Hallo playball,
freut mich, dass du meine Sachlichkeit schätzt, geht mir bei dir genauso! Dass wir nicht immer einer Meinung sind, ist ja auch nicht schlecht. Wäre ja schlecht, wenn es nur Einheitsbrei gäbe...
- Schnelleres und athletischeres Spiel heute: Die Spieler rennen sehr wohl schneller als früher. Waren es früher vielleicht ein bis zwei Spieler pro Team, die auf 100 m unter 12 Sekunden blieben, so ist das heute in einer durchschnittlichen Profimannschaft die Hälfte (außer bei uns letztes Jahr). Du glaubst mir nicht? Sieh dir mal das WM-Finale '74 an, das für damalige Verhältnisse als schnell galt, und dann schau dir mal das EM-Spiel Portugal-England von 2004 an. Das sieht aus, als ob bei der EM Zeitraffer eingeschaltet wäre. Und grade die Portugiesen spielen beileibe kein "Hoch-und-Weit" der Marke Lembi, sondern schnelles gepflegtes Kurzpassspiel, ähnlich Holländer und Tschechen (s. auch Vorrundenspiel dieser beiden Teams bei der gleichen EM).
Ähnlich verhält es sich mit der Athletik. Der Fall Briegel, immerhin Zehnkämpfer, ist die absolute Ausnahme für die damalige Zeit. Nenne mir nur einen weiteren Kicker der damaligen Zeit, der auch nur im entferntesten so athletisch war wie Briegel. Heute hast du in jedem Team gleich zwei bis drei solche Spieler (bei uns sind da Ouattara und Bouzid zu nennen z.B., nur dass sie nicht ganz so schnell sind wie H.-P.), der Rest ist auch nicht viel schwächer auf der Brust (gut, Reinert und Halfar vielleicht, das sind zwei Hemdchen). Ich finde, dass sich da zu den Siebzigern und sogar Achtzigern schon einiges geändert.
- Manndeckung/Systemfragen: Bei deinem Beispiel Hajnal vergleichst du aber Abwehrtaktik mit Mittelfeldtaktik. Sicher, Hajnal wird aus dem Spiel genommen, aber von einer
Nummer 6, nicht von einem Abwehrspieler. Dass dies nach wie vor ein adäquates Mittel ist, den Motor des Gegners zum Stottern zu bringen, das habe ich nie bezweifelt hier.
Doch zur Manndeckung in der Anwehr: Rochierende Stürmer bedeuten, dass der Abwehrspieler immer hinterher läuft bei sturer Manndeckung. Damit ist der Abwehrspieler letzten Endes immer hinten dran, sieht mehr die Hacken als den Gegner.
OK., das müssen halt dann die Stürmer auch können. Klose und Poldi haben es bei der WM vorgemacht, wie es möglich ist, eine defensiv spezialisierte Abwehr wie die Schweden im Alleingang auszuhebeln. Und auch gegen sehr defensive Polen haben sie riesige Chancen herausgespielt (nur nicht genutzt). Hier brauchts eben genauso flexible Stürmer wie in der Viererkette flexible Abwehrspieler. Der Nachwuchs spielt das auch schon ganz gut. Das Problem sind die Älteren, die noch eine andere Fußballschule genossen haben (z.B. Auer)...
Du schreibst wörtlich: "Mit der Erklaerung der Viererkettehast Du Recht, dass ich flexible Spieler brauche. Nur hab ich von denen auf der Welt noch kein Dutzend und eine Mannschaft braucht Jahre, bis sie aufeinander abgestimmt ist. Das ist wie der Kommunismus. Ein theoretisches Modell, dass nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen funktionieren kann."
Falsch. Ein Müller in der Form der Vorrunde, Beda und Bouzid in der Mitte und Schönheim links: mit dieser Aufstellung waren wir so gut, dass wir wochenlang kein Tor kassiert haben. Und nach der Hinrunde die beste Abwehr aller deutschen Profiligen hatten (man denke an das letzte Erstligajahr...). Wir brauchen in Liga Zwei keine Weltklassespieler für die Viererkette, dort gibt es ja auch keine Weltklassestürmer. Und Gegentore kassiert man auch mit dem alten System, das andere Schwächen hat, aber eben auch Schwächen (zu unflexibel bei Sturmreihen wie die des KSC, mit extrem rochierenden Kapllani und Freis). Aber ein Schönheim ist eben schon notwendig, weil weder Vignal noch Bellinghausen defensiv stark genug sind. Ein fitter Müller wäre ausreichend für Liga Zwei, allein da fehlts momentan bei ihm offenbar.
Du meinst, Beda eigne sich zum Libero? Beda ist in meinen Augen ungeeignet. Viel zu leise auf dem Platz für die Kommandos. Und Mängel im Spielaufbau. Auf einen guten Pass kommen drei schlechte. Ich halte Bouzid für besser. Der ist Nordafrikaner, der hat Feuer. Er ist aber auch nicht ideal, auch wegen des Spielaufbaus, da nehmen sie sich nicht viel. Trotzdem würde ich Bouzid für den Einäugigen unter den Blinden halten.
Ich würde ja aber auch nicht mit Libero spielen. Und nein, in der Dreierkette nenn ich den zentralen Mann nicht Libero. Der Libero ist ein freier Mann (wie uns der Name schon sagt) und steht nicht auf einer Linie mit seinen Manndeckern, sondern etwas davor (offensiv im Aufbauspiel idealerweise) oder dahinter (wenn der Gegner kommt). Der zentrale IV der Dreierkette hat dagegen Deckungsaufgaben. So definiere ich das jedenfalls.
Aber gut, hol mir einen Typ Sammer und ich lasse mit mir reden wegen eines Liberos. Den hats aber so niregnds mehr gegeben nach seinem Karriereende. Kadlec war vielleicht vergleichbar, früher Baresi und Kaiser Franz, sonst niemand. Bei uns schon gar nicht, auch nicht Ottos Pyramiden.
Doch zurück zur Viererkette: Auch die Viererkette ist knallharte europäische Taktik (Holländer als erste, von den Franzosen perfektioniert, ja vor allem '98, aber auch 2006 war das riesig!). Eine Taktik, an der sich die Brasilianer die Zähne genauso ausgebissen haben bei den Franzosen wie wir bei den Italienern. Dort spielen eben Könner. Ja, auch Sagnol ist einer! Zumindest, wenn er gut drauf ist. Bei der WM war er ganz stark und eben nicht nur draufkloppend wie bisweilen in seiner Bayern-Zeit und so daneben wie momentan.
- Genialer Mittelfeldspieler: Kein Team macht sich mehr dermaßen von einem einzigen "Alleskönner" abhängig, wenn es geht (gut, wenn man einen solchen hat, dann ist das natürlich auch nicht schlecht

). Das war auch mit ein Grund, warum die Brasilianer so früh rausgeflogen waren: Alleskönner Ronaldinho war außer Form. Zidane war für mich der letzte wirklich große Spieler auf der "10"; wie der noch mal aufgespielt hat letztes Jahr, das war Weltklasse! Einer, der immer da war, wenn er gebraucht wurde (Ausnahme: die Verletzung bei der WM 2002).
Hajnal hat/te auch seine Geistesblitze. Leider steht er momentan neben sich. Vielleicht sollte er sich mal mehr damit beschäftigen, was mit dem FCK möglich ist, wenn man aufsteigt, als mit anderen Vereinen, zu denen man wechseln kann.
Hajnal hat aber auch viele Vorteile gegenüber anderen Spielmachern: er ist schnell, er kämpft um jeden Ball. Ein Bein, ein Wuttke, ein Marcelinho, die haben nur gekämpft, wenn sie Lust hatten. Das geht heute nicht mehr. Selbst ein Ronaldinho geht auch mal zur Sache, Musterbeispiel Zidane (leider) sogar noch weiter. Von Fritz Walter will ich gar nicht anfangen. Selten waren Genialität und Bodenständigkeit auf dem Platz so sehr vereint wie bei ihm. Klose, der beste auch nach hinten kämpfende Stürmer, den ich bis jetzt erleben durfte, kommt da vielleicht ansatzweise dran. Wenn du chronisch ein Mann weniger bist als der Gegner und nur darauf hoffst, dass dein genialer Mann einen eben solchen Einfall hat, dann wird das nie reichen. Sind wir schließlich mit Wuttke Meister geworden, oder die Frankfurter mit Bein, die Herthaner mit Marcelinho?
- Thema Feldkamp: schau mal das Ende der Feldkamp-Ära '78-82 an, wie die Mannschaft da war. Und vor allem danach, das Vakuum, was dann kam. Oder wie es dann unter Zobel kam (den ich bei weitem nicht so schlecht sehe wie viele hier, hat der doch Rausch ein funktionierendes Team hinterlassen und es mit der ausgebrannten Truppe von Kalli nicht einfach gehabt).
Zu Toppi sage ich nichts mehr weiter. Zu ihm habe ich meine Meinung schon oft genug ausgebreitet. Den Heilsbringer sehe ich in ihm jedenfalls nicht. Auffällig ist aber bei Toppi zumindest, dass er dieses HSV-Phänomen auch gleich noch bei drei weiteren Teams hatte: Frankfurt, Bochum, Leverkusen...
Von Daher: ein Trainer nur für zwei Jahre? Um aufzusteigen, eine gute Saison oben zu haben und dann gleich wieder in Liga Zwei zu marschieren? Nä, da spiele ich lieber etwas schlechter, aber konstant in Liga Eins um den 9. Platz herum. Mit Potential nach oben, halt so wie früher auch.
- Thema Außendarstellung: du hast schon Recht. Uns Fans schockt so leicht nix mehr. Aber dass eine solche Situation und noch mehr eine solch schlechte Presse die Spieler nicht gerade dazu motivieren dürfte, noch mal alles aus sich raus zu holen, da dürftest du mir doch zustimmen, nehme ich an? Mich würde das jedenfalls verunsichern, wenn in der derzeitigen Situation mein Trainer entlassen würde.
Und zum Beispiel Berger: zwar wurde der UEFA-Cup dann noch gewonnen unter Stevens, dafür rutschte man in der Tabelle weiter ab. Außerdem gab es da ganz persönliche Gründe für den Rausschmiss, Erfolglosigkeit oder Taktikmängel, wie du z.B. Wolf vorwirfst, und auch die Angst davor, noch überflügelt zu werden, reichen m.E. bei diesem Tabellenstand nicht aus für eine Entlassung.
- Junger Trainer: Sehe ich anders. Klopp bei Mainz macht es uns doch vor, wie man mit modernem Fußball auch als junger Trainer Erfolg haben kann. Relativ betrachtet ist die mittlerweile jetzt dreijährige Erstligazugehörigkeit der 05er doch mindestens ein gefühltes Double oder eine Titelverteidigung, oder?
Grüße, SuperMario