alaska94 hat geschrieben:Es sind 5 Offensive, auf dem Feld, weil die Außenverteidiger extrem hoch stehen.
Das ist nur halb richtig. Die defensive Grundordnung ist ein 5-4-1. Das heißt, wir versuchen bei gegnerischem Ballbesitz, neun Spieler hinter den Ball zu kriegen.
Erobern wir den Ball, versucht man tatsächlich, in ein ein 3-4-3 zu wechseln. Das ist taktisch überaus einfach, weil alle Außenspieler schlicht eine Position vorrücken. Die AV spielen also linkes bzw. rechtes Mittelfeld, die linken bzw. rechten Mittelfeldspieler sollen als Flügelstürmer agieren. So versucht man auch, verlorene Bälle zu erobern (Gegenpressing), bevor man sich wieder ins 5-4-1 zurückzieht.
Von der Systematik her ist das ein riesiger Fortschritt im Vergleich zu Michael F., bei dem weder Zuschauer noch Mannschaft wussten, was da gerade passiert (wenn ich an das "1-Mann-Pressing" denke, läuft es mir immer noch kalt den Rücken runter...). Dennoch sind 7 primär defensiv geschulte Leute auf dem Platz. Diese haben häufig eben kein oder nur ein unzureichendes Verständnis für offensive Laufwege und Spielsituationen, und oft auch nicht die feinste Ballbehandlung. Dass AV auf ihrer Seite aufrücken und bis zur Grundlinie durchstarten sollen, ist zwar kleines 1 mal 1. Aber es macht die Angriffsbemühungen auch ziemlich ausrechenbar, zumal wenn im zentralen offensiven MF eine eklatante Lücke klafft.
Man kann für diese Ausrichtung Verständnis haben - Hildmann ist ein Neuling, hat bisher weder große Erfolge noch besondere Karrierestationen vorzuweisen, da spielt man vielleicht lieber auf Sicherheit als sich vorwerfen lassen zu müssen, man gehe mit Hurra-Fußball unter. (Wenn er sich mit seinen öffentlichen Aussagen zu Spielsystemen und -stil etwas zurückgehalten hätte, wäre das übrigens besser gewesen, da einige Hoffnungen geweckt wurden, die er jetzt enttäuscht bzw. sogar enttäuschen muss.)
Dennoch muss er erst noch unter Beweis stellen, dass er eine Mannschaft nicht nur defensiv stabilisieren kann (was ihm gelungen ist), sondern auch kreative Lösungen fürs Angriffsspiel findet. Da bin ich noch skeptisch. Ich mag auch das Argument nicht, dass andere Drittligisten genauso spielen und dass es auf Nuancen ankommt. Erstens kommt es immer auf Nuancen an (man trifft das Tor - oder eben nicht), zweitens ist ja genau das unser Problem:
Mit unserem Kader müssten wir - meines Erachtens - versuchen, einen dominanten Stil zu entwickeln, der auf Spielkontrolle im Mittelfeld beruht. Die Leute dafür hätten wir, nur spielen die momentan nicht, ohne dass sich mir so ganz erschließt, warum (Verletzte ausgenommen). Stattdessen spielen wir den gleichen Stiefel wie alle anderen Drittliga-Teams, die irgendwo im Niemandsland der Tabelle herumlungern.
Nochmal: Ich verstehe, dass Hildmann erst einmal den Safety-First-Ansatz wählt - hinten sicher, möglichst viele Leute hinter den Ball, bei Balleroberung schnelle Konter und bei Ballverlust direktes Nachsetzen. Das ist alles schon viel besser als das, was vorher gespielt wurde, auch wenn sich das nicht unbedingt an den Ergebnissen ablesen lässt.
Nur perspektivisch ist das kein Ansatz, mit dem man sich einen Vorteil gegenüber anderen Mannschaften verschafft, die eine ähnliche Spielidee haben. Anders gesagt, momentan spielen wir nicht nur gegen Zwickau, wir spielen auch WIE Zwickau. Das ist aber kein Plan, der uns einen strukturellen Vorteil verschaffen würde. Strukturell hätten wir einen Vorteil, wenn wir versuchen würden, wieder mehr das Spiel mit dem Ball statt gegen den Ball zu etablieren. Vielleicht kann Hildmann das vermitteln, vielleicht auch nicht; der Kader sollte es aber eigentlich hergeben.