1xFCKimmerFCK hat geschrieben:
Aber mit Beginn diesen Jahres haben wir uns leider von dieser Spielweise immer weiter entfernt.
Wo ist denn dieses Offensiv-Pressing hin?
Wo ist das Powerplay, mit welchem wir unseren Gegnern teilweise nicht mehr die Luft zum atmen ließen?
Ich denke nicht, dass die Mannschaft das verlernt hat. Vielmehr denke ich, dass wir durch die wenigen Gegentore immer mehr unser Augenmerk auf die Defensive gelegt haben. Unterstützt wurde das druch die Lobhudelei der Gegner. Versteht mich nicht falsch, steht die Defensive, kann das die halbe Miete sein. Allerding haben wir dadurch etwas die Offensive aus den Augen verloren.
Es wird zu wenig spielerisch versucht nach vorne zu kommen. Stattdessen hat das momentan etwas von kick & rush. Es wird zu oft versucht das Mittelfeld mit langen Bällen zu überbrücken, was in den seltensten Fällen funktioniert. Wären wir damit erfolgreich, könnte ich damit leben. Sind wir aber nicht.
Ich zitiere Deinen Post stellvertretend für viele andere, die ich hier und insbesondere im Spieltagsthread zum Spiel gegen die Sechzger gelesen habe, weil er gleich mehrere Aspekte enthält, auf die ich eingehen möchte. Zudem schilderst Du das ganze sachlich und um Ausgewogenheit bemüht – was man leider nicht von allen Posts behaupten kann. Manche sind unangemessen, unzutreffend, ja geradezu unfair gegenüber der Mannschaft, die nun das erste Mal seit 13 Spielen verloren hat, eine Riesensaison bislang spielt und sich gerade durch hohe Lauf- und Einsatzbereitschaft, Kampf, Wille, Einstellung, Gier und Galligkeit auszeichnet. Dein Post stellt eine gute Diskussionsgrundlage dar, auch wenn oder gerade weil ich einige Dinge anders sehe.
Ich lese aus dem von mir zitierten Abschnitt Deines Posts zunächst heraus, dass Du eine Zäsur in unserer Spielweise mit Jahresbeginn erkennst. Diesen Bruch siehst Du darin, dass wir vormals ständig Powerplay und Offensivpressing gespielt hätten, uns nunmehr aber viel mehr und zu stark auf die Defensive konzentrieren und fast nur noch kick and rush spielen. Mit den letzten beiden von mir zitierten Sätzen bringst Du zum Ausdruck, dass dieses weniger ansehnliche Spiel ja noch nicht mal erfolgreich sei.
Ich will hinten anfangen und mal ganz emotionslos einfach auf die nackten Zahlen schauen: Seit der von Dir erkannten Zäsur haben wir fünf Spiele gewonnen, eines verloren und zwei Mal unentschieden gespielt. Das macht 17 Punkte aus 8 Spielen, somit ein Schnitt von knapp über 2 pro Spiel. Ein Zwei-Punkte-Schnitt auf eine ganze Saison betrachtet ist die Bilanz eines Aufsteigers. Wir haben uns seither von Tabellenplatz 6 auf 2 vorgearbeitet (im worst case Platz 3, BS hat noch ein Nachholspiel, aber in OS, was sie auch noch nicht gewonnen haben) und den Rückstand von 3 Punkten auf einen Aufstiegsplatz in einen Vorsprung von 2 Punkten auf den Relegationsplatz und von 4 Punkten auf Platz 4 verwandelt. Also ist es in Summe sehr wohl erfolgreich.
Nun zum Zeitpunkt der Zäsur in unserem Spiel: ich sehe diese große Zäsur in unserem Spiel nicht mit Jahresbeginn, sondern mit dem Mannheim-Spiel der Vorrunde. Denn bis dahin haben wir in der Tat hohes Angriffspressing gespielt, womit wir im Schlussspurt der letzten Saison durchaus erfolgreich waren, aber was zu Saisonbeginn eben nicht so gefruchtet hat. Seither setzen wir meiner Beobachtung nach auf Kompaktheit in der Defensive, haben nach wie vor einen großen Fokus auf die Arbeit gegen den Ball, aber setzen damit tiefer an als vor dem Mannheim-Spiel. Das ganz hohe Anlaufen und Offensivpressing setzen wir seither zwar immer noch gerne ein, aber eher nur noch situativ und wesentlich dosierter als zu Saisonbeginn. Wie zu vernehmen war, auch auf Wunsch aus der Mannschaft. Und in der Tat kommt das wohl unseren Abwehrrecken entgegen, für die aufgrund ihrer nicht allzu hohen Schnelligkeit das ständige hohe Angreifen und weite Rausrücken nicht gerade prädestiniert ist.
Diese defensive Kompatkheit, die gute Staffelung, das starke Arbeiten gegen den Ball der gesamten Mannschaft sind meines Erachtens gerade unser Erfolgsrezept und das nutzen wir seit Mannheim in der Vorrunde und nicht erst seit der Winterpause.
Auch hohe, lange Bälle haben schon immer unser Aufbauspiel ergänzt – neben dem flachen vertikalen Spiel, den Verlagerungen und dem phasenweise auch starken Kombinationsspiel.
Es gab auch in der Vorrunde viele Spiele, in denen wir phasenweise sehr tief standen, teilweise zu passiv waren und dem Gegner den Ballbesitz überließen. Auch ist es ja nicht so, als hätten wir vor der Winterpause nur überzeugende Auftritte (z.B. Duisburg oder Türkgücü waren ziemlich schwach) hingelegt und danach trotz anfänglich zumindest noch guter Ergebnisse nur noch Grütze gespielt. Ich fand unsere Heimspiele in diesem Jahr z.B. überwiegend überzeugend (Ausnahme die zweite Hälfte gegen Halle, aber selbst da haben wir nix zugelassen und erste Hälfte gegen Verl und selbst da hatten wir – auch gemäß expected goals – ein Chancenplus).
Ich sehe also keinen so gravierenden Bruch in der Spielweise wie Du und viele andere, gleichwohl leugne auch ich nicht, dass der Trend etwas in die falsche Richtung geht, was auch mich beunruhigt – dafür haben wir leidgeprüften FCK-Fans wohl alle einfach zuviel negative Erfahrungen sammeln müssen die letzten Jahre - alles gebrannte Kinder. Zu bestreiten, dass sich ein leichter Abwärtstrend abzeichnet, wäre auch ziemlich blöd, wenn sogar unser Coach und unser erfahrenster Spieler (Wunderlich) genau das auch beobachten haben und nach dem Löwen-Spiel ja auch zum Ausdruck brachten.
Ich denke nur, es ist falsch zu sagen, wir stehen erst seit der Winterpause tief und mit Hauptfokus auf defensive Stabilität und wir operieren erst seit der Winterpause mit langen Bällen.
Ich denke, richtig wäre vielleicht zu sagen, unsere Phasen, in denen wir tief stehen werden tendenziell länger, die situativ eingestreuten hohen Pressingphasen etwas seltener und gerade auswärts ist auch nach meiner Wahrnehmung eine Zunahme von Langholz zu beobachten (gerade gegen Zwickau erste Hälfte, Mannheim und die Löwen war mir das auch wirklich zu viel).
Daher teile ich Deine Beobachtung in der Absolutheit nicht, finde sie aber auch nicht vollkommen aus der Luft gegriffen.
Im Taktiktherad hat Kohlmeyer es so treffend formuliert – sinngemäß etwa: wir haben bislang auch in längeren Phasen, in denen der Gegner Ballbesitz hat und wir tief standen und uns auf Defensivarbeit und Arbeit gegen den Ball konzentrierten, dennoch Spielkontrolle gehabt. Da sehe ich eher das Manko und den Abwärtstrend, dass uns diese abhandengekommen ist zuletzt. Also nicht das tiefe stehen per se ist ein Problem, sondern der fehlende Zugriff, das nicht in die Zweikämpfe kommen, die zu schnell wieder hergeschenkten Bälle nach Balleroberung.
Das wiederum könnte einerseits damit zu tun haben, dass sich die Gegner inzwischen besser auf uns eingestellt haben und die uns ihrerseits mit aggressivem frühen Pressing behelligen (und wir auch starke Gegner hatten, die genau das auch gut spielen können – wie Magdeburg, Mannheim, München 1860 – und leider denke ich, dass unser nächster Gegner das genauso gut kann), so dass die eine höhere Frequenz an Anläufen auf unsere Kette hinkriegen und so die an sich gute Staffelung dennoch vor Herausforderungen stellen und uns zudem – da wären wir wieder beim kick and rush – und zu vermehrten langen Bällen nötigen und weniger gutes vertikales Kombinationsspiel erlauben. Andererseits ist bei unserem Anlaufen und gegen-den-Ball-arbeiten das Timing von allen recht wichtig. Wenn dann bei einigen nur ein paar Körner fehlen, die Spritzigkeit grad weg ist oder ähnliches, kommst Du halt nicht richtig in die Zweikämpfe und läufst viel nur hinterher. Das wiederum liegt sicher nicht an der Einstellung der Jungs, sondern vielleicht daran, dass nach Verletzungen und Erkrankungen (inkl. Corona) noch das Prozentpünktchen fehlt, was den Ausschlag geben kann. Man darf auch nicht vergessen, dass unser Spiel ein sehr laufintensives und kräftezehrendes ist – gerade beim Balljagen sind das ja auch keine Dauerläufe, sondern Sprints.
Da also die Umstellung auf unsere aktuelle Spielweise gerade unser Erfolgsrezept ist, sollten wir das meines Erachtens gerade nicht fundamnental ändern. Aber wir sollten die verschiedenen Elemente (Anlaufverhalten, Höhe der Pressinglinie, Aufbauspiel) unseres Spiels wieder anders gewichten und uns Lösungen einfallen lassen, um darauf zu reagieren, dass die Gegner inzwischen langsam den Dreh raus haben, wie sie uns bespielen müssen, um uns weh zu tun.