Lieber Eric, eine sehr schöne und umfangreiche Darstellung der Personalie Philipp Klement, der inhaltlich wenig hinzuzufügen ist. Den Begriff Trequartista ist mir in der Übersetzung lediglich als ´offensiven Mittelfeldspieler´ angeboten worden. Auf ´Dreiviertler´ kam ich trotz eines kurzen Intermezzos Italienisch für Anfänger in der Oberstufe nicht.
Grundsätzlich versuche ich alle Spieler gleich scheiße zu behandeln

, so dass ich auch hier keine große Ausnahmen machen möchte. Wie Du und andere skizziert haben, sind die Unterschiede zwischen einem Zehner, Achter oder Sechser teilweise fließend. Das Zusammenspiel von Abwehr und Angriff prägt den Wirkungsgrad der gegnerischen Offensive. Aktuell sieht es so aus, dass die Statik in unserem Spiel eher auf der Abwehr ausgerichtet ist. Von Spiel zu Spiel kann es sein, dass sich diese nach vorne schieben könnte.
Persönlich ist es mir lieber, wenn die Zuschauer Philipp Klement fordern, als wenn das Publikum die Darbietungen ausbuhen würde. Als ´Straßenhandballspieler´ schaue ich natürlich nach Dribblings oder Ballannahmen, bei denen zwei Gegner ausgespielt werden und Überzahlsituationen geschaffen werden. Der richtige Zeitpunkt für den Pass gefunden wird und nach Möglichkeit in die Vorwärtsbewegung. Da wäre Marlon Ritter technisch prädestiniert als Mini-Messi. Aber auch die schnellen Offensivspieler, die der Kader hergibt.
Mike Wunderlich war ein teils ähnlicher Spielertyp wie Philipp Klement. Bei den Standards waren die Aufgaben ähnlich verteilt, so dass eine Konkurrenzsituation bestand. Mittlerweile ist das glorreiche und erfolgreiche Kapitel von Mike Wunderlich abgeschlossen. Danke für die Leistung. Die Torvorbereitung in der Relegation wird jedem Fan in Erinnerung bleiben. Jetzt passend das Abschiedsspiel. Viel Glück für Deine private und berufliche Karriere.
Da ich aus dem Handballsport komme, verfolgt man die Position des Spielmachers im deutschen Handball beiläufig. Warum waren Frankreich, Spanien oder Dänemark fast immer bei Europameisterschaften oder Weltmeisterschaften im Halbfinale vertreten. Der Position des Spielmachers kam große Bedeutung zu. Mittlerweile hat Deutschland sehr stark aufgeholt und kann von einen kleinen Pool an entwicklungsfähigen Spielmachern zehren, wenngleich dazu das Potential abgerufen werden sollte. Zudem haben die Regeländerungen mittlerweile sehr großen Einfluss auf die Spielweise des Spielmachers. Parallelen zum Fußball sind durchaus vorhanden:
Spielerischer, Läuferischer mit schnellen Abschlüssen
Der Handball-Weltverband IHF hat sein Regelwerk modifiziert, geltend seit dem 1.Juli 2022. Mit besonders großer Tragweite für die Spielweise sind folgende Regeln:
Regeländerung 1: Passanzahl beim Passivspiel reduziert
Beim Passivspiel, auch Zeitspiel genannt, durfte die angreifende Mannschaft beim Vorwarnzeichen der Schiedsrichter (gehobener Arm) bislang noch sechs Pässe spielen, bis der Torwurf erfolgen musste. Diese Passanzahl wird auf vier reduziert. Bereits der fünfte Pass wird also von den Schiedsrichtern abgepfiffen und die abwehrende Mannschaft bekommt den Freiwurf.
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Regeländerung 2: Anwurfzone wird erweitert
Die zweite Änderung betrifft den Mittelanstoß, also den Anwurf. Bislang musste der ausführende Spieler mit einem Fuß auf der Mittellinie stehen. Vom 1. Juli an erfolgt die Ausführung des Anwurfs aus dem neuen Anwurfkreis, der einen Durchmesser von vier Metern haben soll und in der Mitte der Mittellinie platziert ist. Der Anwurf darf somit künftig aus der Bewegung heraus erfolgen. Dadurch werden neue Situationen bei der sogenannten "Schnellen Mitte" entstehen.
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Regeländerung 3: Kopftreffer mit Hinausstellung bestraft
Wird der Torwart aus einer freien Spiel- bzw. Wurfsituation heraus am Kopf getroffen, ist eine Zwei-Minuten-Zeitstrafe des Werfers möglich. "Wir wollen die Gesundheit der Keeper mehr schützen, daher begrüßen wir die Entscheidung der IHF", sagt Kay Holm, Schiedsrichter-Lehrwart des Deutschen Handballbundes. Es sei eine weitere Möglichkeit, unsportliches Verhalten zu unterbinden.
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https://www.sportschau.de/handball/rege ... r-100.html
Neben den hier aufgeführten Regeländerungen gibt es eine Normierung für harzfreie Bälle. Anders als normale Bälle sind diese etwas kleiner. Als weitere Neuerung wurde der Auszeit-Buzzer eingeführt, der die Grüne Karte ersetzt.
Besonders die Regeländerungen eins und zwei haben erheblichen Einfluss auf die Spielweise bei der Handballweltmeisterschaft. Durch die „erweiterte Anwurfzone“ ist der Handball schneller geworden, so dass nach einem Gegentor ein Spieler zur Anwurfzone sprintet und direkt aus dem Laufen heraus zum überfallartigen Gegenstoß überleitet. Dadurch wird das Spiel extrem schnell. Je nach eigenen und gegnerischen Fähigkeiten kann so das taktische Spektrum erweitert werden. Der Handball gewinnt an Schnelligkeit. Gab es früher Abwehr- und Angriffsspezialisten, so wird in Zukunft die Tendenz wohl zum konditionsstarken Allrounder gehen.
Ergänzend dazu bewirkt die „Reduktion der Pässe beim Passivspiel“ ebenfalls den schnellen Abschluss. Je mehr Abspiele im Angriff erfolgt sind, desto weniger Variabilität hat die Mannschaft eine gute Torchance herauszuspielen. Mit dem direkten Einleiten des Angriffs über einen Spielzug oder ein 1:1, mindert das angreifende Team die Wahrscheinlichkeit ein Zeitspiel zu verursachen.
Insgesamt werden deutlich mehr Angriffe während eines Spiels registriert werden. Der Unterschied zwischen kleinen und großen Nationen kann eventuell schwinden. Absolute Topstars sind noch mehr gefordert … und anders!
Auf der Suche nach oinem Spuilmacher…
Mit der oben beschriebenen Regeländerung sind die Anforderungen an einen Spielmacher nochmals gestiegen. Zum einen gilt es das Spiel schnell(er) zu machen. Gleichzeitig muss der Spielmacher zusammen mit dem Trainer aber auch den Spielverlauf lesen und antizipieren können. Früher waren u.a. Markus Baur, Michael Kraus oder Daniel Stephan prägend für diese Position. Wahrscheinlich habe ich jetzt noch viele andere vergessen oder nicht mehr spielen sehen..
Andererseits lassen sich im Handball und Fußball Parallelen erkennen, da viele Anforderungen an einen Spielmacher ähnlich sind. Hier nochmals ein kurzer Beitrag:
Beitrag vom 05.02.2021: Auf der Suche nach einem Spuilmacher
Den klassischen Spielmacher gibt es im deutschen Handball nicht. Vielmehr wird die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Im internationalen Vergleich ragen Mikkel Hansen und Jim Gottfridsson heraus, die in kritischen Situationen Spielzüge einleiten, selbst abschließen, den Zweikampf suchen oder das Spiel beschleunigen.
Der Schweizer Spielmacher Andy Schmid sieht seine Aufgaben als verlängerter Arm des Trainers und als Coach auf dem Feld, der seine Mitspieler in Szene setzt, indem er z.B. in 1:1-Situationen geht, so dass er Platz für seine Mitspieler schafft. Zusätzlich zu den mannschaftlichen Aufgaben sollte ein Spielmacher auch eigene Torgefahr ausstrahlen.
Aus dem Fußball kennt man den klassischen Spielmacher als denjenigen, der die Spielstrategie der Mannschaft steuert, Angriffe einleitet, die Defensive koordiniert, Bälle an die Mitspieler verteilt, nach Möglichkeit immer anspielbar ist, im gegnerischen Strafraum präsent ist und Tore erzielt. Neben herausragenden technischen Fertigkeiten muss der Spielmacher auch Engagement und Kampfgeist zeigen, um den Gegner zu stören und die Einsatzbereitschaft der eigenen Mannschaft zu forcieren.
Die Aufgaben des Spielmachers sind sehr vielfältig. Auch neben dem Platz sollte der Spielmacher Führungsaufgaben übernehmen und über eine Spielerpersönlichkeit verfügen. Aufgrund der Vielfalt an Aufgaben und der gestiegenen Komplexität in der heutigen medial geprägten Zeit, übernehmen mehrere gleichgestellte Spieler im Mittelfeld zusammen die kreativen Aufgaben. Ein großer Vorteil dieser Philosophie besteht darin, dass der einzelne Spielmacher nicht vom Gegner ausgeschaltet werden kann. Z.B. durch Manndeckung oder doppelte Manndeckung.
Auch in der heutigen Abwehrarbeit geht es um Strategie, Kreativität und Ordnung. Daher nimmt der Regista, im italienischen Fußball ein tief stehender Spielmacher, eine verantwortungsvolle Rolle ein. Dieser übernimmt defensive Aufgaben und agiert aus der Tiefe des Raums. Bekannte Beispiele für Registi sind Andrea Pirlo, Xavi, Xabi Alonso, Luka Modrić, Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger. Das Pendant in der Offensive, ein Spielmacher in zentraler offensiver Position, ist der Trequartista. Bekannte Trequartisti sind z.B. Alessandro Del Piero, Kakà, Rui Costa, Clarence Seedorf, Lionel Messi, Rafael van der Vaart, Diego, Michael Ballack, Frank Lampard, Cesc Fàbregas, Cristiano Ronaldo, Ronaldinho oder Franck Ribery.
Wie im Fußball so auch im Handball? Einige Eigenschaften und Aufgaben von Spielmachern finden sich auch im Handball. Andere Eigenschaften sind weniger stark ausgeprägt. Entwicklungsfähig ist der deutsche Rückraum, wo doch viele Positionen neu besetzt sind, so dass Automatismen und Feinheiten erst erarbeitet werden müssen. Dies funktioniert mit Trainingsarbeit aber in erster Linie mit Spielpraxis. Als erfahrene Führungsspieler in kritischen Situationen stufe ich aktuell Kai Häfner, Philipp Weber und Paul Drux ein. Mit Fabian Wiede, Steffen Weinhold, Tim Suton, Juri Knorr und Marian Michalczik haben weitere Spieler großes Potential in diese Phalanx einzubrechen. Einige Spieler habe ich noch vergessen.
In der Defensive fehlt vielleicht noch der Regista, der in der Lage ist eine schnelle 2.Welle einzuleiten und den tiefen Raum überblickt. Ein Regista, der in der Lage ist in spielentscheidenden Momenten auf Topniveau das Tempo vorzugeben: Zu Beschleunigen, aber auch zu Bremsen.
Alfreð Gíslason hat jungen Spielern wie Julian Köster (22 Jahre), Juri Knorr (22 Jahre) und Luca Witzke (23 Jahre) das Vertrauen geschenkt. Für besonders talentierte Spieler der U21-Weltmeisterschaft winken vielleicht noch ein oder zwei erweiterte Kaderplätze. Auch hier gilt es neben der körperlichen Konstitution perspektivisch eine gemeinsame spielerische Vision für das Team zu entwickeln.
Entwicklungspotential ist vorhanden. Juri Knorr hat eindrucksvoll bewiesen, dass er eine große Torgefahr ausstrahlt und Pässe an den Kreis durchstecken kann. Nicht ohne Grund hat er die meisten Scorerpunkte (bestehend aus 53 Toren und 52 Assists) bei diesem Turnier erreicht. Auf einem hohen Niveau lässt sich an der Chancenverwertung granteln und vielleicht noch am Blick für einen besser positionierten Mitspuiler. Luca Witzke habe ich mit mehreren Treffern und Pässen auch sehr positiv wahrgenommen.
Mit Julian Köster verfügt der Bundestrainer über einen Allrounder in Abwehr und Angriff. Neben Hendrik Pekeler ist auch Julian Köster in der Defensive sehr flexibel und kann auf der vorgezogenen Eins spielen, wodurch neben der 6:0 Abwehr auch eine 3:2:1 oder 5:1 Abwehrformation je nach Spielsituation möglich wäre. Johannes Golla ist auch in der Abwehr im hinteren Bereich eine Bank.
Zur Überbrückung von Abwehr auf Angriff ist sicheres schnelles Spiel mit der jeweiligen Abwehrformation gefordert. Lauf- und Passwege müssen abgestimmt sein, wenn ein direkter freier Pass nicht möglich ist. Darauf aufbauend müssen alle Spieler den Schritt auf ein höheres Niveau vor Augen haben, um das Ziel Halbfinale anpeilen zu können. Steigerungspotential ist bei jedem noch vorhanden..
Stärken ausbauen…
Die Nationalmannschaft befindet sich im Entwicklungsprozess und klopft an die Tür der besten vier Teams. Von der erfolgreichen Mannschaft des EM-Finales 2016 in Polen sind noch fünf Spieler übriggeblieben: Andreas Wolff, Kai Häfner, Rune Dahmke, Simon Ernst und Jannik Kohlbacher. Aufgrund von Verletzungen oder aus Leistungsgründen waren Finn Lemke, Fabian Wiede, Hendrik Pekeler, Erik Schmidt, Steffen Fäth, Julius Kühn und Niclas Pieczkowski nicht im aktuellen Kader.
Einer der Erfolgsfaktoren im Endspiel gegen Spanien vor 15.000 Zuschauer in Krakau war die 6:0 Abwehr mit einem sehr starken Innenblock in Verbindung mit einem sehr guten Torhüter Andreas Wolff und einer generell sehr zweikampfstarken Abwehrarbeit. Nach einem langen kräftezehrenden Turnier siegte die deutsche Mannschaft mit 24:17 (10:6). In der Vorrunde besiegten die Spanier das deutsche Team mit 32:29. Die Abwehr ließ im Endspiel also 15 Tore weniger zu.
Eine funktionierende 6:0 Abwehr zusammen mit z.B. Pekeler, Golla oder Köster auf internationalem Topniveau ist für Deutschland wichtig, um mit den großen Nationen mithalten zu können. Pekeler und Golla haben ihre internationale Spitzenklasse bewiesen. Julius Köster sehe ich mit Potential für einen sehr wichtigen spielerischen Schienenspieler, der das Tempo nach einer sehr guten Abwehraktion im Gegenstoß oder der schnellen Mitte hochhalten könnte, ohne einen Angriff-Abwehr-Wechsel durchführen zu müssen.
Ein Luxusproblem, welches für den Bundestrainer wirklich sehr schwer lösbar erscheint, ist die Anzahl an guten bis sehr guten Kreisläufern im Team. Mit Hendrik Pekeler, Jannik Kohlbacher und Johannes Golla stehen drei international erfahrene Kreisläufer dem Bundestrainer zur Auswahl. Wäre ein Angriff mit zwei Kreisläufern denkbar, so dass man auch hier Offensivwechsel minimieren könnte und den Gegenstoß noch schneller gestaltet? Wie beschrieben ein Luxusproblem.
Automatismen, Timing und Spielverständnis waren in der Kleingruppe erkennbar. Es fehlte vielleicht der Blick auf das große Ganze, wie es bei Mannschaften wie Dänemark, Spanien, Frankreich und Schweden spielerisch zu Tage tritt und in engen Spielen zum Erfolg führt. Besonders die Spanier aber auch die Franzosen sind in der Lage Rückstände in Entscheidungsspielen noch zu kompensieren und die höchste Konzentration in Abwehr und Angriff abzurufen. Instinktiv vieles richtig machen.
Training und positive Erfahrungen in kritischen Situationen sind gut, um sukzessive Selbstvertrauen aufzubauen und in einen guten Flow zu kommen. Enge erfolgreiche Spiele wie gegen Ägypten und Norwegen prägen die Mentalität.
Mit dazu beigetragen hat das Torhütergespann um Andreas Wolff und Joel Birlehm. Die Torhüterleistung ist kaum mehr steigerbar. Das war absolute Weltklasse! Jetzt müssen offensiv und defensiv die Rückraum- und Außenspieler ähnlich top Performen.
Sollte Julius Kühn den Weg zur Nationalmannschaft zurückfinden, wird sich die Statik in der Offensive verändern. Extreme Wurfkraft und Körperlichkeit stellen neue wichtige Facetten im Angriffsspiel dar. Dem steht die spielerische und technische Schwerfälligkeit in der einen oder anderen Situation auf absolutem Top Level gegenüber.
Sollten die Außen ihre Bestleistung abrufen, wäre die deutsche Mannschaft fähig auch gegen die großen Mannschaften mitzuhalten. Vieles hängt vom Rückraum und dessen spielerischer Abstimmung ab. In den Spielen gegen die Franzosen und Norweger waren recht viele technische Fehler erkennbar, die zu Gegenstößen und leichten Gegentoren geführt haben. Selbst hatte man viele Gegenstöße nicht nutzen können.
Der deutsche Kader wird gespickt sein mit internationaler Klasse. Ob internationale Topklasse wird sich weisen..