Chrisss hat geschrieben:Ktown2Xberg hat geschrieben:Und dass auch das was Du beschreibst heute nur noch ein ästhetisch-emotionaler Effekt spieltaktischen Geschehens ist, kein Faktor für Erfolg.
Ich glaube, das ist genau der Knackpunkt. So wird es auch Schommers gesehen haben, und deshalb machte es auf mich zunehmend einen sterilen und emotionsarmen Eindruck (kein "Betze-Fußball"). Mir persönlich wird hier zu viel gefachsimpelt, und auf "falsche" weiche Faktoren (Einfluss der bösen Fans) fokussiert. Ein Trainer muss ein Kollektiv zum Laufen bringen, nicht nur eine Taktik auf dem Platz. Und wenn man es genau nimmt: Wie gut sich eine Taktik oder ein Matchplan umsetzen lässt, hängt maßgeblich von der Qualität der Spieler ab. Und auch an der Stelle muss Vorgabe zur individuellen Voraussetzungen passen, und an dieser Stelle bleibe ich dabei: Das hat Schommers nicht richtig eingeschätzt.
Ich glaube ehrlicher Weise, Du und K-Town seit nicht weit auseinander.
Aus meiner Sicht:
Boris Schommers ist an Boris Schommers gescheitert. Nicht an der Strategie, der Taktik oder was auch sonst auch immer. Das Wort Fussballehrer sagt eigentlich mehr aus, als das Wort Trainer. Und Schommers ist gescheitert weil er nicht gelehrt sondern doziert hat. Unabhängig davon ob ich ein Klasse habe die nur aus Hochbegabten besteht oder eine Klasse mit einigen Schülern die Disziplin-, Lern- oder Konzentrationsprobleme haben. Ich kann mich anschließend nicht hinstellen und behaupten, ich hätte den geilsten Unterricht der Welt gemacht - die anderen wären nur zu blöd oder nicht Willens gewesen ihn zu verstehen.
Menschen zu motivieren, so zu motivieren dass sie meine Lerninhalte aufnehmen und umsetzten, das ist die Kernaufgabe eines Fußballlehrers. Spieler nach "Meinungsverschiedenheiten" stundenlang vor dem Büro warten zu lassen, kann helfen - es kann aber auch nach hinten losgehen. Ein gewisse Wortwahl auf dem Platz zu verbieten, kann helfen - bringt halt aber nichts, wenn sich danach neben dem Platz der Mund zerissen wird.
Zu glauben, dass jetzt ein Trares, besonders böse schauend, extra lange nicht rasiert mit Rohrstock in die Kabine kommt und das Thema mal kurz ändert ist total absurd. Was hier einige Fußballromantiker zum besten geben, lässt einen echt nur mit dem Kopf schütteln. Auch ein Trares benutzt einen Laptop, macht eine Gegneranalyse, zeigt den Spielern anhand vergangner Spiele auf was sie sich einstellen müssen, entwickelt einen "Matchplan" und macht sich Gedanken darüber, wie man den nächsten Gegner am besten bespielen kann. Er ist also auch ein "Laptoptrainer". Ohne dass würde er nicht höher als Verbandsliga trainieren.
Der Fußball, in dem man einfach nur mehr laufen muss, härter in die Zweikämpfe geht und besonders gut zusammenhält und damit eine Mannschaft auf dem Betzenberg besiegt - den gibt es nicht mehr. So sehr man diesen Zeiten auch hinterhertrauert. Hinzu kommt, dass wir in den 80er und frühen 90er Jahren fast immer der Underdog waren. Die Mannschaften kamen auf den Betzenberg und haben das Spiel gemacht. Das gab es weder in der zweiten noch der dritten Liga.
Die besten Trainer sind Trainer, die beides vereinen: Fußballwissen und Lehrer. Ein Jürgen Klopp ist ein überragender Trainer weil er durch die Schule von Wolfgang Frank gegangen ist. Frank war neben Rangnick und einigen italienischen Trainern der geistige Vater des 4-4-2 mit Raumdeckung. Hoher Verteidigung, Pressing etc. Dazu kommt: Das Klopp ein überragender Mensch und Pädagoge ist - und eine Kämpfernatur. Jeder der ihn mal zugeschaut hat, wie er als Spieler die Seite beackert hat, wusste, dass man danach Grumbeere pflanze konnt. Die Kombination ermöglichte ihm seine Trainerkarriere. Weitere Trainer aus dieser "Mainzer Schule" sind Krammny, Schwartz, Wagner oder eben Lieberknecht. Ein ähnliches "Nest" gab es in Stuttgart. Aktuell in Hoffenheim.
Die letzten 20 Jahre im Fußball haben sich im wesentlichen darauf fokussiert, diese Taktik weiterzuentwickeln und Gegenkonzepte zu entwickeln. Das kann keiner ignorieren. Auch nicht der FCK. Meine persönliche Präferenz wäre ein Thorsten Lieberknecht oder ein Marcel Rapp. Denn ich bin der Meinung, dass ein Fußball, der dem viel gepriesenen Betzefußball am nächsten kommt, nur möglich sein wird, wenn wir hinsichtlich der Taktik und der Spielphilosophie auf Augenhöhe bleiben - aber Fußball trotzdem weiter arbeiten. Dabei darf man aber die Basics des Fußballs nie vergessen. Daran ist Schommers gescheitert. Nicht am Umfeld, nicht an Wagner, nicht an mitsprechenden Investoren oder - mein persönliches Highlight - den sozialen Medien. Boris Schommers ist an Boris Schommers gescheitert.