Spielfazit: Hat Schuster in der PK ziemlich treffend analysiert:
„Wir haben von der ersten Sekunde an gezeigt, dass wir mutig nach vorne spielen wollen und haben relativ dominant agiert. Mit dem ersten Schuss gegen uns sind wir dann in Rückstand geraten und kurz danach gab es die Rote Karte. Danach ging es zunächst darum, in Unterzahl keinen weiteren Schaden zu erleiden. In der Pause haben wir uns dann neu aufgestellt. Wir wollten ein bisschen ein wildes Spiel daraus machen und hatten auch zwei, drei gute Einschussmöglichkeiten. Keine Hundertprozentigen, aber die hätten auch einschlagen können. Mit dem 0:2 war allerdings die Messe gelesen."
Irgendwie ist tatsächlich der Wurm drin, fehlen Momentum und Matchglück. Wir waren zu Spielbeginn bis zur Roten Karte oder zumindest bis zum Gegentor aus heiterem Himmel in meinen Augen klar besser und hatten sogar in der 2. Halbzeit in Unterzahl nochmal eine kleine Drangphase, wo der Ausgleich mehr als verdient gewesen wäre.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir beim 0:1 desaströs verteidigt haben und Phasen im Spiel hatten, wo uns der Zugriff wieder komplett abging. Da hat Düsseldorf das Bällchne dann locker flockig ohne große Anstrengung laufen lassen ohne dass wir es geschafft hätten das mal adäquat zu unterbinden.
Saisonfazit: Die 45 Punkte sind alles in allem mehr als in Ordnung für einen Aufsteiger. Vor der Saison hätte ich das so unterschrieben. Toll ist auch, dass wir uns eigentlich zu keinem Zeitpunkt der Saison ernsthaft Sorgen machen mussten, in Abstiegsgefahr zu geraten. Allerdings sind 45 Punkte wiederum zu wenig, wenn man bereits nach 19. Spieltagen 35 Punkte vorzuweisen hat. Dann sollte ich schon mit 50+x reinkommen. Der Trend ist halt schon besorgniserregend, die Rückrunde war punktemäßig die eines Absteigers (ich weiß, Rückrundentabelle 15. = Nichtabstiegsplatz, aber in den meisten Jahren werden 16 Punkte je Halbserie eher nicht für den Klassenerhalt reichen).
Ich sag es ganz ehrlich, ich bin gerade ziemlich ratlos, welchen Weg der Betze weiter bestreiten sollte. Zurück zu den Wurzeln oder spielerische Weiterentwicklung durchziehen?
Rein punktemäßig war das, was ich mal „Schusterball plus“ nennen möchte, deutlich erfolgreicher als der gebetmühlenartig geforderte mutigere, offensivere, aktivere Fußball, der dann unter spielerischer Weiterentwicklung oder ähnliches firmiert.
Wenn man unter „Schusterball“ versteht, dass man zunächst defensiv stabil, gut gestaffelt und tief steht, diszipliniert gegen den Ball arbeitet und dann bei Balleroberung vorrangig über lange Bälle auf den Zielspieler oder auf die schnellen Außen agieren möchte, dann steht das „plus“ für Varianten im Pressingverhalten (wir standen nicht immer nur tief, sondern in manchen Spielen gab es auch situativ Angriffspressing und oftmals zumindest Mittelfeldpressing statt ganz extrem tief zu stehen) und für Varianten im Umschaltspiel (denn wir haben schon desöfteren ebenfalls mit langen Bällen operiert, aber oft eben auch mit flachen vertikalem Spiel oder schnellem Kombinationsspiel).
Grob war das meines Erachtens unser Spielsystem der Hinrunde (es gab auch da schon Abweichungen, z.B. gegen Magdeburg und Regensburg haben wir auch versucht deutlich aktiver zu spielen) und hat uns ergebnismäßig überragende 29 Punkte eingebracht.
Das haben wir mal stärker, mal abgeschwächter auch zu Beginn der Rückrunde gespielt. Meiner Wahrnehmung nach auswärts extrem passiv, zu Hause deutlich weniger passiv ohne aber gleich immer das initiative Team zu sein (Ausnahmen bestätigten die Regel). In dieser Phase hatte sich der „Schusterball plus“ aber scheinbar abgenutzt, war vielleicht ausgeguckt, jedenfalls – gerade auswärts – deutlich weniger erfolgreich als noch in der Hinrunde. Stimmen wurden schon früh laut, man müsse offensiver und mutiger spielen. Auch ich habe es spätestens in Braunschweig gefordert.
Dennoch muss man ja sagen, dass wir auch diese Saisonphase immerhin noch mit 15 Punkten in 12 Spielen abgeschlossen haben, was auf 34. Spieltage hochgerechnet 42,5 Punkte bedeuten würde. Also selbst in dieser Phase, wo erste deutliche Unzufriedenheit aufkeimte, haben wir besser gepunktet als ein akuter Abstiegskandidat.
In den letzten 5 Spielen haben wir dann initiativen, aktiven, mutigen, offensiven, z.T. ballbesitzorientierteren Fußball gesehen. Ich denke, es war das Ziel, dies jeweils von Beginn an zu zeigen, was uns aber nicht immer (insbesondere in Nürnberg oder gegen Bielefeld) gelungen ist. In diesen Spielen gelang uns das dann erst im Spielverlauf und bei Rückstand, weil bei Rückstand dann auch der Gegner mitgemacht hat sozusagen und uns auch hat machen lassen.
Warum glaube ich, dass wir eigentlich von Beginn an ballbesitzorientierter und mutiger agieren wollten obwohl wir ja doch eher hinten beschäftigt waren? Da muss man die Positionierungen der Spieler betrachten, die sie immer wieder versucht haben einzunehmen. Das war höher und weniger dicht gestaffelt als bei den meisten anderen Spielen. Zwischendurch war man dann zwar doch recht tief, aber da wurde man eben hinten rein gedrückt und es war nicht als bewusste spieltaktische Marschrichtung. Man war da auch weniger gut geordnet als dann, wenn es unsere taktische Herangehensweise war, erstmal abzuwarten, was dem Gegner so einfällt und dessen Angriffsbemühungen „zum Stehen zu bringen“.
Es wurde meines Erachtens alles also in diesen 5 Spielen alles das versucht, was auch hier immer wieder erwartet und gefordert wurde. Die Bilanz lautet da aber 1 Punkt aus 5 Spielen. Also mit anderen Worten: desaströs!
Heißt das nun, dass wir zurück müssen zum „Schusterball plus“? So eindeutig, wie es die nackten Zahlen suggerieren, finde ich es aber nicht. Denn auch beim „Schusterball plus“ war die Tendenz beim Punktesammeln negativ, wenngleich immer noch auf akzeptablen Niveau, wenn man nur gerade so die Klasse halten will. Aber vielmehr finde ich, dass die letzten 5 Spiele einfach extrem unglücklich gelaufen sind, wir eigentlich von den Chancen her 3 hätten gewinnen müssen. Zudem ist eine solche doch recht gravierende Änderung der Spielphilosophie ein Prozess, bei dem nicht von jetzt auf gleich alles reibungslos klappt. Ich habe Dinge gesehen, die schon gut geklappt haben und Dinge, bei denen noch ordentlich Luft nach oben ist, woran man aber mit den vorhandenen Spielern arbeiten kann und wofür man sich jetzt in der Sommerpause auch ggf. zusätzlich benötigte Spielertypen oder Upgrades auf der ein oder anderen Position versuchen kann zu verpflichten.
Erwartet gut fand ich überwiegend unser Angriffs- und Gegenpressing, wenn wir es wirklich mal konsequent und koordiniert gespielt haben und nicht mit nur einem oder zwei Anläufern. Überraschend gut hat mir gefallen, dass wir uns oft gut ins letzte Drittel und oft sogar darüber hinaus bis auf die Grundlinie oder den Sechzehner durchkombinieren oder manchmal auch durchbeißen konnten. Schwach war nach meinem Empfinden der finale Pass auch aus sehr aussichtsreichen Positionen und im Gegensatz zur Hinrunde unsere Abschlussqualitäten. Als schwach empfand ich auch unsere Restverteidigung, sobald wir versuchen offensiver und mutiger zu spielen. Nicht mal quantitativ (also an und für sich haben genügend Spieler abgesichert, von einigen wilden Schlussphasen, wo wir aber bei Rückstand auch mehr oder weniger alles oder nicht gehen mussten, einmal abgesehen), sondern qualitativ (schlecht positioniert, schlecht verteidigt). Oft war das defensive Umschaltspiel im Sinne von bei Ballverlust schnell wieder genügend eigene Spieler hinter den Ball bekommen total okay, aber was dann oft folgte eben nicht. Ich habe das Gefühl, dass wir nicht zweitligareif verteidigen, sobald wir den Gegner nicht schon in unserer Ordnung empfangen können. Wenn wir das hingegen können, sind wir meist 89 Minuten richtig gut, lassen mega-wenig zu…und schießen dann doch immer irgendeinen Bock oder haben irgendeine Unaufmerksamkeit oder Unzulänglichkeit, die zum fast schon obligatorischen Gegentor führt.
Hier kommt dann auch unser Trainer ins Spiel. Wenn ich also tatsächlich den trotz mieser Punkteausbeute eingeschlagenen Weg der spielerischen Weiterentwicklung weiter gehen will, dann bin ich mir nicht sicher, ob oben beschriebene Schwächen eben mangels Zeit, es alles schon perfekt einzustudieren, und/oder passender Spieler auf der ein oder anderen Position noch bestehen oder weil Schuster nun nicht gerade als Experte für mutigen, initiativen Fußball durchgeht und ggf. schlichtweg überfordert ist, es seinen Spielern adäquat zu vermitteln.
Eigentlich macht Schuster ja einen durchaus überaus fachkundigen Eindruck und es sollte wohl für so einen Fachmann möglich sein, auch das zu vermitteln. Aber offenbar entspricht es einfach nicht seiner ureigenen Spielphilosophie und er ist selbst nicht restlos davon überzeugt. Dann ist es natürlich auch schwer es mit der nötigen Überzeugung zu vermitteln, auch wenn er es rein fachlich drauf hätte. Ich habe tatsächlich den Eindruck, Schuster ist da ein wenig ein Getriebener bei der Erwartung, proaktiveren, initiativeren, dominanteren Fußball zu spielen.
Sei es von Hengen, der ihm allen voran mit Klement, aber auch mit Opoku, Rapp und De Préville nach und nach schon einige Spieler verpflichtet / geliehen hat, die da grundsätzlich ihre Stärken haben sollten.
Sei es aber auch vom Umfeld, dass einen weniger reaktiven, mutigeren Spielstil sehen will. Klar ist es nur mein subjektiver Eindruck, mithin Spekulation, aber zumindest sehe ich schon Indizien für diese These. Und dann wäre es wohl doch besser, sich mit einem Wechsel auf der Trainerbank auseinanderzusetzen oder aber Schuster zuzugestehen, dass er „seine“ Spielphilosophie wieder umsetzen soll. Denn dass er uns zumindest die 40 Punkte damit einsammelt, davon bin ich tatsächlich ziemlich überzeugt. Nur: reicht uns das?
Ich weiß es nicht. Bin mir nicht sicherer als zu Beginn meines – wieder viel zu langen - Beitrags…