Habe diesen Post gerade im Hippe-Thread geschrieben. Zu Gerrits Kommentar passt er aber auch:
Meine Theorie aus der Monster-Kolumne von 2016
Verstehen Sie Spaß?
Ortswechsel. Irgendwo an der Weinstraße. „Ich ertrage es nicht mehr. Ich mag nicht mehr leiden“, steht auf einer SMS, die ich Ende August 2015 an einen Freund geschickt habe. Die Nachricht bezieht sich auf den Verein meines Lebens. Gerade hat der 1. FC Kaiserslautern in Heidenheim das 1:3 bekommen. Eingeleitet durch einen Slapstick-Pass unserer neuen, jungen Nummer 1. Die 1.500 mitgereisten Fans konnten anfangs eine Führung bejubeln. Das 2:0 von Zimmer sieht jeder vor den Bildschirmen und im Stadion – nur nicht der mit der Pfeife. Danach nehmen die Dinge ihren Lauf. Heidenheims Scharfschütze Schnatterer haut aus 30 Meter einfach mal drauf. Das Ding kracht wie an der Schnur gezogen genau in den Winkel. In der „Ostalbhölle“ wird getanzt und geklatscht. In diesen Momenten der Verzweiflung wünscht man sich, dass einer der Protagonisten, die einem da ein böses Spiel spielen, die Maske vom Kopf reißt. Und sagt, mit Schweizer Akzent: „Hey, liebe FCK-Fans, ich muss mich bei Euch entschuldigen. Wir haben mit meiner Sendung den größten Streich unserer Geschichte gespielt. Der DFB, alle Vereine, Spieler und Schiris waren daran beteiligt. Darmstadt 98 spielt eigentlich in der 3. Liga, RB Leipzig und die TSG sind natürlich Fake – und Sandro Wagner ein Schauspieler – wenn auch – gebe ich zu – ein schlechter. Willkommen bei 'Verstehen Sie Spaß'“!
https://www.der-betze-brennt.de/artikel ... wecken.php
Es ist interessant, dass wir jetzt wieder denken, dass irgendwas nicht stimmen kann, irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Vor paar Monaten haben wir noch fest daran geglaubt, dass uns Lukas Spalvis in der letzten Minute den Klassenerhalt sichert...
War das nicht total übertrieben? In der Endphase der jüngsten Saison schien alles möglich. Sogar eine Wunderheilung unseres litauischen Ausnahmestürmers. Überhaupt hatte man das Gefühl, dass verletzte Spieler schneller zurückkamen. Dass Spieler, die nicht mehr im Rampenlicht standen, wie zum Beispiel Hercher, über sich hinauswuchsen. Es wurde gerannt und getroffen und gesiegt und gejubelt. Es war ein besonderer Spirit in diesen Tagen im Verein.
Jetzt wieder das andere Extrem im Club der Extreme. Wir glauben ernsthaft, dass wir gar keine Tore mehr schießen können, selbst Torgaranten wie Wunderlich treffen nicht mehr. Wir glauben, dass wir Spieler holen, die verletzungsanfällig sind und prompt verletzen sie sich beim Aufwärmen. Wir glauben, dass Elias Huth es hier nicht mehr packt, und er schaufelt einen Backstein über das leere Tor - aus 5 Metern. Alles ist zäh, alles ist schwer, alles ist verkrampft. Es gibt nichts, auf was man sich freuen kann und darf.
Guckt auf unser Vokabular: "Die Mannschaft muss sich beweisen im Derby, sie muss sich zerreißen".
Auch Antwerpen hat übertrieben in seiner Wut-Pk in Meppen. Wir haben ein Spiel verloren, ja, trotz bester Chancen. Aber es fühlte sich an, als sei die Saison schon wieder beendet, als habe ein Verrat am FCK und seinen Werten stattgefunden.
Nach dem Berlin-Spiel hab ich in den Foren gelesen: Das hat mich fertig gemacht. Dieser Frust, dieser Schmerz, diese Verzweiflung und diese tiefe, unendliche Sehnsucht, dass es mit dem FCK noch mal so wird, wie früher. Dieses Trauma, dass wir mit uns rumschleppen, ist so tonnenschwer wie unser WM-Stadion - und es durchzieht jeden Grashalm und jede menschliche Ader auf dem Betzenberg.
Heute ist der 8. September 2021. Der Himmel über der Pfalz ist azurblau. Das Wetter macht Lust, aktiv zu sein, was anzupacken. Wir, der FCK, wir leben immer noch. Und wir spielen noch im Profifußball. Wir können wieder in unser fantastisches Stadion gehen. Können unsere Freunde wiedersehen. Können gemeinsam unsere Emotionen ausleben. Noch nicht so wie vor Corona, aber immerhin.
Am Samstag kommt der Waldhof. Ein guter Anlass, für unsere Spieler mal wieder Tore zu schießen und diese mit uns zu feiern, oder? Ich glaube fest daran, dass sie das können.
Es muss nicht immer so schwer und bedeutungsschwanger auf unserem Betze zugehen. Eigentlich ist es ganz leicht und einfach.
"Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden." (Nick Hornby, "Fever Pitch") #Unzerstörbar