Wil Hegermeister hat geschrieben:
Kein Singsang mehr, der Teil des Problems Verwaltungsfussball ist.
Dem Satz kann ich mich gefühlt voll anschließen.
Das ist ein schwieriges, heikles Thema, finde ich. Weil die, die sich da die Seele aus dem Leib singen, geben ja tatsächlich alles. Für den FCK. Alles für den Verein. Überhaupt keine Frage. Aber in der Wirkung, auf das Geschehen auf dem Platz, kann das, scheint mir, leider immer wieder einschläfernd sein.
Jedenfalls ist das auch mein persönlicher Eindruck. Ich bilde mir ein, dass nicht wenige Spiele, gerade auch nach eigener Führung, die ja auch Kräfte freisetzt und Lust macht, zu singen, dann im Zuge dieses "Singsangs" zunehmend eingeschlafen - und irgendwann gegen uns gekippt - sind.
Auch, weil es ein bisschen die Dynamik aus der Atmosphäre des Spiels nimmt, wenn da so ein immer gleicher, schön harmonischer Klangteppich drüber gelegt wird. Das gibt es ja in der Musik und in der Tontechnik, z.B. beim Film auch, da gibt es Programme, die ganz gezielt alle extremen Ausschläge im Ton, extreme Höhen und Tiefen, extreme Lautstärke und Stille, runter bzw. hoch regeln, immer zur Mitte hin, damit das Ergebnis "runder" und gefälliger, auch irgendwie professioneller klingt. Aber das geht eben leider auf Kosten der Dynamik. In der Tontechnik wie auf dem Platz.
Ich hatte in der zuende gehenden Saison nicht nur einmal das Gefühl, dass erst die Führung des FCK fällt, dann der "Singsang" auf den gut gelaunten Rängen einsetzt - und sich so eine gewisse "Lalalalala, alles ist gut, lalalala, wir haben es im Griff..." Stimmung breit macht - und dann schläft irgendwann das Spiel auf dem Platz ein, jedenfalls das des FCK - und am Ende kippt das verdammte Spiel.
Das ist nicht als Schuldzuweisung gedacht. Wäre ja noch schöner. Siehe oben.
Die Frage ist nur: Hilft das, was da mit so viel Inbrunst daher kommt und so gut gemeint ist, der Mannschaft und unserem Spiel eigentlich - in genau dieser Form? Oder schadet es gar?
Grundsätzlich sollte, denke ich, auf dem Berg, anders, als im wahren Leben, schon gelten: Wer schreit, hat Recht!
Mein Kumpel Hansi nennt es gerne den "spielbezogenen Support". Also die Beobachtung des Geschehens auf dem Platz und dann sofortiges, lautstarkes Eingreifen bzw. "Anteilnehmen". Das ist oder war es wohl auch, was den Betzenberg in den großen Jahrzehnten des FCK so uneinnehmbar gemacht und ausgemacht hat und was tatsächlich nirgends im ganzen Land dermaßen wirkungsvoll und leidenschaftlich zu bestaunen und für den Gegner auszuhalten oder irgendwann eben nicht mehr auszuhalten war, wie genau dort.
Vielleicht kann man dorthin ja ein Stück weit zurückkehren. Auch heute. Gemeinsam.
Vielleicht würde es dabei helfen, auf das Anstimmen des einen oder anderen, eigentlich ja netten Singsangs, gerade in kritischen Situationen, aber auch nach einer 1-0 Führung des FCK, mal ganz gezielt zu verzichten - und so auch denjenigen, die das Talent haben, im richtigen Moment das Richtige zu schreien oder zu rufen, aus der Situation und der spontanen Emotion heraus, die Chance geben, damit dann auch gehört zu werden. Um so den Funken auch im Rest des Blocks und kurz darauf im ganzen Stadion überspringen zu lassen. Und was dann passieren kann, wissen, kennen und lieben wir alle. Betze pur.
Und vielleicht sollte man, nach dem Ende der Saison, mal eine kleine Umfrage unter unseren Spielern machen, mehr oder weniger anonym, aber schon systematisch und im Ergebnis transparent, intern, zumindest, welche Art von Unterstützung dem einzelnen Spieler subjektiv eigentlich hilft, was er ganz persönlich immer wieder als anspornend und ihm Kraft gebend wahrnimmt - und was vielleicht gar nicht so furchtbar hilfreich ist oder schlicht nicht wirklich ankommt. Auf dem Rasen. Die Jungs können es ja am besten beurteilen.
Aber wie gesagt: nach der Saison
Jetzt erst mal geschlossen, sei es ohne oder meinetwegen auch mit Singsang, die Alte Dame im Olympiastadion platt machen. Zum zweiten Mal, in dieser verrückten Saison.
Und dann sehen, singen und schreien wir weiter
