Taktik-Nachlese zum Spiel FSV-FCK

Die DBB-Analyse: Den Ausfällen mit Einfällen trotzen

Die DBB-Analyse: Den Ausfällen mit Einfällen trotzen

Foto: Imago Images

Es läuft weiter rund beim 1. FC Kaiserslautern. Ein Selbstläufer aber war auch der 2:0-Sieg beim FSV Zwickau nicht. Ausfälle zwangen Marco Antwerpen abermals kurzfristig zu Umstellungen. Doch ihm scheinen die Ideen nicht auszugehen.

In der Woche zuvor Julian Niehues, Kenny Redondo und Marlon Ritter, diesmal Matheo Raab und Kevin Kraus. Kurzfristige Ausfälle, wohl größtenteils Corona-bedingt, stellen Marco Antwerpen ständig vor immer neue Probleme, die ebenso so schnell gelöst werden wollen. Wie? Mit Boris Tomiak und Alex Winkler stehen nur noch zwei gelernte Innenverteidiger im Team? Da wird wohl mit Viererkette gespielt. Dachte bestimmt jeder, der vor der Partie auf die Mannschaftsaufstellung schaute. Zumal auch Antwerpen im Vor-Spiel-Interview genüsslich damit kokettierte.

Doch siehe da: Direkt nachdem Anpfiff schob sich René Klingenburg, zuletzt Mittelfeldspieler, zwischen die beiden. Also doch wieder Dreierkette. Und nach ein wenig Überlegen auch gar keine so große Überraschung. Klingenburg ist schließlich schon die ganze Runde über Antwerpens Mann für alle Fälle. Er war schon als Sturmspitze, Zehner, Achter und Sechser unterwegs. Warum also nicht auch als zentraler Innenverteidiger?

Frisch aus Antwerpens Ideenküche: der Dreier-Sturm

Nächste Überlegung: Wer kurzfristig die Position des Abwehrchefs neu besetzen muss, der lässt sich auf keine weiteren Experimente ein und lässt den Rest des zuletzt stabilen Mannschaftsgefüges stehen. Könnte man zumindest meinen. Ist aber schon wieder falsch. Neu in die Mannschaft gerückt waren nicht etwa Hikmet Ciftci oder Nicolas Sessa - auch der genesene Berlin-Torschütze Julian Niehues saß wieder auf der Bank. Sie alle hätten die Position des halbrechten Achters übernehmen können, von der Klingenburg zurückgezogen wurde. Doch der Trainer stellte Muhammad Kiprit in die Startelf, einen dritten Stürmer neben Terrence Boyd und Daniel Hanslik.

Und das erstaunt auch nach einigem Nachdenken noch. Denn als klassischer Dreier-Sturm können die Drei kaum funktionieren. Hanslik orientiert sich zwar auf die linke Seite, Kiprit auf die rechte, aber richtige Flügelstürmer sind beide nicht. Wie das gedacht ist, wird erst im Lauf der ersten Hälfte deutlich. Das Trio griff nicht auf einer Linie an, sondern formierte sich eher als Triangel. Boyd gab im Zentrum den vordersten Störfaktor für die gegnerischen Innenverteidiger. Kiprit und Hanslik bewegten sich leicht versetzt hinter ihm und sollten das Aufbauspiel der Zwickauer auf die Seiten leiten. Dauerhaft besetzt hielten die Außenbahnen wie gewohnt Philipp Hercher und Hendrick Zuck. Hin und wieder versuchten die drei Stürmer auch mal zu switchen, dann machte Boyd die Mitte mal für Kiprit, mal für Hanslik frei.

In Hälfte eins ist noch Sand im Getriebe - und Zwickau stark

Das alles sah, kein Wunder beim ersten Mal, noch recht ausbaufähig aus. So ein richtiger Spielfluss mochte sich in der ersten Hälfte nicht einstellen, und das lag nicht nur am rustikal attackierenden Gegner. Der genesene Marlon Ritter schien als Aufbauspieler vor der Abwehr bisweilen schon verzweifelt nach einer zweiten kurzen Anspielstation neben Mike Wunderlich Ausschau zu halten, ehe er sich zum langen Ball gezwungen sah. Und Hercher und Tomiak kamen nicht wie gewohnt über ihre geliebte rechte Seite ins Marschieren. Hercher versuchte sich an ein paar Flanken mit dem linken Fuß aus dem Halbfeld, die aber kaum für Gefahr sorgten.

Doch immerhin: Gleich drei Mal setzte er auf dem rechten Flügel den vor ihm postierten Kiprit stark in Szene, einmal mit einem schnell ausgeführten Einwurf - die einfachen Dinge bewähren sich manchmal halt immer als die effektivsten.

So blieb die fußballerisch stärkste Szene der ersten Hälfte den Zwickauern vorbehalten. Ein von der rechten Verteidiger-Position schönes Überspielen der Lautrer Pressinglinie, ein langer Sprint des flinken Johan Gomez, der Zuck auf seiner Seite schwer zu schaffen machte, eine schöne Ablage auf rechts - und Winkler musste die Hereingabe in höchster Not klären.

Zuvor hatte das stämmige Kraftpaket Dominic Baumann im Sturmzentrum des FSV - mit 1,78 Metern Körpergröße gar nicht mal der Kantentyp - auf die Querlatte des Kastens geköpft. In dem Avdo Spahic Raab vertrat, unterm Strich wie gewohnt erfolgreich, diesmal aber auch mit ein, zwei Patzern. Irgendwo schlägt die fehlende Wettkampfpraxis als Nummer Zwei halt doch durch.

Boyds Treffer: Typisch für ihn, untypisch für Lautern - im Moment noch

Doch beim FCK läuft es zurzeit halt. Drum wurde ihm auch diesmal die Gnade des ersten Treffers zuteil. Der fiel in der 38. Minute. Und zwar auf eine Art und Weise, die eigentlich simpel ist, mit der sich die Männer in Rot jedoch jahrelang schwer getan haben: Langer Ball - Zweiter Ball - drin.

Denn auch die Nummer will gekonnt sein, und die Roten Teufel haben vorne jetzt einen drin, der sie beherrscht. Den weiten Ball Richtung Zwickauer Strafraum schlug Tomiak. Am Sechzehner stieg Boyd gemeinsam mit FSV-Innenverteidiger Steffen Nkansah hoch. Der Deutsch-Amerikaner erwischte den Ball gar nicht mal selbst, konnte seinen Gegenspieler aber an einer sauberen Kopfball-Abwehr hindern, sodass Wunderlich sich den Ball in halblinker Schussposition gleich wieder schnappen konnte.

Und dann zeigt sich, dass Boyd eben nicht nur als Prellbock funktioniert: Während Nkansah noch dabei ist zu sondieren, wie es jetzt weitergehen soll, dreht Boyd sich sofort um ihn herum und machte ein paar Schritte in die Box. Dass er die Flugbahn von Wunderlichs eher mittelprächtigem Schussversuch kreuzt, ist daher kein Zufall, sondern Gedankenschnelligkeit und Instinkt - und eben der lässt ihn auch den Fuß an den Ball halten. Und ihn ins kurze Eck lenken. Sein erster Treffer im FCK-Trikot.

Hälfte zwei: Zwickau spielt, FCK kontert

Nach der Pause waren die Rollen neu verteilt. Der FSV musste kommen, der FCK durfte kontern. Und das Team von Joe Enochs zeigte, dass es oft zu Unrecht als eines dargestellt wird, das nur reagieren kann. Die Schwäne können durchaus kicken. Mit Ronny König kam die Kante, die Lautern schon oft das Leben schwer machte, mit dem jungen Marius Hauptmann einer, der für noch mehr Betrieb über die rechte Seite sorgte. Die Chance zum Ausgleich war da, doch Luca Horn schlug sechs Meter vorm Tor ein Luftloch. Und Abwehrchef Klingenburg bewährte sich in einigen brenzligen Situationen als perfekter Feuerwehrmann.

Erst nach 70 Minuten, als Antwerpen mit Kiprit einen seiner drei Stürmer vom Feld holte und mit Ciftci auf ein tiefstehendes 4-4-2 umstellte, erlahmten die Angriffsbemühungen der Zwickauer langsam. Zu diesem Zeitpunkt aber hatten sich auch die Lautrer schon einige Konterchancen herausgespielt - und eine davon zum 2:0 genutzt. Eingeleitet vom starken Ritter, der sich von Sechser-Position auf den rechten Flügel gestohlen hatte, zum Flankenlauf ansetzte und Kiprit anspielte. Dessen Schuss wehrte Keeper Johannes Brinkies noch ab, den Abpraller schnappte sich abermals Ritter, der von Horn gelegt wurde. Unglücklich, da sich Ritter eigentlich vom Tor wegbewegt hatte. Ein klarer Elfer wars dennoch. Ritter, wohl weil gefoulter Spieler, überließ die Ausführung Kiprit. Und der verwandelte souverän.

Und gegen Ende wuchert der FCK mit Chancen

Was der FCK sich ansonsten in der zweiten Hälfte an Torchancen herausspielte, ist müßig aufzuzählen. Eigentlich wär mal wieder ein Tor nach einer Standardsituation fällig gewesen. Doch nach kurz ausgeführter Ecke und Flanke von Zuck schaffte es Boyd, freistehend aus vier Metern über den Kasten zu schießen. Offenbar sind Torjäger auch nur Menschen.

Eine weitere Ecke wurde abgewehrt, doch die Lautrer sicherten sich wieder mal den zweiten Ball, Hercher flankte und Tomiak traf die Unterkante der Latte. Wunderlich zeigte wiederholt, dass er keiner für die einfachen Tore ist, die komplizierten liegen ihm mehr. Einmal durfte er aus einer klaren Abseitsposition aufs Tor zulaufen und vergeben - die einzige wirkliche Fehlentscheidung des Schiedsrichter-Gespanns. Weshalb sich die Zwickauer Anhänger am Ende betrogen fühlten, bleibt ihr Geheimnis.

Statt da noch näher drauf einzugehen, gucken wir lieber auf die xG-Timeline.

xG-Plot FSV-FCK

Klarer geht's wohl nicht. Vergessen wir aber auch nicht: Das klare Chancenplus ergab sich erst in der zweiten Hälfte. Die erste war keinesfalls eine überzeugende Angelegenheit, auch Zwickau hätte in Führung gehen können.

Die Positions- und Passgrafik anzuschauen, ist ebenfalls eine wahre Freude. Ein wunderbar gleichmäßiges Passspiel, in die Breite wie in die Tiefe, das das vom Trainer gewählte 3-4-3 exakt widerspiegelt.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Zwickauer. Keine Frage: Die Mitte war dicht. Wenn, dann ging was über Außen, und zwar über die rechte Seite. Die aber war richtig stark.

Passmap FSV

Ob der Dreier-Sturm nun die neue Grundordnung des FCK in der Ära Boyd wird? Hoch wetten würden wir darauf nicht. Gegen Tabellenführer Magdeburg könnte einem quirligen Geist wie Antwerpen schon wieder was Neues einfallen. Sofern ihn Corona nicht ohnehin dazu zwingt, wieder neue Ideen auszubrüten.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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