Neues vom Betzenberg

"Hass wäre einem fast lieber"

Der 1. FC Kaiserslautern ist finanziell und sportlich ausgeblutet. Selbst seine einst berüchtigten Fans sind zu frustriert, um zu protestieren.

Man kann Kaiserslautern vieles nachsagen. Aber nicht, dass es eine großmäulige Stadt wäre. Vor der WM lobten alle deutschen Austragungsorte ihre Stadt in den höchsten Tönen. Nur die 100.000-Einwohner-Stadt in der Westpfalz verwies verschämt auf die Nähe zum Flughafen Frankfurt, außerdem sei man von Lautern aus ja "in weniger als vier Stunden in Paris". Bescheidenheit ist eine Zier: Viele Schlachtenbummler, Journalisten und Spieler äußerten sich nach der WM besonders lobend über Kaiserslautern. Hier sei die Atmosphäre am herzlichsten, seien die Fans am dankbarsten gewesen.

Kein Wunder, dass in der Unterführung zwischen Bahnhof und Betzenberg noch heute die Plakate von der WM 2006 hängen. Daneben Fritz Walter. Und ein deutsch-pfälzisches Versprechen, das im Kaiserslautern der Gegenwart wie blanker Hohn klingt: "Football's coming home" heißt es. Rechts nebenan ist der populäre Slogan in den regionalen Dialekt übersetzt: "Fußball kumt häm."

"Häm", das ist auch für Gerald alias Gerry Ehrmann, der Betze. Nach ein paar Jahren als Ersatztorwart hinter Harald "Toni" Schumacher in Köln zog es den passionierten Bodybuilder 1984 zum Betze, wo er zweimal Meister mit seinem FCK wurde. 292 Bundesliga- und zahlreiche Europacup-Matches bestritt er für die Pfälzer. Seit 1996 ist der 48-Jährige Torwarttrainer. Und der FCK trotz des jüngsten Siegs gegen Osnabrück auf einem Abstiegsplatz in Liga zwei.

Ehrmann war auch heute an diesem nebligen Herbsttag wieder vor dem ersten Spieler in der Umkleidekabine. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, selbst wenn der Stammtorwart Florian Fromlowitz mit der U21 in Tel Aviv weilt. Die derzeitige Situation macht Ehrmann zu schaffen: "Für mich ist das natürlich viel schlimmer als für manch anderen." Ehrmann mag gar nicht daran denken, was passieren könnte, wenn der Verein tatsächlich absteigt. Ein banger Blick zur Nordtribüne, die hier vor der Vereinsgaststätte aufragt: "Dann bricht hier alles zusammen."

Ehrmann versucht, seinen Torhütern die richtige Einstellung zu vermitteln. Dass sie für die Fans spielen, für die, denen der Verein mehr bedeutet als manchem, der hier schon sein Geld verdient hat: "Ich glaube, die verstehen, dass das hier kein Aktivurlaub ist, sondern richtig harte Arbeit - für die Leute, die hier herkommen."

Zu seiner Zeit, als der Betze noch brannte, hätte man nach einem schlechten Spiel den Samstag herbeigesehnt. Um alles wieder gutzumachen. Um zu erklären, dass das heute anders ist, sagt Ehrmann einen denkwürdigen Satz: "Der Hass fehlt heutzutage." Er wirkt nicht erleichtert. Im Gegenteil. "Hass wäre einem fast lieber. Manchmal hat man den Eindruck, als ob es den Leuten grad egal ist, was passiert."

(...)

Quelle und kompletter Text: Financial Times

Kommentare 40 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken