Neues vom Betzenberg

Queer Devils: Noch ein langer Weg zur Normalität

Der FCK zeigte sich in den letzten Tagen als toleranter, weltoffener und moderner Fußballverein. Präsident Stefan Kuntz stand dem ZDF Rede und Antwort zum Outing des Nationalspielers Thomas Hitzlsperger. Außerdem ist der homosexuelle Fanclub „Queer Devils“ schon seit Jahren beim FCK etabliert. Das Wochenblatt sprach mit dem Queer Devil Matthias Gehring, dem überall bekannten Gesicht mit dem roten FCK-Logo.

Wochenblatt: Das erste Outing eines Fußballprofis – Conny Littmann, Expräsident von St. Pauli, nannte es „einen Mut machenden Schritt“. - Wie überfällig war es?

Matthias Gehring: Die Zukunft wird zeigen, wie überfällig es war. Bis sich ein aktiver Profi outet, kann es noch mal Jahre dauern. Aber die Signalwirkung war wichtig, schließlich ist es immerhin ein Nationalspieler. Ähnlich wie Politiker, Musiker oder Schauspieler haben auch Fußballer eine Vorbildfunktion. Das beschleunigt Denkprozesse, auch nach unten und vielleicht outen sich Fußballer irgendwann schon in ihrer Jugend, vor der Karriere.

Wochenblatt: Was ein Hitzlsperger jetzt gewagt hat, hast du schon längst hinter dir.

MG: Ich muss erst einmal sagen, dass es mich für Hitzlsperger als Menschen total freut. Als ich 18 war, stand ich auch vor der Frage, ob ich mir den Stress des Versteckspiels weiterhin gebe. Diese Befreiung der Fesseln sollte man nicht unterschätzen. Und gerade bei den Fußballern gibt es da wirklich perfide Formen des Versteckspiels: In Holland existierten sogar Listen von Mietfrauen für schwule Profifußballer. Die Vereine haben den Spielern Frauen zugeteilt. Aus den Aussagen Hitzlspergers erkenne ich vor allen Dingen den Wunsch nach Normalität, nach einem Leben ohne Aufsehen zu erregen, damit er irgendwann Hand in Hand mit einem Mann durch die Stadt laufen kann und keiner davon mehr Notiz nimmt.
In der Fußballwelt gibt es aber leider immer wieder homophobe Äußerungen, gerade wenn es um das Beschimpfen des Schiedsrichters oder des Gegners geht.

Wochenblatt: Du stehst mit breiter Brust als Vorstand der Queer Devils in der Öffentlichkeit. Hast du anderen Fans schon geholfen bei ihrem Outing oder warst du Ansprechpartner für Fans mit Problemen?

MG: Beim Outing zwar nicht aktiv, aber unbewusst. Wir hatten ein Mitglied, das sowohl in der Familie als auch im Job sich nicht geoutet hatte. Er kam zwar auf unsere Feste, ließ sich aber nicht in der Öffentlichkeit mit uns sehen. Doch die Zeit mit uns war sein einziges unbeschwertes Freizeitvergnügen. Mittlerweile hat er keine Scheu mehr und kann mit dem Thema unverkrampfter umgehen. Ansonsten sind wir immer mal wieder Ansprechpartner für homosexuelle Fans.

Wochenblatt: Du kennst den Umgang der Fans auf dem Betzenberg mit den Queer Devils, wie schätzt du die Kurve ein bei einem eventuellen Outing eines FCK-Spielers? Und vielleicht noch wichtiger, den Umgang der Fans mit einem Gegner, der sich geoutet hat?

MG: Die Westkurve ist sehr facettenreich. Ich denke trotzdem, dass sie zunächst völlig unverkrampft auf das Outing eines FCK-Spielers reagieren würde. Die Frage ist aber, was in sportlich kritischen Situationen passiert, beim Nachlassen der Leistung. Da ist der Weg zu homophoben Äußerungen bei so manchem nicht weit. Zudem würde ich diese Frage nicht auf die Westkurve beschränken, die schätze ich toleranter als so manchen Tribünenplatz ein.
Beim Gegner kommt es auch sicherlich darauf an, welche Rolle der geoutete Spieler im Team spielt. Eine tragende Figur von Mannheim oder Mainz würde in Kaiserslautern anders behandelt werden als ein Auswechselspieler von Paderborn.

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Quelle und kompletter Text: Wochenblatt

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