Schon vor Jahren eine ausformulierte Hommage an ein Unikat, welches so nie wieder nachproduziert wird:
"Tja, wohin mit dieser Legende, die wir leider alle nicht mehr live begutachten durften? Dieser Mann, der unter Garantie mehr Nennungen als Lieblingsspieler, in Zitatrubriken und in Gruppenlisten aufwiese, wenn er 20 Jahre später gegen das runde Leder getreten hätte, passt sowohl hier hinein als auch in die Kategorien des Kultkickers, Säufers und Nikotinfreundes.
Und rumms. Zum wiederholten Male hatte Tomasz Hajto an diesem 8. Mai 1999 im Dress des MSV Duisburg einen Schalker Gegenspieler per Fluggrätsche wie einen entflohenen Handtaschendieb niedergestreckt. Schiedsrichter Franz-Xaver Wack hielt ihm eine Gelbe Karte unter die Nase, bereits seine 15. im 28. Saisoneinsatz. Leverkusens Ulf Kirsten wird sich in diesem Moment vermutlich den Angstschweiß von der Stirn gewischt haben, schließlich hätte er eine Woche später das zweifelhafte Vergnügen gehabt, Hajtos Attentaten ausgesetzt gewesen zu sein. Doch griff nun die Genfer Konvention des deutschen Fußballrechts, die Sperre nach jedem fünften gelben Papier. Hajto brummte am darauffolgenden Samstag tief in eine grüne Sitzschale der BayArena gedrückt die Sanktion ab, ließ es sich aber nicht nehmen, am letzten Spieltag noch ein sechzehntes Mal nonchalant gelbwürdig auszuteilen und damit einen Bundesligarekord aufzustellen.
Einen ähnlichen Fall von Gelbsucht legte vor ihm lediglich ein Mann an den Tag, dem Ulf Kirsten über zwanzig Jahre später indirekt seine körperliche Unversehrtheit verdankte - erst unter dem Eindruck von seinen 27 Verwarnungen aus 37 Zweitligaspielen führten die DFB-Entscheidungsträger zur Saison 77/78 die Gelbsperre ein. Die Rede ist vom ehemals am Millerntor und am Betzenberg in Lohn und Brot stehenden menschlichen Bolzenschussapparat WALTER FROSCH.
Der modische Schnauzbart des blutrünstigen Mannes mit der linken Ausbeinsichel verströmte stets ein unheilvolles Aroma von Restalkohol und 60 Lungenbrötchen, die sich Frosch täglich ansteckte. Spürte ein entwischter Stürmer dieses Bouquet in seinem Rücken näherkommen, war es meistens bereits zu spät - der nächste Geruch, den der bedauernswerte Angreifer in der Regel wahrnahm, war der der Gummibeatmungsmaske im Krankenwagen.
Auch abseits des Platzes war Walter Frosch stets für Raubbau am menschlichen Körper zu haben, allerdings vornehmlich am eigenen. Sein Trainer zu Kaiserslauterer Zeiten, Erich Ribbeck, hatte frühzeitig bekannt "Wenn Sie solider leben würden, könnten Sie viel höher spielen!". Frosch selber beschrieb einmal eine Episode, in deren Verlauf er am Vorabend eines Spiels gegen den FC Schalke "nur zwei, drei Ouzo mit Freunden beim Griechen trinken" wollte. Es folgten weit mehr Anisschnäpse, um drei Uhr eine Fahrt ins Clubhaus und um fünf Uhr ein von Frosch selbst initiierter 400-Meter-Lauf um ein 10-Liter-Fass Bier. Der tapfere Sportsmann gewann das Rennen, obwohl er seinen Kameraden 100 Meter Vorsprung gewährt hatte.
Acht Stunden später erschien er sichtlich angeschlagen zum Treffpunkt. Frosch: "Als Ribbeck meine roten Augen sah, sagte ich: Bindehautentzündung. Dann musste ich gegen Erwin Kremers spielen, der war ja nicht langsam. Und Nationalspieler. Den habe ich am Anfang dreimal über die Bande gehauen, dass da Feierabend war. Nach 18 Minuten wurde er ausgewechselt. In den letzten zehn Minuten bin ich noch fünfmal nach vorne gelaufen, habe immer geschrien, dass ich den Ball haben wollte, und war froh, dass ich nicht angespielt wurde. Die Fans waren begeistert. Standing Ovations, Froschi bester Mann. Ribbeck meinte hinterher: Na ja, von Ihrer Bindehautentzündung hat man ja nicht viel gemerkt."
Der talentierte Kettenhund brachte es insgesamt auf nur 61 Einsätze im Oberhaus des deutschen Fußballs. Dennoch erkannte Jupp Derwall das Potential des trinkfreudigen Verteidigers und lud ihn gar zu einem Lehrgang der B-Nationalmannschaft ein, was Frosch allerdings mit den knappen Worten "Ein Frosch spielt nur in der A-Mannschaft oder der Weltauswahl" abschlägig beschied.
Wenig später folgte das Aus. Als der immer adrett coiffierte Ribbeck dem Lebemann Frosch nahelegte, sich doch endlich mal die Haare zu schneiden, raunzte der zurück "Ich dachte, es geht hier um Leistung und nicht um die Frisur". Falsch gedacht. Frosch bekam keinen neuen Vertrag in Kaiserslautern. Stattdessen nutzte er die Gunst der Stunde, heuerte beim FC St. Pauli an und machte sein Hobby gleich zum Zweitberuf, indem er eine Kneipe eröffnete, die er bis heute betreibt.
Als Walter Frosch nach sechs Jahren auf dem Kiez als strahlende Legende Schluss machte, atmeten ganze Sturmreihen in Deutschland hörbar auf. In der Folge trat er bei vielen Benefizspielen auf und verdingte sich in Interviews als Sprachrohr einer alten Fußballergeneration, wenn er medienwirksam im Hamburger Abendblatt die Jungprofis geißelte: "Und heute habe ich das Gefühl, die sind alle irgendwie gleich. Handy, Golf GTI, Surfbrett oben drauf, "Playboy" hinten drin, Lacoste-Pulli, oder wie das Zeug heißt - alle gleich. Alle frisch gestylt - und bei Windstärke 4 fallen sie um. Da kommt ja so 'n Spezialist" - gemeint war der damalige Jungkeeper Carsten Wehlmann - "Da geht das doch schon los, halb eins war Treffpunkt...!"
Erst seine fünfte Krebsoperation brachte ihn dazu, sein liebstes Hobby, das intensive Studium der Wirkung von Tabak und Nikotin auf den menschlichen Organismus, zwangsläufig an den Nagel zu hängen. Dass ihm das nicht leichtfiel, gab er in einem Interview mit der Bildzeitung zu, der er treuherzig offenbarte "Ihr könntet mir das Mädchen von Seite 1 nackt auf den Bauch binden. Ich würde sie sofort gegen eine Zigarette eintauschen" und zur Sicherheit noch einmal zusammenfassend bekannte "Ich würde lieber eine rauchen als vögeln".
Wenige Monate vorher hatte er noch mit Glimmstengel im Stutzen beim Abschiedsspiel von Klaus Thomforde auf dem Rasen vom Millerntor gestanden, während Walter Eschweiler über Frosch zu Protokoll gab "Das ist ein ganz anständiger Junge, ich kenn ihn jahrelang, er hat immer sauber und fair versucht zu spielen" (
http://www.youtube.com/watch?v=EqekSuj5HCo)
Manchmal zählt eben auch der Versuch.
Großer Mann, und sehr schade, dass wir ihn nicht live beim Schlachten und Ausblutenlassen des direkten Gegenspielers miterlebt haben.
Viel Spaß da oben, Froschi!"