Interview mit dem Fanprojekt Kaiserslautern

„Dafür hatten wir mindestens drei Jahre eingeplant“

„Dafür hatten wir mindestens drei Jahre eingeplant“


Am 1. November 2007 wurde das Fanprojekt Kaiserslautern ins Leben gerufen. Im Gespräch mit „Der Betze brennt“ blicken die beiden Mitarbeiter Erwin Ress und Yvonne Ernst auf die vergangenen zwölf Monate zurück und sprechen über erste Erfolge, aktuelle Projekte und zukünftige Aufgaben.

Der Betze brennt: Hallo Yvonne, hallo Erwin! Stellt Euch doch bitte zunächst einmal in Kürze vor.

Erwin Ress (48):
Ich bin von Beruf Diplom-Sozialarbeiter und in dieser Funktion seit 1. November 2007 Leiter des Fanprojekts Kaiserslautern. Vorher war ich 15 Jahre als Streetworker für die Stadt Ludwigshafen tätig und habe dort unter anderem mit der Fußball- und Hooliganszene von Waldhof Mannheim gearbeitet. Der Waldhof trug früher ja seine Bundesligaspiele im Ludwigshafener Südweststadion aus, weshalb sich die Stadt auch an der Fanarbeit beteiligte. Ich bin in Kusel geboren, war als Jugendlicher natürlich auch hin und wieder im Stadion - damals noch mit der ganz alten Westkurve - habe in Fulda studiert und bin nun über Ludwigshafen wieder in Kaiserslautern gelandet.

Yvonne Ernst (24):
Ich bin schon mein Leben lang FCK-Anhänger, komme auch direkt aus der Pfalz und habe in Ludwigshafen Soziale Arbeit studiert. Zurzeit schreibe ich noch an meiner Diplomarbeit und darf mich dann ab Januar hoffentlich ebenfalls Diplom-Sozialarbeiterin nennen. Beim Fanprojekt Kaiserslautern bin ich von Anfang an dabei, teilweise auch in Zusammenhang mit meinem Studium. Zunächst nur in Teilzeit habe ich nun seit Mitte September eine volle Stelle.

Der Betze brennt:
Seit genau einem Jahr existiert nun das Fanprojekt in Kaiserslautern. Seid Ihr gut in der Stadt, im Verein und in der Fanszene angekommen?

Ress:
Wenn wir die letzten zwölf Monate Revue passieren lassen, dann sind wir sehr zufrieden mit dem, was hier gelaufen ist. Für die Kontakte, die wir knüpfen konnten, hatten wir mindestens drei Jahre eingeplant. Das hat natürlich auch mit Yvonne zu tun, die bereits in der Fanszene verankert war und somit die Kontaktaufnahme erheblich erleichtert hat.

Der Betze brennt:
Erwin, als jemand, der beruflich viel mit der Waldhof-Szene zu tun hatte, hattest Du bestimmt auch mit Skepsis bei dem einen oder anderen FCK-Fan gerechnet.

Ress:
Genau. Ich kam sozusagen vom „Erzfeind“, was sich natürlich rumspricht. Aber bis auf wenige Ausnahmen traten mir die Fans sehr offen gegenüber.

Ernst:
Viele haben auch einfach nachgefragt: „Du warst doch beim Waldhof, stimmt das? Erzähl mal!“ Die haben sich das dann angehört und auch verstanden, dass es nunmal sein Beruf ist. Erwin hat ja auch nicht bei Waldhof Mannheim gearbeitet, sondern eben für die Stadt Ludwigshafen.

Der Betze brennt:
Welche Aufgaben habt Ihr in dem einen Jahr bisher übernommen, welche Projekte bearbeitet?

Ress:
Unsere Hauptaufgabe war bisher das Herstellen von Kontakten zu möglichst vielen Fan-Gruppierungen aus dem Umfeld des 1. FC Kaiserslautern und hier insbesondere aus der Westkurve. Dies ist uns unter anderem auch dadurch gelungen, das sich aus verschiedenen Gruppierungen ein „Arbeitskreis Fanprojekt“ gebildet hat, der den Gedankenaustausch zwischen Anhängern und Fanprojekt vorantreibt.

Der Betze brennt: Dieser Arbeitskreis gestaltet zurzeit auch Eure Räumlichkeiten in der Pariser Straße. Gebt uns doch mal einen Überblick, was den Fans hier geboten wird.

Ernst:
Das Fanprojekt besteht aus einer Küche und zwei Aufenthaltsräumen, die zu Beginn komplett leer waren. In diesem Zusammenhang war uns sehr wichtig, dass die Leute sich an der Gestaltung des Fanprojekts beteiligen können. Der Arbeitskreis hat dann die komplette Einrichtung der Räume übernommen, an der zurzeit allerdings noch gearbeitet wird.

Ress:
Dadurch erreichen wir natürlich auch eine höhere Identifikation mit den Räumlichkeiten, als wenn wir selbst ein FCK-Logo an die Wand gesprüht oder einfach ein paar Aufkleber angebracht hätten. Das finde ich schon toll, was hier zurzeit entsteht.

Ernst:
Der Arbeitskreis hat auch schon ein Logo und einen Namen für das Fanprojekt („Fanszenerie“; Anm. d. Red.) entworfen. Im kleineren Raum wurde eine Theke im FCK-Look gebaut, hinter der die Fans in Selbstverwaltung Getränke verkaufen können, außerdem kann hier Tischfußball oder Dart gespielt werden und ein Fernseher ist vorhanden. Nebenan im größeren Raum wird zurzeit die Anschaffung eines Beamers geplant und an den Wänden werden ausziehbare Sitzgelegenheiten in Tribünenform installiert. Abgerundet wird das Ganze durch einen eigenen Computer und ausliegende Zeitschriften, hier wurden in Absprache mit den Fans zunächst der „Kicker“, „11 Freunde“ und der „Spiegel“ abonniert.

Der Betze brennt:
Wird es dann nach Fertigstellung auch feste Öffnungszeiten geben?

Ernst:
Ja, wobei wir hier noch über die besten Termine diskutieren. Sinnvoll könnten etwa der Montag mit den regelmäßigen Zweitligaspielen und der Mittwoch mit Europacup und Länderspielen sein, da wir natürlich auch einen Bezug zum Fußball herstellen möchten.

Der Betze brennt:
Können die Fans sich auch jetzt schon bei Euch treffen?

Ress:
Auf jeden Fall. Wer hier beispielsweise ein Fantreffen veranstalten möchte, kann sich jederzeit bei uns melden und mit uns Termine absprechen. Bei internen Gesprächsrunden selbst sind wir dann aber natürlich nicht dabei, außer es wird ausdrücklich gewünscht, etwa weil es Fragen an uns gibt. Die endgültige Fertigstellung der Räumlichkeiten und die damit verbundenen festen Öffnungszeiten sind dann für Anfang 2009 geplant.

Der Betze brennt:
Die ersten Kontakte wurden also schnell geknüpft und die „Fanszenerie“ nimmt langsam Formen an. Was waren weitere Themen des vergangenen Jahres?

Ress:
Häufig angesprochen wurden wir von Leuten, die Probleme mit bundesweiten Stadionverboten oder mit Repressionen hatten. Hier konnten wir wertvolle Tipps geben, auch einige Anzeigen konnten im Vorfeld vermieden werden. Diese Erfolge sprechen sich natürlich auch sehr schnell rum, so dass speziell jüngere Fans mit ihren Problemen immer öfter zu uns kommen und sich beraten lassen.

Der Betze brennt:
Und woran arbeitet Ihr zurzeit?

Ernst: Zurzeit starten wir gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit das Projekt „Pro Ausbildung“. In diesem Zusammenhang sind bei Heimspielen zwei Berufsberater im Stadion unterwegs, die man zwischen Bratwurst und Bier gerne zum Thema Jobsuche befragen darf, und bald werden wir auch mit einem von den Fans gestalteten Info-Wagen direkt vor der Westkurve präsent sein. Hier können Fragen gestellt oder auch Termine zur Berufsberatung vereinbart werden, um die ich mich als Ansprechpartnerin dieses Projekts dann kümmere.

Der Betze brennt:
Ihr habt mit diesem Info-Wagen zum Thema „Pro Ausbildung“ jetzt also auch im Stadion einen festen Anlaufpunkt. Einige Fans bemängelten in der Vergangenheit, das man nicht viel von Euch sieht oder hört.

Ress:
Nun ja... Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie wir unsere Präsenz nennenswert erhöhen könnten. Wir sind bei jedem Heim- und Auswärtsspiel dabei, fahren in den Fanbussen oder Sonderzügen mit. Auch im Betze Magazin wurde schon mehrfach über uns berichtet - aber wir können uns natürlich nicht jedem Fan einzeln vorstellen. Außerdem muss man bedenken, dass das Fanprojekt erst seinem einem Jahr existiert, was für eine starke Verwurzelung in der kompletten Fanszene einfach eine zu kurze Zeit ist.

Ernst:
Das uns noch nicht jeder Fan kennt, liegt sicher auch an der Besonderheit des Standorts Kaiserslautern. Woanders organisieren Fanprojekte zum Beispiel Auswärtsfahrten für Fanclubs, was hier aufgrund der Eigeninitiative der Fans gar nicht nötig und ja auch nicht unbedingt wünschenswert ist.

Der Betze brennt:
Eine Eurer Aufgaben an Spieltagen ist auch das Vermitteln bei Problemen mit der Polizei. Wie gestaltet sich hier die Zusammenarbeit?

Ress:
Das ist für uns nicht immer einfach, weil wir etwa von Spezialeinheiten der Polizei gerne mal ignoriert werden. Nach dem Auswärtsspiel in Ingolstadt wurden beispielsweise Stefan Roßkopf (FCK-Fanbetreuer; Anm. d. Red.) und ich plötzlich von einer USK-Einheit umkreist und es hieß, wir würden „in unzulänglicher Weise die Fans aufwiegeln“. Da verstanden wir natürlich die Welt nicht mehr.

Der Betze brennt:
Das bayrische USK ist bei den FCK-Fans ja spätestens seit den Vorfällen von Augsburg im April 2007 komplett unten durch.

Ress:
In Ingolstadt ging das ja schon bei der Ankunft der Fans los. Da wurde der Fanbus der „Generation Luzifer“ durchsucht, plötzlich standen da acht Beamte in martialischer Kleidung und mit „Schlagstöcken“ drin. Bei den Vorfällen vor und nach dem Spiel half mir auch mein Dienstausweis nicht weiter, der wurde einfach ignoriert.

Ernst:
Das führt dann auch manchmal zu falschen Erwartungen der Fans, die denken, wir als offizielle Institution könnten sie aus jeder glimpflichen Situation befreien. In Wirklichkeit kommt es leider oft vor, dass man speziell bei der Polizei angewiesen ist, einen kooperativen Beamten zu erwischen.

Der Betze brennt:
In Kaiserslautern sind die szenekundigen Beamten, die so genannten SKBs, Eure Ansprechpartner, oder?

Ress:
Genau. Hier haben wir zwar guten Kontakt, was jedoch auf keinen Fall heißt, dass irgendwelche Informationen bezüglich der Fanszene an die Polizei weitergegeben werden. Das verstehen die SKBs dann auch. Generell gehen wir sehr vorsichtig mit diesem Kontakt um, halten ihn aber dennoch für wichtig, da so manche Probleme bereits mit einem Gespräch statt beispielsweise mit einer Anzeige gelöst werden können. Außerdem sind die SKBs gerade bei Auswärtsspielen wichtige Ansprechpartner für uns, etwa um Auskünfte über Vorgehen und Maßnahmen der Polizei vor Ort zu erhalten und somit bei Konflikten zwischen Fans und Polizei vermitteln zu können.

Ernst:
Alles in allem kann man sagen, dass eine gute Kommunikation mit der Polizei in Kaiserslautern möglich ist. Das läuft anderswo viel schlechter, da wird teilweise gar nicht miteinander kommuniziert, was sich durchaus negativ auswirken kann, denn ohne eine solche Kommunikation können berechtigte Interessen und Anliegen der Fanszene nicht vermittelt werden.

Der Betze brennt: Und wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Verein?

Ernst:
Da läuft alles sehr gut und wir erhalten jede mögliche Unterstützung. Hier möchten wie ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit unseren Hauptansprechpartnern Stefan Roßkopf oder auch Jens Bräunig (Leiter FCK-Marketing; Anm. d. Red.) hervorheben. Das ist hier mustergültig und nicht selbstverständlich, ich glaube da sind andere Fanprojekte teilweise auch ein bisschen neidisch auf die gute Zusammenarbeit.

Ress:
Ich hatte zum Beispiel 15 Jahre lang überhaupt keinen Kontakt zum SV Waldhof, teils wegen ständigen Personalwechseln und teils, weil sich der Verein einfach nicht dafür interessiert hat. Das ist hier ganz anders.

Der Betze brennt:
Ein immer wieder aktuelles Thema sind leider auch Konflikte zwischen aktiven Fans und dem Ordnungsdienst. Konntet Ihr beispielsweise im seit Monaten schwelenden Spruchband-Streit vermitteln?

Ress:
Auch hier setzen wir uns für die Fans ein, wobei der Verein da teilweise schon zwischen uns und den Ordnern vermitteln muss. Ich persönlich finde, dass die Fanszene in Bezug auf Spruchbänder sehr kreativ ist und die Aussagen bisher auch immer eine Berechtigung hatten. Was ich verstehen kann ist, wenn der Verein ganz persönliche Beleidigungen unterbindet. Aber ich kann zum Beispiel nicht verstehen, wenn gegen Sprüche wie „Scheiß DSF“ oder „Scheiß DFL“ vorgegangen wird, weil es hier ja nicht gegen eine Person, sondern gegen eine Institution geht. Diese Meinungsfreiheit muss auch in einem Fußballstadion gegeben sein.

Der Betze brennt:
Ein besonders kritisches Thema in diesem Zusammenhang ist ja Dietmar Hopp und seine TSG Hoffenheim.

Ress:
Das finde ich auch nicht gut. Beleidigungen wie „Sohn einer Hure“ verurteile ich auch, aber kreative Kritik an dem System Hopp, wie beim letzten Spiel „Unsere Liebe - D€in Hoppy“, das finde ich klasse.

Ernst:
So lange es um solch kreative Plakate geht, unterstützen wir die Fans da auch voll und ganz. Das vertreten wir dann auch gegenüber Verein und Ordnungsdienst.

Der Betze brennt:
In den letzten Monaten sind ja auch die früheren Hooligans um die „First Class Crew“ wieder präsenter im Stadion, wohlgemerkt in friedlicher Absicht. Habt Ihr auch hier bereits Kontakte geknüpft?

Ress: Diese Szene gehört allein vom Alter her nicht mehr zu unserem Klientel, jedoch haben wir auch hier zu dem Einen oder Anderen Kontakt. Prinzipiell sind wir aber jedem FCK Fan gegenüber offen und stehen bei Bedarf als Ansprechpartner zur Verfügung.

Der Betze brennt:
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Eurer Arbeit als „Anwälte der Fans“!

Weitere Informationen und Daten zum Lautrer Fanprojekt sind ab sofort in der neuen Rubrik „Fans > Fanprojekt“ auf „Der Betze brennt“ zu finden.

Das Interview führten Thomas und Gastschreiberin Jenny-Jen, als Fotograf war Christian im Einsatz.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Redaktion

Kommentare 19 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken