Spiegel Online:
"Wo bitte bleibt die Bürotreue?
Söldner, Verräter, Charakterschweine - so werden Kicker beschimpft, die den Verein wechseln. Dauer-Bayer Scholl, "Uns Uwe" und der "treue Charly", die ewig Treuen, werden noch heute vom Publikum geliebt. Was für eine verlogene Diskussion, meint unser Autor Christoph Biermann.
Mario Gomez ist ein toller Fußballspieler, ein netter Typ, und den VfB Stuttgart findet er richtig gut. So gut, dass ihm der Club angeblich sogar was wert ist. "Vereinstreue ist mir wichtiger als das große Geld", sagt er. Nun ist es bestimmt kein kleines Geld, das er in Stuttgart verdient, sonst hätte er seinen Vertrag dort nicht bis 2011 verlängert, aber darum soll es hier nicht gehen. Bemerkenswert ist eher, dass "Bild" die Bekenntnisse des 21-Jährigen unter der Überschrift veröffentlichte: "Lest das mal, ihr Fußball-Söldner!"
Damit befeuerte das Fachorgan für Aufrichtigkeit und Treue eine Debatte, die zu den Klassikern gehört. Es scheint nach wie vor einer Menge Leute ordentlich auf die Nerven zu gehen, dass Fußballprofis nicht nur viel Geld verdienen, sondern dass sie auch noch die Arbeitgeber wechseln. Anders als Uwe Seeler etwa, der trotz Angeboten aus Italien in Hamburg blieb und "Uns Uwe" wurde oder Karl-Heinz Körbel, der sich in 602 Spielen für Eintracht Frankfurt den Beinamen "Treuer Charly" verdiente. Dass die Fußballprofis früher seltener zu anderen Vereinen gingen, hatte jedoch mit Charakterstärke wenig zu tun.
Bis zum Bosman-Urteil 1995 galt nicht einmal die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Wenn ein Vertrag abgelaufen war, musste erst ein anderer Club gefunden werden, der eine Ablösesumme für den Spieler zu bezahlen bereit war. Das allein schränkte Wechsel stark ein. Außerdem lagen die Beträge früher oft nicht so weit auseinander, wie das heute der Fall ist, wenn man zu einem Spitzenverein wechselt. In der Frühzeit der Bundesliga konnte es sogar von wirtschaftlichem Vorteil sein, zu bleiben, weil man sonst seine Kleinökonomie aus Tankstelle, Vertreterjob und Werbung gefährdet hätte. Auch das ist ein Grund, weshalb es früher eher "Uns Uwe" oder den "Treuen Charly" gegeben hat.
Inzwischen jedoch ist der Begriff "Vereinstreue" schon deshalb unangebracht, weil die Profis nicht mehr bei Vereinen spielen, sondern Verträge bei GmbHs oder anderen Fußball-Unternehmen unterzeichnet haben. Aber würde man in anderen Branchen von "Büro-", "Fabrik-" oder "Kaufhaustreue" sprechen, wenn es um den Wechsel zu einem besseren Arbeitsplatz geht? Zumal nicht nur die Arbeitnehmer weniger treu sind, sondern auch die Arbeitgeber......."
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Quelle: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0, ... 25,00.html
