Ein legendärer Beitrag vom User "playball" aus dem Jahre 2007. Mehr "old school" geht nicht:
Mein Traum beginnt oftmals lange vor dem Spiel und endet mit dem Anpfiff. Er handelt meist in der Vergangenheit.
Zwei Stunden vor dem Spiel stehen wir vor der Westkurve. Der Fantreffstand von Peter Wil vorm 6er Block hat mal wieder neue Aufnaeher fuer die Kutte. Rot Weisser Hintergrund, Kampfund drauf und „Bulldog Block 8“. Das Ding muss ich haben. Nen 5er rueber und ich hab das Teil. Geil! Dann pfeift es. Dirk vom Fanclub Bedesbach pfeift mich her. Hey, Alter, guck mal, was ich da in der Tasche hab. „Soll ich ein E kaufen“ scherze ich zurueck? Fehlt nur noch ein langezogenes „genaaaaaaaaaau“ Nein, geile Aufnaeher. „Was ist Blau und stinkt nach Sau, HSV“ sowie ein Aufnaeher bei dem der Teufel aufs Waldhofwappen pisst. Geeeeeeeeiiiiil, her mit dem Zeug. Kult hoch zehn.
Ich gehe weiter Richtung 8er Block, wo ich die ganzen Kumpels treffe. Da merkt man, dass die Anspannung da ist und jeder jetzt schon konzentriert ist. Ploetzlich werden wir flott gemacht. Die Brezel Oma vorm 8er schiebt uns mal locker zur Seite. „Ihr Buwe, machen eich emo do ford, do kimmt jo gaa kaener mehr on moi Stond. Wissener, ich hon jo schunn boim alde Fritz Brezzle vekaaf und seit her steh ich bei Wind unn Wedder do howwe“ . Ok, machen wir uns weg, die Oma ist definitiv laenger da als wir, also hat sie mehr Rechte. Ach ja, wenn wir schon mal da sind, gibt es auch ein Brezel. Und dann ein Klaps von der Oma. „Moin Bub, Du bisch die ledschde Johr a gonz schae gewachs. Ich kenn Dich noch vunn de alde Kurv, do hoschd Du aach schunn Brezzle bei mer kaaf.“ Recht hat sie, wir kennen uns schon lange und schon lange werde ich von ihr weggejagt. Und die Oma ist wirklich ein Teil der Kurve.
Einige Kumpels kommen um die Ecke mit Bier. Ja bravo. Smalltalk.
Norbert Thines kommt vorbei und sagt Hallo. Man hat das Gefuehl, er gibt jedem einzelnen in der Westkurve die Hand. Norbert, rauch eine, ruft es. Bei uns kannst Du normal sein. Hemd auf, Reval raus und schnell eine gequalmt. „Maenen er des gebbt was heid?“ „Allemoo, mach der moo kae Gedonge Norbert.Und zur Not sinn mer aa noch do in de Kurv“. Drei Zuege an der Fluppe, dann verschwindet Norbert Thines wieder in der Menge.
Draussen vorm Zaun ein Gewinke. Was jetzt? Einer vom Fanclub winkt mich her. Ich geh hin. Karte daheim vergessen. Iss nicht wahr. Warte, ich komm helfen. Bier gekauft, dem Ordner in die Hand gedrueckt, zack ist der Kumpel auch drin. So einfach. Man kennt sich ja und der Ordner weiss doch, dass Du ne Dauerkarte hast. Stell Dich also nicht so an...
Dann gehts aufs Klo. Baeh, Klo ueberschwemmt, ist ja ekelhaft. Gehen wir hinters Klo und pissen an die Wand. Gibts auch nur in Lautern. An der Wand ist der Harnstoff seit 1986 und dem Umbau der Westkurve verewigt. Gehoert dazu!
Dann rein in die Kurve. Bengalfackel in den Schuhen verstaut, die Stablampe, die ich brauche um spaeter den Wald zum Dunkeltaelchen runterzugehen, in der hinteren Hosentasche, rein ins Stadion.
Andy und Thorsten kommen. Werkzeug auspacken, Fahnenstangen zusammenschrauben. Andy steckt die Metallstuecke ineinander, das Holzstueck dazwischen, das als Schnueffelstueck dient, und dreht die Schrauben zu wie ein Pferd waehrend Thorsten und meinereiner die Fahne drueberziehen. 32 Quadratmeter Stoff. Die groesste Schwenkfahne Europas, von Andy im Handarbeitsunterricht in der Schule erstellt (dafuer hat der Kerl nen Naehkurs gemacht! Mit Mama dann daheim an die alte Pfaffnaehmaschine gehockt und das Ding zusammengenaeht). Fahne fertig, mit aller Gewalt senkrecht gestellt. Andy geht etwas nach links an seinen Wellenbrecherbogen, wo er die Fahne hinstellen kann, Thorsten kommt rueber zu mir.
Der Stadionsprecher begruesst Ronnie Hellstroem sowie Benny Wendt unter den Zuschauern. Johlender Applaus. Dann das Ritual. Der Gaestetorwart kommt. Gepfeife, unvorstellbar. Die Gaestemannschaft kommt. Bier fliegt, die Rentner auf der kleinen Nordtribuene zeigen die Stoecke. Jawoll, wetzt die Messer!!! Dann sieht man ein Rotes Trikot kommen, Ehrmann kommt in die Kurve. Das Stadion skandiert seinen Namen. 3 Minuten spaeter kommt die Mannschaft. Ein Fahnenmeer in der Westkurve, Standing Ovations von den Seitentribuenen. Jetzt geht es ab. Bis zum Anpfiff keine ruhige Minute mehr.
Nach endlosen Liedern werden die Gaestespieler vorgestellt. Gepfeife ohne Ende. Ab der Nr. 6 wird ein Lautern Lied angestimmt, ehe dann bei den Ersatzspielern wieder gepfiffen wird. Trainervorstellung der Gegner. Pfeifen ohne Ende.
Dann ist der Moment da. Das FCK Wappen leuchtet auf der Anzeigetafel auf. Ein Urschrei aus 30.000 Kehlen. Die Arme gehen nach oben. Der Moment ist gekommen! Es wird totenstill im Stadion. Ich greife in meine Tasche, nehme die Bengalfackel, oeffne den Griff, schraube auf, ziehe die Zuendschnur und halte sie nach oben. Das Feuer entzuendet sich und ein herrlich gigantisches Rot glueht in meiner Hand. Tom hat seine Rauchbombe neben mir gezuendet und in das gute „Hinein“ eingewickelt. Der Rauch zieht voll in mein Gesicht. Geil. Ich liebe den Geruch. Im Stadion ist totenstille. Nur die Feuer brennen in der Kurve. Ich versuche sie um mich herum zu zaehlen, es ist unmoeglich, ich sehe nur unter dem Dach, dass die ganze Kurve brennt. Ich habe Gaensehaut. Gaensehaut pur. Meine Fackel brennt herrlichst. Ich werde fast wahnsinnig vor Geilheit.
Und waehrend die Kurve brennt, hoert man den Stadionsprecher rufen „Wir begruessen im Tor mit der Nr. 1: Gerrrrrryyyyyyyy...“ Das folgende „Ehrmann“ aus der Westkurve ergibt eine Druckwelle, dass es jeden Seismografen in der Naehe ausschlagen laesst. Mein Adrenalin steigt weiter. Ich bin geil. Geil auf Fussball. Unvorstellbare Gefuehle. Der Koerper vibriert. Die Namen der Mannschaftsaufstellung gehen weiter. Wie in Trance schreie ich sie raus. Meine Fackel geht aus. Wie auf Knopfdruck erloeschen alle Lichter in der Kurve. Es wird dunkel. Man kann den Platz nur noch erahnen, man sieht nur noch Rauch. Weiter mit der Mannschaftsaufstellung. Diese ist bald fertig. Dann wird der Trainer begruesst. Sein Konterfei auf der Anzeigetafel ist durch den Rauch hindurch zu erkennen. Kalli Feldkamp. Ich liebe diesen Mann. Ich verehre ihn. Mir laeuft es beim Anblick seines Bildes kalt den Ruecken runter. Ehrfurcht ueberkommt mich.
Die Spieler sind mittlerweile auf dem Platz. Ehrmann laeuft langsam Richtung Tor. Er geniesst es sichtlich wie sein Name skandiert wird. Vollspannung. Mein Koerper vibriert immer noch. Das Adrenalin ist so angestaut, dass es nur ein Ventil kennt. Schreien. Aber das heben wir uns noch 10 Sekunden auf. Dann endlich: Anpfiff. Ein „Heja Heja FCK“ erklingt, dass die Erde bebt. Ich schreie heraus wie es eigentlich nicht moeglich ist.
Der Betze brennt!
Ich muss ma in meinen Terminkalender guggen... wenn keine Kursarbeit oder so ansteht...
