Beim 4:1 über den 1. FC Magdeburg zeigt der 1. FC Kaiserslautern eine seiner bislang besten Mannschaftsleistungen. Die noch nicht den Klassenverbleib garantiert, aber einen niederländischen Fußballweisen bestätigt.
In Fußball-Lehrbüchern findet sich häufiger ein Satz des Trainers Louis van Gaal. Der erfolgreichste Torschütze der deutschen Nationalmannschaft, der Ex-Lautrer Miro Klose, hat den Niederländer gerade erst vor ein paar Tagen in einem Interview als den fachlich besten Trainer bezeichnet, den er je hatte - die menschlichen Qualitäten stünden auf einem anderen Blatt. "Ich stelle nicht die besten Elf auf, sondern die beste Elf", sprach der "Tulpengeneral" einst.
Eine Aussage, die hervorragend auf die Formation zutrifft, die Lauterns Trainer Friedhelm Funkel bereits vor dem 3:1-Auswärtssieg gegen den Aufstiegskandidaten Holstein Kiel vor Wochenfrist gefunden hatte. Mit diesem 4:1 gegen 1. FC Magdeburg hat diese Besetzung sich nun eindrucksvoll bestätigt. Was nicht nur auf ein weiter zusammenwachsendes Mannschaftsgefüge zurückzuführen ist, sondern vor allem auch darauf, dass Einzelne ihre Leistung gegenüber der Vorwoche nochmal deutlich steigerten. An erster Stelle ist hier Almamy Touré zu nennen, der in der neuformierten Dreierkette in Kiel noch ein Unsicherheitssfaktor war, sich an diesem Samstagabend nun aber wieder als der ballsichere, souveräne Abwehrspieler präsentierte, der er in Bestform nun einmal ist.
So kann's gehen: MR7 startet wieder auf der Bank
Die beste Elf, aber nicht die besten Elf? Das ist vor allem auf Marlon Ritter gemünzt. Als Fußballer gehört MR7 zweifellos zu den Top 3 im Kader. Und als Leistungsträger war er über vier Fünftel der Saison wohl die konstanteste Kraft im Team - und jetzt, zum Saisonfinale, startet er nur noch von der Bank aus. Warum?
Eben, weil Funkel in seiner besten Elf auf Ritters Stammposition einen vorzieht, der von seiner fußballerischen Qualität her womöglich ebenfalls zu den besten Elf gehört, den im direkten Vergleich aber wohl kaum jemand vor Ritter sehen würde: Kenny Redondo. Der ragte am Samstagabend in der Rolle, die ihm der Coach zugedacht hat, in einer geschlossen stark auftretenden Elf sogar noch heraus. "Er hat gespielt wie immer, seit ich hier bin: gut", war Funkel auf der Pressekonferenz nach dem Spiel voll des Lobes.
Dass Redondo zudem mit der Kapitänsbinde auflief, passt gut ins Bild. Er trug sie, weil auch der etatmäßige Capitano Jean Zimmer aus der besten Elf weichen musste. Für ihn zackerte der wiederentdeckte Ben Zolinski 70 Minuten lang die rechte Außenbahn rauf und runter. Ebenfalls so bockstark, dass sich Zimmer für den Rest der Saison möglicherweise auf Kurzarbeit einstellen muss.
Kein Zehner, sondern Pressing Leader: Redondo überragt
Mit "Zehner" ist Redondos Part im übrigen nur schlecht beschrieben. Redondo ist der "Pressing Leader", der sich im Spiel gegen den Ball sogar noch vor die beiden Spitzen schiebt und regelrechte Hetzjagden auf die ballführenden Abwehrspieler des Gegners veranstaltet. Die Heatmap, die wir von "Sofascore" entlehnt haben, gibt einen ungefähren Eindruck von seinen bevorzugten Aufenthaltsgebieten während der Partie. Ein klassischer "Zehner" würde sich in diesen Zonen normalerweise nicht schwerpunktmäßig aufhalten.
Die Diskussion um die besten Elf könnte jetzt noch weitergeführt werden. Da würden auch Namen wie Philipp Klement oder Aaron Opoku fallen. Hinter denen stecken aber andere Geschichten. Würde jetzt zu weit führen.
Ausgerechnet Magdeburg: Warum das so gut passt
Spannend auch, dass der 1. FC Kaiserslautern diese Big Points gegen den 1. FC Magdeburg einfuhr. Vielleicht kein Angstgegner, aber doch einer, mit dem die Roten Teufel bei den früheren Begegnungen nur mäßig bis gar nicht zurechtkamen. Und der im übrigen auch in dieser Partie mehrmals andeutete, dass seine Offensivbesetzung in der Lage ist, der Lautrer Hintermannschaft schwer zuzusetzen.
Mittelstürmer Luca Schuler etwa prüfte FCK-Keeper Julian Krahl nach einer in typischer FCM-Manier vorgetragenen Umschaltaktion bereits nach einer Minute. Und auch sonst war das Gäste-Team besser im Spiel, als das Endergebnis es ausdrückt. Nicht umsonst empfand es selbst Friedhelm Funkel hinterher als zu hoch.
Spannend war das Treffen mit diesem Gegner auch vor dem Hintergrund des abstrusen Zwists, den Betze-Trainer Funkel und "Kicker"-Journalist Moritz Kreilinger sich unter der Woche geliefert hatten. Abstrus deshalb, weil faktisch beide Recht haben mit ihren beiden Darstellungen: Unterm Strich haben die Betze-Buben in dieser Saison die meisten ihrer gewonnenen Spiele mit einer Dreier-Abwehrkette bestritten. Sie haben mit dieser Formation allerdings auch die meisten verloren.
Vierer- oder Dreierkette? Ist doch gar nicht so wichtig
Funkel hat insofern Recht, als dass solche Kettendiskussionen einfach nur müßig sind. Selbst gegen den gleichen Gegner kann von Spiel zu Spiel mal die Vierer-, mal die Dreierkette die bessere Lösung sein. Es gibt kein per se überlegenes System.
Und das wiederum lässt sich an keinem Kontrahenten besser belegen als am FCM. Vergangene Saison gelang es dem FCK in der Hinserie, aus einem 1:3-Rückstand eine 4:3-Führung zu machen, die schließlich in ein spektakuläres 4:4 mündete. Dabei erwies es sich als hilfreich, dass der damalige Coach Dirk Schuster im Lauf der Partie seine Vierer- zu einer Dreierkette umformiert hatte. Im Rückspiel begann der FCK mit Dreierkette, lag nach 60 Minuten chancenlos 0:2 zurück und kam erst ein wenig auf, als er wieder auf Viererkette umstellte, wenn auch erfolglos. Im Hinspiel dieser Spielzeit versuchten es in die Interimstrainer Oliver Schäfer und Niklas Martin durchgehend mit Dreierkette und verloren ebenfalls schmucklos mit 1:4.
Jetzt also ein eminent wichtiger Sieg über Magdeburg mit der Dreierkette. Welche die Rolle die Formation dabei spielte? Keine wirklich wichtige. Sie hat sich einfach als die beste für die beste Elf herausgestellt. Als Funkel die Mission Abstiegskampf vor dem 22. Spieltag übernahm, entschied er sich zunächst für die Viererkette, weil diese von deutschen Fußballprofis in der Regel am schnellsten und leichtesten verinnerlicht wird So ungefähr hat er es übrigens auch mal auf einer Pressekonferenz ausgedrückt.
Zumal diese Ordnung, und das ist die eigentlich hohe Kunst, im Eifer des Gefechts nicht starr gehalten wird. Der zentrale Innenverteidiger Boris Tomiak schob sich, wie schon in Kiel, situativ immer mal ins Mittelfeld. Was jetzt auch nicht innovationspreisverdächtig ist. Das tun in der Liga etwa auch Eric Smith beim FC St. Pauli oder bei Magdeburg aktuell Daniel Elfadli. Und Trainer Marco Antwerpen hat schon zu Drittliga-Zeiten des FCK zeitweise Felix Götze zwischen zentraler Innenverteidigung und Mittelfeld switchen lassen. Ist also nichts Neues.
So geht Fußball: Die Tore und ihre Geschichten
Genug gefachsimpelt, widmen wir uns lieber dem Salz der Suppe: den Toren. Auch die erzählen aufschlussreiche Geschichten.
Treffer Nummer 1: Wir haben es wirklich schon oft genug geschrieben. Einwürfe sind Standardsituationen, denen viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. 15. Spielminute: Tymo Puchacz schleudert den Ball in den Strafraum. Der in dieser Saison bislang hochgelobte Rechtsverteidiger Herbert Bockhorn verlängert ebenso unfreiwillig wie fatal in der Mitte, Daniel Hanslik bedankt sich mit einer Direktabnahme - drin. Verständlich, dass FCM-Christian Titz angesichts dieses Abwehrbocks hinterher leicht depressiv wirkte. Zumal es nicht der einzige dieser Art war, den sich sein Team leistete.
Treffer Nummer 2: Interessant - Magdeburgs Keeper wuchtet einen Abschlag weit in die Lautrer Hälfte. Deren Hintermannschaft klärt zunächst schlecht, der Ball landet bei FCM-Stürmer Bryan Teixeira. Aber Puchacz ist sofort zu Stelle, spitzelt das Leder zu Touré und startet sofort durch. Touré setzt den linken Außenbahnspieler direkt wieder ein. Gleiches tut Redondo, den der Pole anspielt, und anschließend begibt sich der Linksfuß auf einen langen Marsch bis fast an die gegnerische Grundlinie, ehe er flach in die Mitte spielt. Ragnar Ache verpasst, Hanslik ist erneut zur Stelle. Schön für den ebenfalls wiedererstarkten Doppelpacker, aber festzuhalten ist der lehrbuchmäßig vorgetragene Konter. Ach so, heute sagt man dazu ja "Umschaltaktion".
Treffer Nummer 3: Diesmal beweist Hanslik, dass er gar nicht mal seiner Torjäger-Qualitäten wegen von Funkel als "echter Betze-Spieler" geadelt worden ist. Er hetzt in Redondo-Manier hinter Daniel Heber her, der den Ball aus der Innenverteidigung über die Mittellinie führt. Dort spitzt er ihm den Ball weg. Filipp Kaloc übernimmt, spielt den in die Mitte eingerückten Zolinski an. Der passt halblinks vor der Sechzehner, wo Redondo sich das Leder auf seinen starken linken Fuß legt und abzieht - 3:0. So geht Umschalten nach frühem Ballgewinn.
Magdeburgs Gegentreffer: Die Lautrer Hintermannschaft pennt ähnlich wie der Gegner vor der FCK-Führung. Die Gäste führen eine Ecke kurz aus, und der eingewechselte Alexander Nollenberger darf sich ewig Zeit lassen, auf Heber zu flanken, der auf 3:1 verkürzt. Was soll das? Funkel gibt hinterher zu, dass ihn dieser Treffer nochmal nervös gemacht hat. Verständlich, den man hat schließlich schon einiges erlebt in dieser Saison.
Treffer Nummer 4: Der rechte Innenverteidiger Touré flankt, der linke Innenverteidiger Jan Elvedi vollstreckt in Mittelstürmer-Manier. Häh? Galt es nicht gerade, ein 3:1 über die Zeit zu bringen - und in dieser Situation leben die Abwehrspieler ihre Angriffsgelüste aus? Ist das nicht unverantwortlich disziplinlos?
Ist es nicht. Der eingewechselte Ritter hatte gerade einen indirekten Freistoß ausgeführt. Und zu solcherlei dürfen die kopfballstarken Mitspieler nunmal in den gegnerischen Strafraum einrücken, hinten sichern die kleiner gewachsenen ab. Darum waren die beiden vorne. Weil ihre Teamkollegen sich den zu kurz abgewehrten Ball gleich wieder zurück erobert hatten. Sowas nennt man erfolgreiches Spiel auf die zweiten Bälle.
Und zum Schluss noch ein bisschen Mahnung
Soderle. Genug gefeiert? Dann sei zum Schluss noch die mahnenden Worte des Trainer-Veterans erinnert. Durch sei man mit diesem Sieg nämlich noch immer nicht. Vergessen wir nicht: Der Mann hat schon einiges erlebt.
Außerdem muss der FCK im nächsten Spiel bei Hertha BSC Filipp Kaloc ersetzen, der seine fünfte Gelbe Karte sah. Die beste Elf muss also verändert werden. Und hat wieder ein Problem auf der Sechs, nachdem bekanntlich auch der abwandernde Julian Niehues bis Ende der Saison ausfällt. Vielleicht hat Funkel schon mit Blick darauf Afeez Aremu noch drei Minuten Einsatzzeit gegönnt. Viele weitere Alternativen hat der Kader nämlich nicht mehr im Angebot. Eher wahrscheinlich dürfte aber sein, dass der vor zwei Wochen zumindest auf dieser Position nicht so überragende Marlon Ritter wieder in die Startelf rückt.
Schließen wir mit einem weiteren Satz Friedhelm Funkels: Seine Mannschaft habe "über den Kampf zum Spiel gefunden", gab er hinterher noch zu Protokoll. Eine Weisheit, die vermutlich schon im Neandertal in eine irgendeine Höhlenwand geklopft worden ist. Aber wir notieren, auch mit Blick auf den 70-jährigen Übungsleiter: Nur weil's alt ist, muss es nicht verkehrt sein.
Nicht die vielen, sondern die entscheidenden Zweikämpfe entscheiden
Zu den Grafiken: Dass nach einem 4:1 auch die xG-Timeline deutlich ausfällt, dürfte nicht weiter überraschen.
Die Positions- und Passgrafik des FCK: Der wichtigste Aufbauspieler aus der Abwehr heißt - Almamy Touré. Das könnte, das sollte seine Rolle für die Zukunft sein.
Die Passmap des 1. FC Magdeburg: Ja, die können Fußball spielen. Auch in dieser Partie verzeichneten sie wieder 61 Prozent Ballbesitz.
Und zum Schluss wie üblich die Duell-Übersicht. Wir erkennen: Unterm Strich erscheint Lautern gar nicht so gut in den Zweikämpfen. Christian Titz brachte es treffend auf den Punkt. "Wir haben viele Zweikämpfe gewonnen, aber wir haben entscheidende Zweikämpfe nicht konsequent geführt."
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage