Nachruf: Zum Tode von Ronnie Hellström (1949-2022)

Ronnie - Bester der Welt

Ronnie - Bester der Welt

Foto: Imago Images

Ronnie Hellström ist tot. Mit dem in der ganzen Fußballwelt geachteten Schweden verliert der 1. FC Kaiserslautern den besten Torhüter, den er je hatte. Einen tollen Menschen und die Ikone einer ganzen Fan-Generation. DBB-Autor Eric Scherer erinnert sich.

"Es gibt ein Bild von diesem Spiel, das dem Klischee gerecht wird, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt: Ronnie läuft eine Ehrenrunde, winkt dem Publikum zu und hat einen Gesichtsausdruck, der vollkommene Zufriedenheit ausdrückt, und neben ihm und hinter ihm sieht man einen ganzen Schwanz von jungen Leuten in Fußballkleidung, die noch glücklicher wirken als er. Es ist einfach ein Bild reiner und unverfälschter Freude. Keiner auf dem Foto möchte dieses Ereignis verlassen."

Das schreibt Co-Autor in Torre S. Börjesson in "Ronnie - Der fliegende Wikinger", Ronnie Hellströms Autobiographie, die 2019 auch in deutscher Sprache erschien, zu seinem 70. Geburtstag. Die wörtliche Übersetzung des schwedischen Originaltitels wäre übrigens "Ronnie - Bester der Welt" ("Ronnie - Bäst i Världen") gewesen. Den hielt man in Deutschland wohl für zu anmaßend, schließlich gibt's ja auch Teutonen wie Toni Turek, Sepp Maier, oder Manuel Neuer. Außer in der Pfalz, versteht sich. Da hätte jeder FCK-Fan, der Ronnie Hellström als Aktiver erlebt hat, ein Buch mit diesem Titel erst recht gekauft. Für sie nämlich war Ronnie Hellström nichts mehr und nichts weniger als das: der Beste. Und er wird es bleiben.

Noch einmal: "Ronnie, Ronnie, Ronnie ..."

Die jungen Leute auf dem Bild, über das Börjesson hier schreibt, stehen symbolisch für eine ganze Generation von FCK-Fans. Sie sind in den 1950er und 1960er Jahren geboren, haben zwischen 1974 und 1984 fast alle Heimspiele auf dem Betzenberg gesehen, und seine insgesamt 311 Einsätze im Trikot der Roten Teufel, wenn schon nicht live vor Ort, dann wenigstens im Fernsehen verfolgt.

Sie haben "Ronnie, Ronnie, Ronnie ..." skandiert, wenn er nach der Platzwahl Richtung Westkurve marschierte. Solange, bis er die Hand zum Gruß hob, darauf haben sie das erste Mal gejubelt. Und dann noch viele weitere Male, nach jeder seiner Glanzparaden, mit denen er eine Fußball-Legende nach der anderen zur Verzweiflung brachte, die expressive Körpersprache des Gladbachers Allan Simonsen nach wiederholtem Scheitern ist unvergessen. Vor allem sind sie regelrecht explodiert, wenn Ronnie wieder mal einen Elfmeter gehalten hatte. 20 waren es insgesamt, das war seine Spezialität.

"Das Größte und Schönste, was ich je erlebt habe"

Und sie waren bei der Partie dabei, nach dessen Abpfiff das beschriebene, oben abgebildete Foto entstand. Ronnie Hellströms Abschiedsspiel, am 24. April 1984. "Das Größte und Schönste, was ich je erlebt habe", teilte der Gefeierte seinem Biographen später mit. Der Betzenberg war proppenvoll, 35.000 Zuschauer waren gekommen, nur um ihn zu ehren. Dazu ein einzigartiges Allstar-Team, gegen das Ronnies 1. FC Kaiserslautern antrat und 7:4 gewann. Paul Breitner sei gerade in Argentinien unterwegs gewesen, als er ihn anrief und einlud, erzählte Ronnie. "Kein Problem", soll der entgegnet und sich direkt ins Flugzeug gesetzt haben. Außerdem kamen Franz Beckenbauer, Jürgen Grabowski, Wolfgang Overath, Klaus Toppmöller und Sepp Maier, gegen den Ronnie sogar einen Elfmeter verwandeln durfte. Dazu schwedische Alt-Internationale und Weggefährten wie Benno Magnusson, Roland Sandberg, Hasse Borg oder Conny Torstensson.

Mit einem Teil dieser Landsleute war Ronnie Hellström zehn Jahre zuvor gegen die meisten der soeben genannten deutschen Spieler angetreten, bei der Weltmeisterschaft 1974. Die Deutschen, die das am Ende auch den Titel holten, gewannen die Partie zwar. Zuvor aber hatte Ronnie sie beinahe zur Verzweiflung gebracht. Auch aus dieser Partie hat Börjesson ein eindrucksvolles Bild parat:

"Schauen Sie sich Franz Beckenbauer, den Kaiser, an, wie er in seiner Ohnmacht hoch in den Himmel blickt, als er erkennt, dass Gott nicht dort oben im Himmel wohnt, sondern zwischen den Pfosten in Schwedens Tor steht, dass Gott tatsächlich in einer anderen Mannschaft spielt."

Der erste Ausländer, dem Deutschland ein Abschiedsspiel widmete

Hellström hatte damals übrigens noch kein Spiel für den FCK bestritten, stand aber bereits in Kaiserslautern unter Vertrag. Und wäre nach den Weltklasse-Leistungen, die er während des WM-Turniers zeigte, für die Pfälzer eigentlich nicht mehr erschwinglich gewesen. Aber seinen Kontrakt für ein lukrativeres Angebot wieder aufzulösen, wäre ihm nie eingefallen. Weshalb nicht und weshalb es dann zehn Jahre in Lautern wurden, hat er 2019 in einem DBB-Interview anlässlich seines 70. Geburtstags ausführlich erzählt.


Sommer 1974: Trainer Erich Ribbeck mit den neuen FCK-Profis Hannes Riedl, Ronnie Hellström und Werner Melzer (v.l.n.r.); Foto: Imago Images

Er war der erste Fußballer aus dem Ausland, für den in Deutschland ein solches Abschiedsspiel ausgerichtet wurde. Initiiert hatte es Norbert Thines, damals Geschäftsführer der FCK, später Präsident und wohl der letzte, unter dem sich der Verein noch mit voller Überzeugung "eine Familie" nennen durfte.

Woher diese Wertschätzung rührte, die so viele Große und Kleine des Fußballsports an diesem Abend auf den Betzenberg strömen ließ?

Ronnie Hellström hat es, typisch für ihn, mit ganz einfachen Worten ausgedrückt:

"Wenn ich ein hochnäsiger, quengelnder Idiot gewesen wäre, glaube ich, hätte man mir niemals ein Ehrenspiel gewidmet. Aber es war nicht so, dass ich mich beliebt machen wollte. Ich fühlte mich mit den Fans wohl und sie mit mir. Es war eine natürliche, ungezwungene Beziehung."

Auch in den Jahren nach seiner Karriere kam der heimgekehrte Schwede drei, vier Mal im Jahr nach Kaiserslautern. Um - ja, was eigentlich? - wohl einfach immer mal wieder noch einmal Ronnie Hellström zu sein. Das Hotel Barth in der Pariser Straße hat eine Lounge nach ihm benannt.

Der Fritz Walter seiner Generation

Im März und April 2019 stellte er in der Pfalz natürlich auch seine Autobiographie vor. Unter bei einem "Torwart-Talk" des SWR im FCK-Museum. Auch da wurde er zu Beginn mit einem "Ronnie, Ronnie, Ronnie"-Chor begrüßt, bis er mit einem Gruß Einhalt gebot. Und er gab seinen Zuhörern noch einen weiteren Satz mit auf den Weg, der ihn und seine Fußballwelt - und in einer anderen hatte er nie leben wollen - wunderbar einfach wie eindringlich beschreibt: "Du bist niemals größer als dein Team."

Fritz Walter ist für den FCK Ikone, Erb- und Kulturgut, und sein Spirit prägt den Verein weiterhin. Doch für die Generation der ab Mitte der 1950er Jahre Geborenen existiert der alte Fritz als Aktiver nur auf Schwarzweiß-Fotos und in kurzen Filmchen. Der Fritz Walter dieser Fan-Generation - "live", in Farbe und zum Anfassen - heißt Ronnie Hellström. Und in ihrer Erinnerung wird sie ihm weiter hinterher laufen, wenn er im Fritz-Walter-Stadion seine Ehrenrunde dreht.

Und niemand in diesem Bild wird dieses Ereignis jemals verlassen wollen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Ronnie Hellström ist im Alter von 72 Jahren gestorben (Der Betze brennt)

Kommentare 115 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken