Ktown2Xberg hat geschrieben:
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe mich in den Betze verliebt, der seine Energie aus gelben Karten, Tritten an der Mittellinie und Rennen bis zum Atemstillstand gezogen hat...
Heute lässt sich keiner mehr überrennen. Und wer stupide anrennt, kann gar nicht so schnell gucken, wie einer der 6 defensiven Gegenspieler den Ball zurückschickt, um die 4 schnellen offensiven in die verwaisten Räume zu schicken. Wie gesagt, ich liebte das Hau-Drauf der 90er - aber wenn wir das auf dem Betze sehen wollen, dann müssen wir uns für eine nicht-professionelle Liga anmelden. Im bezahlten Fußball ist diese Zeit (leider) vorbei (die Engländer haben diese Diskussion über Jahre geführt, auch in der Premier League hat man irgendwann die Mischung aus Tradition und moderner Taktik gefunden). Deshalb ja auch der Jugendwahn. Deshalb denkt ein Metzelder mit 31 übers Karriereende nach, während ein 20jähriger Borysiuk die interessierten Vereine an der kurzen Leine hält: Um heute mitzuspielen, braucht es eine ganz andere taktische Ausbildung. Martin Amedick ist mMn der sympathischste Spieler gewesen, den wir in diesem Jahrtausend auf dem Betze gesehen haben - fußballerisch ist er ein Dinosaurier...
Wie heißt es jedoch so schön: Wenn eine Tür zu geht, geht immer woanders auch ein Fenster auf. Wir haben bereits ein paar kleine Kostproben erleben dürfen, was auf dem Betze mit modernem Fußball möglich ist. Siehe das 5:0 gegen Schalke; Magath ist ein Trainer, der sich seine Vorliebe für die Raute (that's so 2006...) im großen und ganzen noch leisten kann, weil er großartige individuelle Qualität einkauft. In dem Spiel hat Marco ihm jedoch gezeigt, was diese Qualität bringt, wenn 11 "schlechtere" Spieler optimal im Raum positioniert werden.
Worauf ich hinaus will: Nur weil wir mit Kratzen und Beißen alleine nicht mehr weiterkommen, ist der Betze noch lange nicht tot. Klar, zum modernen Fußball gehört auch mal der gepflegte Rück- oder Querpass (der dann möglichst nicht gleich ausgepfiffen werden sollte); dafür sind die für dieses System typischen überfallartigen Tempogegenstöße WIE GEMACHT für den Betze. Nur der spielbezogene Support muss sich an die Situationen, die diese Zeitenwende mit sich bringt gewöhnen und anpassen. Und wenn wir eine Mannschaft haben, die das spielen kann (Kurz und Kuntz scheinen die Entwicklung dahin voranzutreiben), DANN können wir auch wieder über eine gepflegte Grätsche am Mittelkreis reden. Mit Ariel haben wir da ja ein junges Talent
Wir befinden uns gerade in einem Übergangsprozess. Ich für meinen Teil bin mir sicher, dass wir alle mit unserem FCK noch viel Spaß haben werden - wenn wir die Geduld für eine Umstellung mitbringen. Der Sprung von Erich Ribbeck zu Löws Nutella-Zauberern ist auch nicht über Nacht gelungen...
Lieber Ktown2Xberg,
vielen Dank für die Darstellung Deiner Sichtweise, die ich in vielen Dingen teile, aber im konkreten Fall auch kritisch sehe.
Ich stimme Dir vollkommen zu, dass in der heutigen Zeit alleine durch Kratzen, Beißen und Treten kein Spiel mehr zu gewinnen ist. Dies hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass viel schneller Rot oder Gelb-Rot gezückt wird und es der Gegner systematisch darauf anlegt. Eben noch Schien- und Wadenbeinbruch, gelbe oder rote Karte, 10 Sek. später Vollspurt. Es gibt keine Mannschaft mehr, die leicht zu bespielen ist, da die Taktik viel weiter ist als noch vor Jahren. Das beweist die Buli Wochenende für Wochenende, wo jeder jeden schlagen kann. Oder die EL, wo Siege gegen transylvanische Dorfvereine für die vermeintlich Großen zum Kraftakt werden.
Abgesehen von der Tagesform ist es das System in Verbindung mit dem Spielermaterial, das über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Und da liegt mMn die Krux, warum ich auch Deine Ansicht, wir werden noch viel Freude am FCK haben, nicht teile. Die Personalpolitik deutete auf eine Abkehr vom standard- und flankenbasierten Torerfolg hin zum eher herausgespielten. Das ist dem Trainer in Einheit mit dem für die Tranfers zuständigen Vorstand bisher überhaupt nicht gelungen. Wir haben ja noch Zeit und die Neuen sind noch nicht integriert, magst Du vielleicht argumentieren, aber es zieht sich wie ein Faden durch die ganze Saison, dass es uns einfach nicht gelingt, egal welches System und Personal MK wählte, "geordnete" Torchancen zu kreieren. Standards, einst unsere größte Waffe, sind nur noch Rohrkrepierer, während Standards gegen uns mittlerweile ständige Gefahren darstellen. Wenn wir auch in der Balleroberung oft stark sind, machen wir uns diese Option direkt wieder zunichte, weil wir die Pille umgehend in die Füße des Gegners spielen. Gegenpressing ist gleichbedeutend mit Ballverlust.
Das kreide ich dem Trainerteam (wohlgemerkt ohne stupides "Trainer raus") an, dass es uns seit Saisonbeginn nicht gelungen ist, das auch nur annähernd abzustellen. Und ich sehe nicht, wie wir das noch schaffen wollen. Das System, um mit diesem Personal nicht nur Tore zu verhindern, sondern auch zu schießen, haben wir nicht gefunden. Weder im 4-5-1 noch im 4-4-2. DAS ist für mich der Punkt, der mich ratlos zurück lässt.
Hinzu kommt, dass unsere einstigen Außenspieler, Ilicevic und Sam, ja teilweise sogar Rivic, auch torgefährlich waren bzw. selbst den Abschluss gesucht haben. Das kannst Du bei Sahan und Fortounis vergessen. Da freust du Dich ja schon, wenn ein Eckball rausspringt, der, s.o., aber garantiert nichts einbringt, weil vielleicht ein "Dinosaurier" in der Mitte fehlt, der wenigstens köpfen kann.
Wie gesagt, ich gebe Dir in so vielen Dingen recht, aber das System muss zum Personal passen oder das Personal dahin entwickelt werden (können). Das sehe ich bei uns nicht und das liegt entweder an der Personalpolitik oder an der Tatsache, dass MK ein verändertes System nicht zu transportieren vermag (wahrscheinlich liegt die Wahrheit wieder einmal in der Mitte...). Ein Messi würde bei uns keine 5 Tore schießen, weil er immer im 2. Stock angespielt würde. Insofern ist Wagner wahrscheinlich die bessere Alternative, so lustig wie das klingen mag. Aber auch er war bisher die ärmste Sau, weil weder über Außen noch durch die Mitte jemand nachrückt, der Vorlagen gibt oder selbst einen gefährlichen Abschluss hat. Und das ist leicht auszurechnen und vom Gegner zu bespielen. Deshalb teile ich Deinen Optimismus leider nicht.
Das einzige, was mir Hoffnung macht, ist die Tatsache, dass Gladbach letzte Saison auch noch den Bock umgestoßen hat, obwohl nach dem Spiel gegen uns keiner mehr einen Pfifferling auf sie gegeben hat. Denen ging es dreckiger als uns jetzt, trotzdem haben sie es geschafft. Mangels Alternativen bin ich aber im Gegensatz zu Gladbach gegen einen Trainerwechsel, wenn es auch wohlweislich im Widerspruch zu meiner Analyse steht. Mir fällt niemand Passendes ein, der sofort hilft. Zudem wurde die halbe Mannschaft ausgetauscht, jetzt auch noch den Trainer auszutauschen wäre meines Erachtens zu viel ausgetauscht. Wie sollte sich dann noch eine Einheit finden, wenn sich neben 5 Spielern auch noch der Kopf der Truppe eingewöhnen muss?
Dies einzige Chance ist, dass es der Trainer endlich schafft, Passsicherheit zu erlangen und über die Spieler Angriffe in die Box zu kreieren. Mein Pessimismus überwiegt derzeit aber, obwohl wir objektiv genauso viele Punkte haben, wie zur gleichen Zeit in der Vorrunde. Wenn wir dann noch einmal 18 Punkte schaffen, ist das mindestens die Relegation. An mehr denke ich im Moment leider nicht...
