Ktown2Xberg hat geschrieben:
Auch viele Kritiker werfen Runjaic doch nicht vor, dass man nie mit ihm hätte aufsteigen können - sondern dass er, als er uns an die Türschwelle geführt hatte, nicht die Mittel gefunden hat, durchzugehen.
Mangelnde Flexibilität bzw. Sturheit oder Eitelkeit und Fehleinschätzung der Realität muss man ihm vorwerfen. Tatsächlich standen wir kurz vor Torschluss an der Türschwelle, doch statt den endgültigen Schritt zu vollziehen, drehten wir dort ungelenke Pirouetten und balancierten auf ihr unnötigerweise wie auf einem Drahtseil immer mehr aus dem Gleichgewicht geratend in brotloser Kunstfertigkeit hin und her, bis uns die Anderen die Tür vor der Nase zu schlugen. Runjaic, der Trainer mit den zwei Seiten oder zwei Gesichtern, wie in der Novelle "Dr. Jekyll und Mr.Hyde".
Dabei lief es lange Zeit sehr gut für uns. Dr. Jekyll Runjaic hatte ein System und einen Stil entwickelt mit dem wir in der Hinrunde der vergangenen Saison den Anderen weit voraus schienen. In vielen Spielen überlegen, teilweise sogar krass überlegen ( FSV, Union, KSC ), allein die Chancenverwertung entsprach nicht dem ansonsten gebotenen hohen Niveau. Mit einem Knipser oder mit etwas mehr Fortune im Abschluss und weniger Fehlentscheidungen der Schiedsrichter wäre der Aufstieg nur eine Formsache gewesen.
Allerdings verfügte er in der Hinrunde auch über ein systemadäquates Spielermaterial. Die Leihspieler Stöger, Younes und Demirbay, dazu Matmour und ein formstarker Ring überzeugten im Mittelfeld durch Technik und Spielintelligenz, ergänzt von einem laufstarken, dynamischen und rotzfrechen Jean Zimmer. Mit diesen Spielern kombinierten wir uns teilweise bis an den Fünfmeterraum, allein die Effizienz ließ zu wünschen übrig.
Im Laufe der Rückrunde gingen die spielerischen Elemente sukzessive immer mehr verloren, weil ein Ring nach seiner Verletzungspause nie mehr zu seiner Form zurückfand, Zimmer unter dem ansteigenden Druck seine Unbekümmertheit verlor und weil die Leihspieler mit ihren Gedanken und Herzen bereits woanders waren, was sicherlich auch auf die wechselwilligen Heintz und Orban zutraf.
Nun offenbarte sich die zweite, bisher verborgen gebliebene und schlechte Persönlichkeit von Runjaic. Mr. Hyde kam zum Vorschein. Mit einer geradezu stoischen Gelassenheit und Sturheit übersah er die Erfordernisse der Situation, blieb bei seinem System, obwohl seine Spieler immer weniger die Voraussetzungen dafür erfüllten und erlebte sein Waterloo in jenem denkwürdigen desaströsen Saisonfinale. Dabei hätte man die Trümmertruppen aus Aue und St. Pauli mit Kampf, Laufbereitschaft und Leidenschaft ohne weiteres niederringen können. Grob fahrlässig wurde auf diese Mittel verzichtet.
Wer nun glaubte, Runjaic müsse doch aus dem Debakel die richtigen Schlüsse gezogen haben, der sah sich bereits zu Beginn der neuen Saison eines Besseren belehrt. Mr. Hyde blieb am Ruder. Krampfhaft, mit maßloser Überschätzung des Kaders und seiner selbst hielt er an seinem System fest und trieb damit seine Spieler in die völlige Überforderung und Verzweiflung. Wie eine Befreiung wirkt die Aussage von Vucur, dass er nun froh sei, eine Situation mit einem simplen Befreiungsschlag lösen zu dürfen, statt spielerisch an ihr zu Grunde zu gehen.
Das System von Runjaic war zum Schluss überreglementiert und zwang die Spieler in ein taktisches Korsett, welches sie nicht nur überforderte, sondern ihnen darüber hinaus noch jegliche Luft zum Atmen nahm und jede Kreativität im Keim erstickte.
Fünfstück macht bisher nichts anderes, als das Team daraus zu befreien, ihm den bitter benötigten Sauerstoff zum Leben zuzuführen und so das Feuer der Leidenschaft wieder neu zu entfachen. Und er täte gut daran, der Mannschaft ein taktisches System und einen Stil zu verpassen, der dieses Feuer noch lange am Leben erhält, indem er es ins Zentrum seiner Überlegungen rückt. Back to the Betze-Roots. Schon die Höhlenmenschen organisierten ihr Leben um das Feuer.
Wir bedanken uns also bei Dr. Jekyll und wünschen Mr. Hyde die Pest.