Okay, "in der Luft lag" die Überraschung nur wenige Minuten. Zweitligist 1. FC Kaiserslautern unterliegt im DFB-Pokal-Fight gegen Vizemeister VfB Stuttgart am Ende leistungsgerecht mit 2:1. Sein couragierter Auftritt aber macht dennoch Laune.
Arbeiten wir zunächst mal die Tore ab. Schade aus FCK-Sicht, dass das 0:1 so früh fällt. Der VfB hatte in diesen ersten 14 Minuten zwar bereits mächtig Betrieb über die linke Seite gemacht, wo Nationalspieler Chris Führich den ersten Startelf-Einsatz nach seiner Verletzungspause nutzte, um sich eindrucksvoll zurückzumelden. Aber die Roten Teufel waren gerade dabei, sich zu stabilisieren, als der Treffer fiel.
Und der fiel dann über Lauterns linke Abwehrseite: Rechtsverteidiger Pascal Stenzel, einer von neun (!) Neuen, die VfB-Coach Sebastian Hoeneß nach dem Samstagsspiel gegen Kiel (2:1) in die Startelf rotiert hatte, schickte Mittelstürmer Ermedin Demirovic halbrechts tief in den Strafraum. Der passte zurück und das Leder prallte von Keeper Julian Krahl vor die Füße von Zehner Nick Woltemade. Der Rest war Formsache.
Wahrlich vizemeisterlich: Passtempo und -präzision beim 2:1
Der Spielzug war bis zu Stenzels Pass im Grunde recht statisch, hätte daher leichter verteidigt werden können als Stuttgarts Treffer zum 2:1 in der 76. Minute. Auch da dringt Demirovic wieder halbrechts ins Pfälzer Heiligtum ein, wieder passt er zurück, diesmal aber vollstreckt Führich.
Und zuvor hatten die Schwaben gezeigt, was sie in punkto Passtempo und Passpräzision zu bieten haben. Erst wurde ein Lautrer Abwehrball vor der Mittellinie abgefangen, dann im One-Touch-Verfahren von vier Gastgebern unter Kontrolle gebracht und vor den Sechzehner gespielt, ehe ihn der eingewechselte Angelo Stiller durch die von Jannis Heuer und Erik Wekesser eigentlich recht eng gehaltene Schnittstelle zwischen linkem Innenverteidiger und linkem Außenverteidiger steckte.
Okay, der Elfer war keiner
Dazwischen lag der Ausgleichstreffer in der 42. Minute. Ein von Boris Tomiak souverän verwandelter Elfmeter. Vorausgegangen war ein Foul Fabian Rieders an Marlon Ritter, als dieser sich an ihm vorbei vom linken Flügel in die Box schieben wollte. Und, ja, der Körperkontakt war minimal vor der Strafraumlinie, Schiedsrichter Daniel Schlager entschied falsch. Wer jetzt unbedingt mäkeln will, so gesehen hätte der FCK eigentlich ja viel höher verlieren müssen und überhaupt wäre ja nur die B-Elf des Deutschen Vizemeister am Start gewesen - soll er doch.
Wir sagen: Es war dennoch ein Pokal-K.o., nach dem die Betze-Buben vollkommen zurecht erhobenen Hauptes vom Platz gehen durften. Ihr mannschaftlicher Auftritt war sogar noch überzeugender als während des 4:3-Hammers vergangenen Samstag bei Zweitliga-Tabellenführer Düsseldorf. Kassierten die Betze-Buben gegen Fortuna drei Gegentreffer aufgrund leicht vermeidbarer individueller Fehler, waren die beiden Gegentore diesmal eher der individuelle Klasse des Gegners geschuldet. "Eher" meint in diesem Zusammenhang: Wer partout seiner Antipathie gegen gewisse Außenverteidiger Luft machen will, möge in Gottes Namen auch hier "Schuldige" finden.
Die Viertelstunde nach der Pause: Schnuppern am Coup
Und ausgerechnet in der Viertelstunde nach der Pause, in der die Roten Teufel in dieser Saison schon öfter schwächelten, schnupperten sie an diesem Dienstag am großen Coup - das Wort "Sensation" benutzen wir im Zusammenhang mit Pokalauftritten des 1. FC Kaiserslautern bewusst nicht, denn dem wäre in diesem Wettbewerb grundsätzlich immer was zuzutrauen. Wie sich aus diesmal zeigte. Zwei Klassekonter innerhalb von vier Minuten ließen auch den Stuttgarter Anhang im mit 60.000 Zuschauern prall gefüllten Neckarstadion für ein paar Minuten am Weiterkommen ihres Teams zweifeln.
Beim ersten marschierte Daisuke Yokota weit durchs Mittelfeldzentrum, passte nach rechts auf Luca Sirch, der einen tückischen Diagonalpass Richtung langes Eck schlenzte. Ragnar Ache erwischte das Leder zwar, bekam es aber nicht unter Kontrolle. Bei Konter zwei setzte sich Yokota leichtfüßig am rechten Flügel durch, drang in den Strafraum ein, passte zurück auf Ache, aber der drosch den Ball diesmal am kurzen Eck vorbei. Wer weiß, was drin gewesen wäre, wäre der Torjäger fit ins Spiel gegangen.
Wie FCK-Trainer Markus Anfang später einräumte, war Ache trotz muskulärer Probleme aufgelaufen, musste sich durch die Partie quälen. Umso erstaunlicher, dass er bei den meisten seiner nur zwölf Ballberührungen in 59 Minuten Spielminuten direkt an einer Toraktion beteiligt war.
Wie sich der FCK in dieser Viertelstunde aufbäumte, belegt diese "Wyscout"-Visualisierung der Zweikampfquoten über die komplette Spielzeit:
Nach 65 Minuten wurde der Druck zu hoch
Auch in der restlichen Spielzeit gab es immer mal gute Offensivaktionen des Zweitligisten. Wobei es sich natürlich nicht leugnen lässt: So ab Minute 65 erhöhte der Champions-Ligist dermaßen den Druck, das sich sein Siegtreffer kaum noch vermeiden ließ. Dazu aber hatte Trainer Hoeneß erstmal den Anteil an Nationalspielern in seiner Elf erhöhen müssen. Nach einer Stunde kamen Stürmer Deniz Undav für Woltemade und Mittelfeldspieler Angelo Stiller für Frans Krätzig. Später auch noch Jamie Leweling.
Und vor allem der Wechsel auf der Sechs führte bei den Gastgebern zu noch mehr Spielkontrolle. Vor Führichs 2:1 war das Ballbesitzverhältnis auf 77:22 zugunsten des VfB geklettert. Das ist einfach zu viel, um bis zum Schlusspfiff unbeschadet zu bleiben.
Dennoch zeigte die Partie, dass Markus Anfangs Idee vom variablen Positionsspiel zusehends besser reift. Was allein schon daran zu erkennen ist, dass sich immer schlechter in die gewohnten Zahlenkombinationen fassen lässt, was diese Elf eigentlich spielt. Ja, bis zum 1:0 operierte sie hinten mit Viererkette, später mit Dreierkette, dann wieder mit Viererkette.
Welches "System"? Hauptsache, variabel
Und in der Schlussphase, als Yokota, Ritter, Sirch, Ache und Kenny Redondo gegangen waren und Aaron Opoku, Daniel Hanslik, Leon Robinson, Tobias Raschl und Richmond Tachie auf dem Platz standen, war recht deutlich ein klassisches 4-4-2 zu erkennen. Davor war's gegen den Ball mal ein 5-2-1-2, auch auch mal ein 5-4-1. Aber wie formierten sich die Mittelfeldspieler eigentlich im Spiel mit Ball?
Sirch eher defensiv Mitte zentral, während er bei gegnerischem Ballbesitz auf der rechten Seite gemeinsam mit Jean Zimmer Führich doppelte. Boris Tomiak, na klar, auf der Sechs. Yokota war mal Zehner, mal Rechtsaußen, das kannte man schon aus dem Düsseldorf-Spiel. Redondo, der endlich wieder in der Startelf stand, war mal linker Flügelspieler, mal Stürmer neben Ache. Und Ritter? War mal links, mal weiter hinten, mal sonstwo.
Hier seine Heatmap:
Schwer zu fassen, im wahrsten Sinne des Wortes. Womit auch die Frage beantwortet wäre, die wir schon in der Analyse des Düsseldorf-Spiels stellten: Wie passen Yokota und Ritter eigentlich zusammen, wenn sie zusammen in der Startelf stehen?
Die Antwort: Ganz gut. Sie agieren zwar nicht unbedingt viel miteinander, aber beide tun der Mannschaft gut. Zwei kreative Köpfe sind nunmal besser als einer, und zwei derart ballsichere braucht das komplexe Anfang-Spiel sowieso. Beiden weisen laut Sofascore eine Passquote von 82 Prozent auf, das schafften außer ihnen nur die Innenverteidiger Jannis Heuer (85 Prozent) und Jan Elvedi (86 Prozent).
Yokota überragend
Zu den weiteren Grafiken: Stuttgart gewinnt nach xGoals 3,63 : 1,81. Das ist, natürlich, deutlich. Aber Woltemade darf beim 1:0 ja auch ins leere Tor schießen. Dafür hat Lautern, so fair muss man sein, den Elfmeter als dynamischen xG-Treiber.
Die Positions- und Passgrafik des FCK: Ache hing, wie weiter oben schon aufgeführt, ziemlich in der Luft. Die Doppelspitze Hanslik/Tachie aber auch. Wobei Tachie nur ein paar Minuten auf dem Platz war.
Die Passmap des VfB: So sieht das bei einem Bundesligisten und Champions-Ligisten aus, der "Ballbesitzfußball" verinnerlicht hat. Auch wenn's nur die B-Elf war.
Und zum Schluss die Duelle. Die Innenverteidiger Heuer/Elvedi stark, auch Wekesser ordentlich. Für eine Offensivkraft überragend: Yokota. Die zweitmeisten Duelle geführt und diese mehrheitlich gewonnen.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage