Spielbericht: TSV Havelse - 1. FC Kaiserslautern 0:6

Auf dem Tore-Fließband nach oben

Auf dem Tore-Fließband nach oben

Foto: Imago Images

Der 1. FC Kaiserslautern feiert gegen den TSV Havelse nicht nur den dritten Erfolg in Serie, das 6:0 ist auch der höchste Sieg seit fast 13 Jahren. Die Roten Teufel sind nicht wiederzuerkennen.

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Was war das denn? Ist das gerade wirklich passiert? Jeder, der den FCK im Herzen hat, dürfte das heute im Laufe der 90 Minuten mehrfach gedacht haben. Noch vor vier Wochen schienen die Männer in Rot nicht in der Lage, auch nur ein einziges Tor zu erzielen, geschweige denn auf fremdem Platz. Noch vor vier Wochen hätten viele Schlachtenbummler wahrscheinlich geunkt, dass man sich im fast 500 Kilometer entfernten Hannover beim Liga-Schlusslicht aus Havelse auch noch blamieren würde. Doch es scheint wirklich so, als habe die Elf von Marco Antwerpen seit dem 0:0 in doppelter Unterzahl im Derby gegen Mannheim den Reset-Knopf gedrückt. Eine Elf, eine Mannschaft, das stellt sie seitdem wortwörtlich dar. Auch heute in Hannover.

Dominant, effektiv, zweikampfstark: Eine Halbzeit für das Bilderbuch

Dort erwartete die Mannschaft eine gefühlte Geisterspiel-Kulisse. Die 49.000 Zuschauer fassenden WM-Arena, in der der Drittliga-Aufsteiger spielen muss, weil das heimische Wilhelm-Langrehr-Stadion nicht den Drittliga-Anforderungen des DFB entspricht, wird heute von 1.986 Fans besucht, darunter gut 1.200 im Gästeblock und auf der Haupttribüne verstreute FCK-Anhänger. Die machen gehörig Stimmung, einzelne Zaunfahnen, wie etwa die der norddeutschen Betze-Fans von "Nordic Devils", "Gifhorn" und weiteren, sind auch zu sehen. Die Lautrer Ultras hingegen reisen nach zwei Auswärtsfahrten in Folge dieses Mal nicht mit, weil ihnen die bei den Niedersachsen geltenden Corona-Regeln zu streng sind.

Marco Antwerpen verändert seine Elf, die zuletzt endlich zweimal in Folge in gleicher Formation siegreich war, lediglich auf einer Position - und dies gezwungenermaßen. Für den erkrankten Nicolas Sessa kehrt Felix Götze in die Startelf zurück. Doch der wird seine Sache äußerst gut machen und heute zeigen, warum man ihn nach seinen Leistungen in der vergangenen Saison unbedingt am Betzenberg halten wollte. Zunächst aber heißt es durchschnaufen: Nach 45 Sekunden kann sich Havelse unbedrängt in Nähe des FCK-Strafraums spielen, flanken und im Sechzehner Yannik Jaeschke völlig unbedrängt in Szene setzen. Sein Ball geht zwar über den Kasten von Matheo Raab, aber es werden böse Erinnerungen wach: Die Roten Teufel werden doch nicht etwa wieder in alte Muster verfallen und die Anfangsphase verschlafen?

"Oh, wie ist das schön!" - Über 1.000 FCK-Fans sehen neue FCK-Waffe

Kurz gesagt: Nein. Nach etwa zehn Minuten des Abtastens fangen sich die Gäste - und wie: In der 11. Minute wird Marlon Ritter an der Mittellinie ein langer Ball von René Klingenburg zuteil, der nimmt diesen technisch sehr hochwertig mit und stürmt alleine auf Havelse-Keeper Norman Quindt zu. Noch vor einigen Wochen hätte er diesen Ball vielleicht verstolpert, doch Ritter behält gegen zwei Gegenspieler die Ruhe und zimmert ihn rechts am Torhüter vorbei ins Tor. Das beflügelt die Mannschaft. Sie ist dominant, zweikampfstark, erspielt sich Standards - und bricht so mit dem nächsten Fluch. In der 17. Minute schlägt Hendrick Zuck einen Freistoß gefühlvoll in den Strafraum, wo Kevin Kraus lauert und den Ball an den Innenpfosten bugsiert. Auch das Glück ist dem FCK jetzt hold, es steht 2:0! Wie schon gegen Osnabrück ein Standard-Treffer. Wird dies etwa die neue Lautrer Waffe?

Hat sich der FCK sonst oft von so einer Führung - wenn er sie denn überhaupt erzielt hat - satt gezeigt, so reicht ihm das heute noch lange nicht. Nach einer halben Stunde dribbelt sich Daniel Hanslik auf rechts in Schussposition, sein Abschluss wird von Quindt zunächst noch stark pariert. Doch der Abpraller landet bei Mike Wunderlich, der mit einem Gewaltschuss das 3:0 markiert. Beim Torjubel lässt der 35-Jährige sämtlichen angestauten Frust der vergangenen Wochen aus sich raus - ein Sinnbild für den Aufschwung des FCK. Ein Standard-Tor, das kann schließlich jeder, dachte sich wohl Philipp Hercher, als er eine Minute vor der Halbzeit einen Eckball von Wunderlich zum 4:0 in die Maschen köpft - sein dritter Treffer im dritten Spiel nacheinander, der dritte Standard-Treffer in zwei Spielen. Der mitgereiste Anhang skandiert da schon lange "Ooooh, wie ist das schöööön".

Lautern wie besessen: Treffer am Fließband und fast ein "Tor des Monats"

Der zweite Durchgang geht so weiter, wie der erste aufgehört hat. Nur drei Minuten sind gespielt, da hämmert Torschütze Wunderlich einen Ball aus rund 15 Metern an den Pfosten. Doch seine Mannschaftskollegen beißen weiter, Hercher schlägt den Ball von rechts zurück in den Strafraum, wo Hanslik steht und sein Premieren-Tor der Saison erzielt. 5:0 - das hat es beim FCK ewig nicht mehr gegeben. Und eben jener Hanslik legt acht Minuten später sogar noch einen Treffer nach - wobei dieser zu 80 Prozent auf das Konto von Boris Tomiak gehen sollte. Dessen Schuss prallt nämlich aus rund 30 Metern fast in Wembley-Manier von der Unterkante der Latte zurück ins Feld, wo Hanslik steht und vollendet. Das wäre ein wahres "Tor des Monats" geworden. Havelse ist nicht in der Lage, noch einmal etwas dagegen zu setzen. Am Schluss steht die hochverdiente Feier vor dem leider weit weg vom Spielfeld, in den Oberrang platzierten Gästeblock. Die Spieler strahlen, die Fans skandieren: "Der FCK ist wieder da!"

Dem FCK gelingen nicht nur erstmals seit 2019 wieder drei gewonnene Spiele in Folge, er feiert auch den höchsten Liga-Sieg seit dem 6:0 gegen Rostock am 17. November 2008. In der Fremde ist es außerdem einer der höchsten Erfolge der Vereinsgeschichte überhaupt, getoppt nur vom legendären 7:1 in Duisburg am 10. April 1994. Nach so einem Spiel fällt es schwer, auf die Euphoriebremse zu treten. Sicher wird der ein oder andere schon auf die Tabelle schielen, wo der FCK mit 15 Zählern jetzt in die obere Tabellenhälfte geklettert ist. Ja, es sind nur drei Punkte zu den Top 3 der Liga, aber eben auch nur drei zu den Abstiegsrängen. Die 3. Liga ist wahnsinnig eng, der FCK ist in Form, doch er tut gut daran, auf seinen Trainer zu hören. Der blickt nämlich jetzt erst einmal nur auf die nächste Partie in vier Tagen: Dann heißt der Gegner im Verbandspokal TuS Mechtersheim.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel

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