Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-HFC

Die DBB-Analyse: Mit Pressschlägen ins Glück

Die DBB-Analyse: Mit Pressschlägen ins Glück

Foto: Imago Images

Seinen zwölften Saisonsieg musste sich der 1. FC Kaisers­lautern härter erkämpfen als jeden anderen zuvor. Im entscheidenden Moment brauchte es Durchsetzungs­vermögen, ein wenig Dusel - und am Ende eine starke Hinter­mannschaft.

Hand aufs Herz: Wer litt in der Schlussphase dieses Spiels gelegentlich unter unangenehmen Flashbacks? Als der FCK versuchte, seinen knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen, während der Hallesche FC über hohe Bälle, gerade auch über Freistoßflanken, zum Erfolg zu kommen versuchte? Kamen da nicht mal Erinnerungen hoch an die vielen Spiele, in denen die Lautrer in den vergangenen Spielzeiten kurz vor Ultimo noch jede Menge Punkte abgaben? Gegen Preußen Münster, gegen Fortuna Köln, beim MSV Duisburg, Hansa Rostock und, und, und?

Wie? Keine Ängste mehr ausgestanden, gar keine? Dann ist es der aktuell besten Hintermannschaft der Liga tatsächlich gelungen, sich eine Vertrauensbasis zu schaffen, die so schnell nicht mehr zu erschüttern ist. Und die ihre Fähigkeiten nicht nur in der Tabelle manifestiert hat, sondern auch im Bewusstsein ihrer Fans. Was will man mehr?

"Ermauert"? Die xG-Timeline bestätigt: Der FCK siegt verdient

Obwohl: So ein paar Nerven kostete die über weite Strecken abwartende Spielweise der Roten Teufel schon. Die Hallenser waren doch als Tabellen-15. gekommen. Und die Elf von Marco Antwerpen wollte sich auf dem direkten Aufstiegsplatz 2 festsetzen. Und dann agierte sie im eigenen Stadion, vor immerhin 1.000 zugelassenen Fans, so zurückhaltend, insbesondere in der zweiten Hälfte?

"Wer am Ende gewonnen hat, hat alles richtig gemacht." Mit solchen Sätzen pflegte einst Otto Rehhagel nach Siegen mediales Gemecker an der Spielweise seiner Mannschaft vom Tisch zu fegen. Kann man ja auch so sehen. "Expected Goals"-Auswertungen gab’s zu König Ottos Hoch-Zeiten allerdings noch nicht. Die hätte der Meistertrainer der alten Schule vermutlich auch für Blödsinn gehalten. Es sei denn natürlich, sie hätten ihn bestätigt.

Interessanterweise leistet dies die xG-Timeline dieses Spiels sogar. Nach der nämlich war es sogar ein absolut verdienter Sieg des FCK. Auch wenn er sich hinterher zunächst ein bisschen "ermauert" anfühlte.

xG-Plot FCK-HFC

Nur ein Gesamtwert von 0.38 für Halle - das mag ein wenig erstaunen. Zu Jan Shcherbakovskis Lattentreffer in der 82. Minute muss allerdings gesagt werden, dass Schüsse von außerhalb des Sechzehners generell mit einer geringen Trefferwahrscheinlichkeit bewertet werden. Der Kopfball von HFC-Kapitän Jonas Nietfeld nach einer Ecke von Niklas Kreuzer in der 33. Minute hätte allerdings einen höheren Ausschlag verdient. Da rettete Daniel Hanslik gerade noch auf der Linie.

Ein starker Gegner - und drei kurzfristige Ausfälle

Weshalb dieser zwölfte Saisonsieg wie der schwerste von allen anmutet? Das lag zum einen am couragiert, gut geordnet und konzentriert fightenden HFC. Der deutlich machte, dass der momentane Tabellenstand eines Gegners in dieser Liga eigentlich nichts darüber aussagt, wie stark er sich bei seinem nächsten Auftritt präsentiert. Zum anderen sorgten drei äußerst kurzfristige Ausfälle - natürlich Corona-bedingt - für Brüche im Pfälzer Spiel.

Neben Julian Niehues, der vor Wochenfrist gegen Viktoria Köln (2:0) so nachhaltig auf sich aufmerksam machte, fehlten mit Marlon Ritter und Kenny Redondo plötzlich zwei feste Elemente der zuletzt so stabilen Mittelachse. Dies machte sich vor allem in der zweiten Halbzeit bemerkbar, als schnelles Umschaltspiel angezeigt war, um die knappe Führung auszubauen. Mit Ritter fehlte der Mann, der die Konter einleitet, mit Redondo der, der sie mit Geschwindigkeit nach vorne trägt.

Dabei wurden beide von ausgewiesenen Könnern ersetzt. Für Redondo rückte Neuzugang Terrence Boyd ins Team. Allerdings übernahm er, wie nicht anders zu erwarten, die Rolle der Keilspitze und vordersten Störenfrieds im Spiel gegen den Ball. Daniel Hanslik wich auf die Position dahinter aus, bildete bei gegnerischem Ballbesitz das Zentrum einer Dreierreihe zwischen Mike Wunderlich und René Klingenburg.

Boyd bewährt sich als Prellbock, Ciftci als Kampfsau

Wie das in Zukunft aussehen könnte, demonstrierten Boyd und Hanslik bereits nach elf Minuten: Da legte Boyd einen langen Ball von Hendrick Zuck fein auf den links durchstartenden Hanslik ab, der nach seinem Flankenlauf den mittlerweile an den Elfmeterpunkt gehasteten Boyd ums Haar ebenso mustergültig bedient hätte - doch ein Hallenser Abwehrbein verhinderte den Treffer. Auch im Zusammenspiel mit Wunderlich deutete Boyd an, dass mit ihm nun der lange gesuchte Prellbock im Sturmzentrum gefunden ist.

Für Ritter durfte Hikmet Ciftci als Sechser ran. Der hat normalerweise durchaus das Potenzial, auch die spielerischen Aufgaben zu lösen, die sich auf dieser Position stellen. Daran haperte es jedoch ein wenig, wohl, weil Ciftci in dieser Saison noch nicht oft zum Zuge gekommen ist. Dafür setzte sich der 23-Jährige mit effektvollen Zweikampf-Aktionen in Szene - und das am eindrucksvollsten vor dem Führungstreffer in der 38. Minute:

Nach einem Einwurf Philipp Herchers tief in der Hallenser Hälfte sichert sich Ciftci einen bereits verlorenen Ball, behauptete ihn energisch per Pressschlag und passt auf Hanslik, der rechts Hercher einsetzt. Der flankt diesmal nicht, sondern passt in den Rückraum, wo der ideale Abnehmer für solche Zuspiele steht - Mike Wunderlich. Der schießt direkt, flach und präzise. 1:0.

Typisch: Den besten FCK-Chancen gingen Pressschläge voraus

Die Entstehungsgeschichte dieses Treffers zeigt, wie stark dieses FCK-Team mittlerweile in Einwurfsituationen den Ball zu behaupten vermag. In Hälfte zwei lieferte Hercher - ohnehin wieder einer der Stärksten - dafür noch einen weiteren Beleg.

Dass vor dem Siegtreffer sich ein Lautrer per Pressschlag behaupten musste, war im übrigen charakteristisch fürs gesamte Spiel - weil es deutlich macht, wie eng und intensiv es auf dem Betzenberg zuging. Vor Boyds Einschussversuch in der 29. Minute, bei dem er aus spitzem Winkel den Ball nur knapp am langen Pfosten vorbei jagte, hatte sich der Stürmer ebenfalls, in Zusammenarbeit mit Hercher den Ball "erpresst".

Und mit der gleichen Mischung aus Glück und Durchsetzungsvermögen bullerte sich in der 76. Minute der eingewechselte Muhammed Kiprit in Schussposition. Er scheiterte jedoch an HFC-Keeper Tim Schreiber. Kiprit war übrigens für Boyd in die Partie gekommen - und zeigte, dass man ihn im allgemeinen Hype um den neuen Mittelstürmer keinesfalls vergessen sollte. Der 22-Jährige hat Talent - und braucht weiter Einsatzzeiten, um sich zu entwickeln.

Die Schlussphase: Klingenburg auf die Sechs, Schad macht Speed

Für Ciftci dagegen war nach 64 Minuten Schluss. Für ihn kam Dominik Schad. Klingenburg übernahm daraufhin die Sechser-Position. Schad versuchte auf der halbrechten Mittelfeld-Position, mehr Speed ins Umschaltspiel zu bringen. Was nur so halbwegs funktionierte. So dass der Wunderlich-Treffer am Ende reichen musste, um die drei Punkte sicherzustellen.

Und die Hintermannschaft, die sich mittlerweile so viel Vertrauen im Fanlager erarbeitet hat, dass sich schlimme Erinnerungen an Last-Minute-Gegentreffer nur noch selten einstellen.

Bleibt noch die Positions- und Passgrafik nachzutragen. Die zeigt, dass auch nach Boyds Ankunft in der FCK-Offensive munter kombiniert wird, aber auch, dass Ciftci als Umschaltstation nicht so im Spiel war wie zuletzt Ritter.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Postions- und Passgrafik der Hallenser. Viel Ballbesitz, aber das meiste lief doch nur "hintenrum".

Passmap HFC

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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