Ich geb's ja zu, hab einen dicken Brocken von fast 6 Stunden - verteilt auf 6 CDs - hier reingestellt, aber deshalb musst du mich doch nicht gleich mit
Aziza Mustafa Zadeh zum Glühen bringen. Tolle Musik!
Hab die Dame gegoogelt, und als ich las, dass sie aus Aserbaidschan stammt, hab ich Lust auf mehr Klänge aus dieser Region bekommen.
Musik ist universell, weltumspannend. Wie die großen Meeresströmungen in den Ozeanen hängt alles miteinander zusammen, wie Pilzgeflechte in Waldboden ist alles miteinander vernetzt. Wie die Sonnensysteme, die Galaxien, die Galaxiehaufen, die Superhaufen und die Voids dazwischen im Weltall, so ist die Harmonie der Töne überall zu finden.
Drei Dinge hab ich für mich persönlich bei allen indigenen Stämmen weltweit festgemacht: Musik, Alkohol (Rauschmittel) und Religion. Kein Stamm kommt wohl ohne aus.
Wenn ich vorhin
Aziza Mustafa Zadeh und Aserbaidschan las, musste ich unwillkürlich an die ganze Kaukasusregion denken. Politisch von jeher ein Pulverfass, ist die kulturelle Vielfalt beeindruckend groß. Musikalisch denke ich da an das Alim Qasimov Ensemble aus Aserbaidschan, an Djivan Gasparian und den Klang des Duduk aus Armenien, an den Rustavi Chor und andere aus Georgien, an Ensembles unterschiedlicher Zusammensetzungen aus Aserbaidschan, Armenien, Georgien.
Jetzt fängt das Ganze doch tatsächlich an zu wachsen weil ich vom Hundersten ins Tausendste komme.......
Musik aus den angrenzenden Regionen Südrusslands, aus dem kurdischen Teil der Türkei, aus dem kurdischen Norden des Irans. Usbekistan (Mundadjat Yulchieva, das Ensemble Shavkat Mirzaev), Turkmenisten und Afghanistan (die reiche Musik vor dem Einfall der Sowjets 1979), die klassische persische Kunstmusik (Mohammad Reza Shadjarian, das Ensemble Aref) des Dastgah, ein Begriff der in die Kategorien des arabischen Makam, des indischen Raga oder des mittelalterlichen Modus einzuordnen ist.
Von der iranischen und afghanischen Region geht‘s weiter nach Pakistan. Wer Nusrat Fateh Ali Khan und seine Musik, den Qawwali (eine Art des extatischen Sufi-Gesangs) und seine Ragas nicht kennt hat echt was verpasst.
Daneben liegt gleich der musikalische Superkontinent Indien mit seiner Musik von Radjasthan (die Kohinoor Langa Group mit ihrer Musik der Wüstennomaden) bis zu der Raga-Tradition in Süden. Ravi Shankar, Shivkumar Sharma, Zakir Hussain oder ein Ramnad Krishnan mit seiner Karnatik-Tradition des Südens legen Zeugnis davon ab.
Oh Mann, ich muss jetzt aufpassen dass ich mich nicht heillos verzettele. Also geh ich jetzt nicht rüber nach Südostasien, sondern hüpfe über den Himalaya nach Norden.
Dort leben in Südsibirien im russisch-mongolischen Grenzgebiet die Tuva mit ihrem faszinierenden Kehlgesang aus Ober- und Untertönen. Und weiter geht‘s durch das endlose Sibierien bis zu den Küstenbewohnern am Eismeer mit ihrer Musik, die früher teilweise auf Knochenflöten gespielt wurde. Von Sibirien hüpft man dann nach Japans Norden mit der einheimischen Musik der Ainu. Weiter geht‘s Richtung Süden mit der klassischen japanischen Musik des No- und Kabuki-Theaters. Ein Schwenk nach Westen und man ist in Korea, wo sich in langer Tradition eine eigene musikalische Richtung zwischen den scheinbar übermächtigen Nachbarn Japan und China entwickelt hatte. Die beiden Bereiche Chong‘ak (korrekte Hofmusik) und Mingsok‘ak (Musik des Volkes) existierten friedlich nebeneinander.
Von Korea nach China ist es nur ein Katzensprung.
Die Jahrtausende alte Musik Chinas mit den traditionellen Instrumenten, dem auf zwölf Quinten beruhenden Tonsystem, den Formen der Kanton- und Peking-Oper ist einmalig.
Unbedingt hören sollte man die Tantras aus den buddhistischen Klösten in Tibet.
Weiter im Süden, in Birma, Laos, Vietnam, Kambodscha, Thailand und Malaysia ist eigenständig gewachsene Musik zu hören. Die Traditionen mit Rohrblasinstrumenten, Maultrommeln, Gongs und Trommeln in Verbindung mit Tanz und Theater sind vielfältig.
Bevor es auf den fünften Kontinent geht noch schnell von hier aus nach Sri Lanka und Südindien.
Das Ramayana ist ein indisches Hindu-Heldenepos mit der Geschichte von Rama und Sita, und dem Affenheer mit seinem Führer Hanuman. Ich hab absolut keine Ahnung wie viele musikalische Versionen dieser Geschichte es überhaupt gibt.
Von Südindien aus lohnt es sich nach Indonesien zu hören. Die Musik der Sundainseln oder aus Bali fasziniert. Eine Konzertmusik im herkömmlichen Sinne gibt es dort nicht. Das religiöse und soziale Leben bestimmt seit jeher die Klangwelt aus Bambusxylophonen, mit Schlegeln gespielte Tasteninstrumente (Gamelan), Maultrommeln und den vielen Gongs. Der Ketjak, der ritualisierte Affengesang aus dem Ramayana darf auf Bali nicht fehlen.
In Australien angelangt hat man natürlich das Digeridoo der Alborigines im Ohr mit ihrer uralten Kultur. Und nebenan aus Neuseeland stammt der berühmte Gesang der Maori.
Über den riesigen Pazifik geht‘s Richtung Südamerika. Dabei fällt mir ein: auch auf den Ozeanen ist weltweit immer musiziert worden. Im Pazifik finden sich Gesänge und Tänze, begleitet von Perkussions- und Zupfinstrumenten/Gitarren auf den Fidschiinseln, auf Tonga, Tahiti und Hawai, rund um Afrika auf den Kapverden, auf Madagaskar, den Komoren und Réunion. Rund um Indonesien haben wir Flores, Java und Sumatra, in der Karibik Kuba, Curacao, Martinique, Guadeloupe, Haiti und Jamaika. Und in Europa die eigenständigen musikalischen Inselgruppen Kreta, Sardinien, Korsika, Irland und die Äusseren Hebriden.
Angekommen auf den amerikanischen Kontinent hört man den Tango Argentiniens, den Samba in Brasilien, die eigenständige Musik Boliviens, Ecuadors, Perus, Kolumbiens hoch über Mittelamerika bis zur Musik in Mexiko. Das Sexteto Mayor, Paulinho Da Viola, Carmen Flores, Mercedes Sosa, Susana Baca Alturas, Felix Casaverde, Lilia Vera, Fredy Reyna, Yaki Kandru, Tlen Huicani, Amparo Ochoa u.v.a. zeugen von diesem Reichtum.
In den USA trifft man dann auf die Musik indigener Indianer, den Blues aus dem Delta und den Städten, Man hört den Industrie-Blues von heute. Und natürlich den Jazz in all seinen Facetten seit 120 Jahren.
In Afrika angelangt, hört man im Süden die Klänge der Mbira traditionell aus Simbabwe, den Chorgesang der Zulu von Ladysmith Black Mambazo. Kommt man weiter nach Norden voran wird man feststellen, es gibt kein Dorf in Afrika in dem nicht musiziert wird.
Aus Westafrika ist ein Tata Dindin zu hören, eine Kandia Kouyaté, eine Mah Damba, Sali Sidibé oder Oumou Sangaré. Ein Youssou N`Dur, Fela Kuti und und und…..die Musik aus Mali, Gambia, dem Senegal, aus Ghana, der Elfenbeinküste, Guinea und Burkina Faso ist ein Gedicht.
Der Musik aus der Sahara, der Musik der Tuareg, den Klänge aus Mali, dem Niger, aus den Wüstengebieten Algeriens lauschend gelangt man nach Marokko. Mijad Bekkas ist ein Vertreter der Gnawa (Nachfahren von Sklaven) mit einer eigenen Musikrichting, die Sufi-Tradition und die Kultur der Berber sind eigenständige musikalische Richtungen. Die Klänge der Mauren aus Spanien sind in Marokko immer noch sehr lebendig.
Folgt man der südl. Mittelmeerküste über Algerien, Tunesien, Libyen bis nach Ägypten ist man fasziniert von diesem musikalischen Reichtum. Jahrhundertelang wurden in diesen Ländern Einflüsse aus Byzanz, aus Persien und dem ganzen arabischen Raum aufgesogen und mischten sich mit den Beständen der Beduinen, der Saiyidis oder der Nubier. Der Bauchtanz gehört hier zur Kultur. Folgt man dem Nil flussaufwärts gelangt man in das Nubien des Oud-Spielers Hamza El Din. Von dort aus lohnt sich der musikalische Sprung am Roten Meer entlang zu den Klängen im Sudan, in Äthiopien, Somalia.
Das Rote Meer wieder hoch findet sich in Israel die Klezmer-Musik. Giora Feidman, die Epstein Brothers, die Kletzmatics….um nur einige zu nennen. In Syrien ist die Sufi-Musik der Derwische stark vertreten. Obwohl, Sufi-Musik ist ja über den ganzen islamischen Raum verteilt. Von Afghanistan über Pakistan, den Iran, Kurdistan, die Türkei, Syrien, Ägypten bis nach Marokko.
Von Syrien aus ist es ein Katzensprung bis zur Türkei. Auch hier gibt es eine reiche Musikszene. Stellvertretend erwähne ich hier den Meisterklarinettisten Mustafa Kandirali.
Sooo...nun stehe ich vor den Toren Europas und mach erstmal Schluss. Europa mit seinen Traditionen an Musik ist sicherlich ein eigenes Kapitel wert. Vielleicht hab ich da ja auch mal Lust drauf.
Bei meinem Streifzug durch die musikalische Welt hab ich bestimmt die Hälfte vergessen. Aber sowas kommt dabei heraus, wenn ich das Stichwort „Musik aus Aserbaidschan“ wahrnehme und Lust auf mehr davon habe.
