm, grelles Licht, ggf. heiße Hände...
Auch in seinem näheren Umkreis kommt davon nix an, die Einzigen, die von der Illumination etwas haben sind ggf. die Zuschauer auf den anderen Seiten des Platzes und denen sollte man das "Vergnügen" eigentlich nicht gönnen, denn in der Regel sind das entweder Fans des Gegners oder die "Eventies" auf der Haupttribüne.
Was also an Stimmung oder Ambiente übrigbleibt, ist die Lust am Zündeln des Einzelnen, die sich legal in Deutschland nur an Silvester austoben darf und die rational so oder so nicht fassbar ist. Warum diese Selbstbefriedigung allerdings gerade im Fußballstadion in der Menschenmenge sein soll, kann eigentlich nur durch eine singuläre, infantile, exhibitionistische Triebbefriedigung oder tradierte tribalistische Initialisierungsriten erklärt werden. Die Nähe zu Fahnenschwenken, Gruppengesängen, und rituellen Bündnissen um Stammeszeichen, um Blut & Ehre ... ist dabei wohl beabsichtigt und damit unvermeidbar.
Die Akzeptanz derartiger Handlungen unterliegt einem gesellschaftlichen Wandel, der primär mit technischem Fortschritt, wissenschaftlicher Erkenntnis, aber auch sekundär mit dem wirtschaftlichem Interesse von Versicherungen oder den sozialen Sicherungssystemen sich erklären lässt.
Ein anderes Beispiel einer derart emotionalisierten Diskussion finden wir nur im Umfeld des Autos, so zum Beispiel die Kampagnen zur allgemeinen Gurtpflicht, die in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts gerade in konservativen Kreisen als eine Bedrohung der individuellen Freiheit gedeutet wurde, die die gleichen Kreise in Bezug auf Sexualität oder Gesellschaft gerne eingeschränkt gesehen hätten. Heute ist dieses Thema durch, die Kämpfer für Freiheit und Abenteuer haben sich in die Schmollwinkel der Raucherbereiche zurückgezogen und outen sich allerhöchstens noch beim ADAC, wenn es um ein Tempolimit auf Autobahnen geht. Die Sanktionierungen des Staats gegen Verstöße werden nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt, sondern sind allerhöchstens individuell lästige Zwangsbeiträge zur Haushaltssanierung der Gemeinschaft, wie Rundfunkgebühren oder Hundesteuer.
Seit Sicherheit sich besser verkauft als Abenteuer -der Malboro Mann lebt jetzt, zusammen mit Walker Camel im Betreuten Wohnen des Seniorenheims- wird Deutschland nach außen am Hindukusch und im Inneren durch Videobeweise verteidigt.
Seit dem Scheitern groß angelegter gemeingesellschaftlicher Utopien ist in, im hegelschen Sinne (es werden damit Alt- und Neuheglianer angesprochen) ehemals progressiven Kreisen der Gesellschaft, eine Rückbesinnung auf das individuelle Kuschelige und Angenehme festzustellen, wie schon im Biedermeier als Reaktion auf die Reaktion, und der klammheimliche Protest zeigt sich nur noch durch infantile Trotzreaktionen der analen Phase in Waschbecken von Sonderzügen.
Das innere und äußere Sicherheitsbedürfnis steigt und wird konsumptiv umgelenkt, was, ähnlich den, immer aufwendigeren, aber eigentlich funktionslosen Ritterrüstungen des Spätmittelalters gleichend, sich in spritfressenden SUV's zur Schulkindbeförderung in unseren Innenstädten zeigt.
Daher stoßen " Sicheres Stadionerlebnis" - Aktionen der Fußball-Gutmenschen in DFB und FIFA auf breite Zustimmung in Medien und Politik, denn damit wird auch die Umwidmung von bisher wirtschaftlich nicht optimal ausgenutzten Stadionbereichen begründbar und emotionale Unwägbarkeiten monetär besser erschlossen, alles unter dem Motto: "Familienfreundlich, Sicher, Planbar".
Beide Seiten, Gegner und ebenso die letzten Jediritter der Fackel der Freiheit, argumentieren auf dem gleichen Level, einer individuellen emotionalen Lustbefriedigung (Brennen contra Kuscheln). Dabei ist Pyro das eigentlich garnicht wert. Es ist einfach störend, nervt die meisten anderen im Stadion und lenkt von den eigentlich wichtigen Dingen ab, dem Fußball. Aber das tun andere Dinge auch, wie Fähnchenschwingen, Dauersingsang und pupertäres Platzhirschgehabe.
