Spielbericht: Erzgebirge Aue - 1. FC Kaiserslautern 1:1

Die Schande vom Schacht

Die Schande vom Schacht


Welche Fußballqualen muss man als Fan des 1. FC Kaiserslautern eigentlich ertragen? Nach dem Montagsspiel im 510 Kilometer entfernten Aue, bei dem es trotz doppelter Überzahl nur zu einem mageren 1:1 reichte, muss man sich diese Frage ernsthaft stellen.

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Aus dem Leben eines Auswärtsdauerkartenbesitzers: „I don't like mondays“, hatte sich FCK-Fan Karl S. (Name geändert) gedacht, als die DFL die Spieltage 28 und 29 terminierte. Freitags zuhause gegen Köln, okay. Aber an einem Montag zum Auswärtsspiel nach Aue? Schon wieder montags, nach den Partien in München, Berlin, Braunschweig und - wie wir mittlerweile wissen - Ende April auch noch Cottbus? Für die Fans des FCK bedeutet das insgesamt 5.560 Reisekilometer alleine zu den fünf Montagsspielen von Februar bis April 2013.

Konkret heißt das für Karl: Morgens noch schnell einen halben Arbeitstag durchjagen von 8 bis 12, dann sofort ins Auto und ab nach Mainz, wo fünf Mitfahrer und ein zweites Fahrzeug warten. Immerhin, die Sonne scheint, der Frühling ist endlich da, nachdem die vorigen Montagsspiele nicht ohne Schnee und klirrende Kälte ausgekommen waren. Nach fünfeinhalb Stunden im Auto am Erzgebirgsstadion angekommen gleich die nächste Überraschung. Am Eingang stehen Angestellte des FCK und verteilen weiße Auswärtstrikots und Freikarten für das Heimspiel gegen Paderborn an die mitgereisten Fans. Als Dank für die Treue. Eine schöne Aktion vom Verein, jetzt fehlt nur noch der Auswärtssieg, denkt sich Karl.

Um die 700 FCK-Fans haben sich in Aue eingefunden, wo es auch für die Gastgeber noch um viel geht. Was die Roten Teufel noch schaffen möchten, will der FCE unbedingt vermeiden: Den Relegationsplatz zum Saisonende, bei Aue freilich im Kampf gegen den Abstieg. 8.300 Zuschauer unterstützen die „BSG Wismut“ im Rennen um den Klassenerhalt und zeigen zum Spielbeginn eine choreographierte Huldigung für das kultige Erzgebirgsstadion. Für die FCK-Fans kann es derweil nur ein Motto geben: „We don't like mondays“ prangt einmal mehr riesengroß am Zaun. Während dem Spiel ist die Stimmung im Gästeblock ganz okay, mit Höhen und Tiefen, aber einfach zu wenigen Leuten für einen wirklich starken Auftritt.

Auf dem Platz heißt es - besser: soll es heißen, anknüpfen an die beste Leistung seit fast zwei Jahren. „Never change a winning team“ lautet die Devise für Franco Foda, der die gleiche Elf wie beim furiosen Heimsieg gegen Köln ins Rennen schickt. Das klingt doch schon mal vielversprechend. Doch die Hoffnung weicht schnell der Realität, die Roten Teufel zeigen eine enttäuschende erste Halbzeit. Trotzdem: Alles scheint nach Plan zu laufen, als Alexander Baumjohann sich aus dem Mittelfeld heraus ein Herz fasst und den Ball einfach mal ins Netz hämmert (22.). Jubel im Gästeblock, Jubel auf dem Rasen, Jubel auf der Bank! Hallo Köln, egal wie viele Tore ihr in der letzten Minute schießt, an uns kommt ihr nicht vorbei! Verdammte Axt noch mal! Mit dieser Führung geht es auch in die Pause.

In der Halbzeit kurz mal mit dem Handy bei Facebook reingeschaut. Die daheimgebliebenen Kollegen von „Der Betze brennt“ haben eine Vorahnung: „Wie so oft führt der FCK 1:0 - geht es auch so aus wie fast immer?“ Nee... lass mal, heute nicht. Am 29. Spieltag sollte man doch davon ausgehen können, dass Spieler und Trainer aus ihren Fehlern der bisherigen Saison gelernt haben, oder? Leider werden die 700 Mitgereisten und die unzähligen vor den Fernsehbildschirmen eines besseren belehrt.

Schon wieder dieser Verwaltungsfußball statt das 2:0 nachzulegen, schon wieder dieser fehlende Biss. Und das gegen einen Gegner, der zehn Plätze hinter dem FCK steht und in der Schlussphase klinisch tot ist: Zwei Platzverweise kassieren die Gastgeber vom strengen Schiedsrichter Felix Zwayer. Elf Lautrer gegen neun Auer, eine 1:0-Führung im Rücken, auf fast jeder Position einen besseren Spieler als der Gegner und nur noch eine Viertelstunde zu spielen. Alle Zeichen stehen auf Sieg, nur eines fehlt: Kampf, Leidenschaft, der unbändige Wille zum zweiten Tor. Und so kommt es, wie es kommen musste: Die aufopferungsvoll kämpfenden „Veilchen“ erzielen in der Schlussphase, nun enthusiastisch unterstützt vom zuvor eher schläfrigen Publikum, nach einem Torwartfehler von Tobias Sippel tatsächlich den Ausgleich durch Kevin Schlitte (83.). In doppelter Unterzahl!!! Jetzt - erst jetzt - herrscht plötzlich Hektik beim FCK, werfen die Lautrer noch mal alles nach vorne. Aber auch die Einwechslung von Jimmy Hoffer bringt nichts mehr, es bleibt beim 1:1. Und beim peinlichsten Auftritt der bisherigen Saison. Alexander Baumjohann und Mo Idrissou verschwinden sofort stinksauer in der Kabine, die jungen Spieler müssen von den Betreuern getröstet werden, beim Abklatschen am Zaun ist einfach nur Frust angesagt.

Danach wieder kurz der Blick aufs Handy: Auch in der Heimat ist die Stimmung erwartungsgemäß mies, der Webserver von „Der Betze brennt“ droht unter dem Andrang der Leidensgenossen in die Knie zu gehen.

„Montags könnt' ich kotzen“, denkt sich Karl und wohl alle FCK-Fans pflichten ihm gedanklich bei. Aber dieser Brechreiz ist tageszeitunabhängig. Wenn Stefan Kuntz recht hatte, dass nach schwachen Leistungen die Kritiker wie Ratten über den Verein herfallen, dann steht dem Betzenberg in den nächsten Tagen wohl eine riesige Ungezieferplage hervor. Alle im sportlichen Bereich tätigen Angestellten des FCK sollten sich hingegen in ihre Löcher zurückziehen, Selbstreflexion üben und sich danach ausschließlich auf die kommenden 90 Minuten gegen Paderborn konzentrieren. Schämt Euch!

Jedes weitere Wort ist zuviel nach einem Montagabend, der für sich spricht. Da braucht es keine Statistiken, keine Einzelkritik, keine Analyse und keine Interviews. Sofort nach dem Spiel geht es für Karl und Co. nach Hause. 4:00 Uhr Ankunft in Mainz, 5:00 Uhr daheim in Kaiserslautern. Um 8:00 Uhr heißt es dann wieder arbeiten. Heute vielleicht nur einen halben Tag, je nachdem, was so auf dem Schreibtisch liegt - mal schauen. Am Samstag steht dann das 13:00-Uhr-Heimspiel gegen Paderborn an, ehe es am übernächsten Montag schon wieder auf Auswärtsfahrt geht, ins 670 Kilometer entfernte Cottbus. Dann aber wohl ohne Karl, der Frust ist zu groß und irgendwann muss auch mal die Arbeit gemacht werden. Wie stand es auf dem passenden Spruchband im Gästeblock: „Hey DFL, wir haben auch nur begrenzt Urlaub!“

Immerhin: Durch den Punkt“gewinn“ konnte der FCK den Konkurrenten aus Köln überholen und steht nun mit acht Toren Vorsprung wieder auf dem Relegationsplatz. Aber kann das ein wirklicher Trost sein nach dieser Schande von Aue? Wohl kaum.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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