Das Herunterbrennen der Gespräche auf Pyro, Kollektiv- oder Geldstrafen ist nicht zielführend und nicht das, was aktuell angestrebt ist.
Dazu arbeiten in der Projektgruppe "Sportgericht und Zuschauerverhalten" genügend Experten daran, die Verbandstrafen "verständlicher" und akzeptabler zu machen. Das ist ein extrem komplexer Vorgang, da jede "Seite" auf ihren Positionen verharrt.
Aber ähnlich wie Grindel den Ball in Richtung "Ultras" geschubst hat, können Fortschritte und Bewegungen auch bei den Personen, die das Thema Sportgerichtsbarkeit vertreten, geschehen.
Es gibt einige vernünftige Ansätze. Ein wesentlicher Knackpunkt ist aber sicherlich der, dass man bei den Richtern bzw. dem Kontrollausschuss der Sportgerichte meint, man müsse Entscheidungen über den Pyro-Einsatz genauso schnell fällen, wie die Entscheidung über die Dauer der Sperre von Spieler X für eine rote Karte.
Als wesentlicher Knackpunkt bei der Strafenbeurteilung wurde mal der so genannte
9-Punkte-Plan beim DFB erstellt. Dieser gilt, auch aktuell in der o.g. Projektgruppe, als wesentliches Element der Beurteilung. Gegen diesen 9-Punkte-Plan laufen die Fanszenen Sturm, da es im Grunde genommen der Aufruf zum "Petzen" ist. Damit wird ein Keil in die Fanszene getrieben der sicherlich nicht sehr hilfreich ist.
An einem Beispiel will ich mal aufzeigen, wie unsinnig dieser 9-Punkte Plan eigentlich ist:
Unter Punkt 2 wird als Leitgedanke die "Täterorientierte Sanktionierung" genannt. Unter Punkt 3 wird auf "Effektive Tataufklärung und Täterermittlung" hingewiesen. So zum Beispiel
Effektive Tataufklärung und Täterermittlung durch die Vereine stellen zentrale Pflichten des Heimvereins und des Gastvereins dar.
Letztlich wird unter Punkt 6 darauf hingewiesen, dass "Tataufklärung und Täterermittlung" sanktionsmildernd wirken.
Soviel als "Vorbereitung".
Nehmen wir nun an, dass am kommenden Samstag im Oberrang in Düsseldorf ein, zwei oder zehn Bengalos gezündet werden.
Im Normalfall wird das im Spielberichtsbogen des Schiedsrichters aufgeführt und am kommenden Montag wird der Verein dazu aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen.
Was wird der Verein wohl groß schreiben können? Ja, es wurden zehn Bengalos gezündet. Nein, wir wissen nicht wer es war, die Täter waren vermummt.
Diese Stellungnahme (hier natürlich extrem verkürzt und überspitzt wiedergegeben) wird dann bis Mittwoch an den Kontrollausschuss des DFB geschickt.
Am Donnerstag sitzen die ehrenwerten Herren

zusammen und befinden, dass der 1. FCK wegen unsportlichen Verhaltens seiner Zuschauer zu einer Strafe in Höhe von 7.500 Euro verdonnert wird. Über eine Blocksperre will ich jetzt noch gar nicht reden.
Der 1. FCK akzeptiert diese Strafe, wie immer, ohne Einwand und zahlt.
Vielleicht setzt sich in Düsseldorf ja jemand hin und analysiert die Video-Aufzeichnungen der Kameras des Gästeblocks. Schließlich will man ja noch Stadionverbot und/oder Weitergabe der Verbandsstrafe betreiben.
Wenn es nun gelingen sollte, den oder diejenigen zu identifizieren die dort "gezündelt" haben, dann bekommen diese sicherlich Stadionverbot, ein Ermittlungsverfahren wird eingeleitet und - vielleicht - erhebt der 1. FCK gegen diese Personen noch ein zivilrechtliches Verfahren zur Weitergabe der Strafe von 7.500 Euro.
Jetzt kommt an dieser Stelle der Unfug des 9-Punkte-Plans ins Spiel. Unter Punkt 6 heisst es:
Kommt ein Verein den ihn treffenden zentralen Pflichten zur Tataufklärung und Täterermittlung nach, vermag dies sanktionsmindernd zu wirken, insbesondere dann, wenn ihn am Zuschauerfehlverhalten selbst kein eigenes Verschulden trifft (verschuldensunabhängige Haftung).
Durch Maßnahmen, die der Tataufklärung und der Täterermittlung dienen, eröffnet sich den Vereinen und ihren rechtstreuen Fans die Chance, gravierende Strafen wegen Taten, die sie selbst nicht verschuldet haben, zu vermeiden oder zumindest abzumildern.
Das bedeutet, dass dann, nehmen wir an zwei, drei Wochen nach dem Vorfall, wenn die Verursacher des Schadens identifiziert wurde, die Strafe - wenn es dem Sportgericht mit dem 9-Punkte-Plan Ernst wäre - reduziert werden müsste. Also von 7.500 Euro auf ... - 3.000 Euro. Das geht aber nicht mehr, da der 1. FCK das ursprüngliche Urteil des Kontrollausschusses (in etwa vergleichbar mit einem Strafbefehl bei einem ordentlichen Gericht) - akzeptiert hat. Wie also soll die "sanktionsmildernde Täterermittlung und Tataufklärung" denn funktionieren, wenn innerhalb von einer Woche nach dem Vorfall schon ein Urteil ergangen ist, das nicht widerrufbar ist?
In dem "berüchtigten" Fall des BGH, in dem der Kölner Böllerwerfer jetzt ja zur Rechenschaft gezogen werden soll, hat der 1. FC Köln keinen Einspruch gegen die Strafe eingelegt und somit im Grunde den Verursacher gegenüber keine "Schadensminderung" vorgenommen obwohl es eigentlich deren Pflicht gewesen wäre.
Das Szenario soll eigentlich nur aufzeigen, dass das ursprünglich für Spielsperren und sonstige "Regelverstöße" zuständige Sportgericht in das "Zuschauerverhalten" eingreift und das mit der gleichen "Geschwindigkeit" wie bei einer roten Karte. Und daran wollen einige "Herren" nicht rütteln.
Wenn aber die Ermittlung langwierig ist - im Falle Karlsruhe-Klopperei auf der Süd waren das zwei Jahre - dann neigt man eben dazu, pauschale Urteile zu fällen obwohl eigentlich die Täterorientierte Sanktionierung laut eigenem Plan höchste Priorität hat.
Hier gilt es anzusetzen. Dazu aber müssen sich Leute bewegen und ihre Standpunkte verlassen ohne ihr Gesicht zu verlieren. Das ist die Herausforderung im Falle der aktuellen Projektgruppe "Sportgericht und Zuschauerverhalten". Ob das gelingt? Keine Ahnung. Aber ohne Veränderung wird die Dialogbereitschaft seitens einiger Fanszenen sicherlich nicht besser.
Es geht bei diesem, nun möglicherweise wieder aufkommenden Dialog, nicht darum, die Pyro-Diskussion neu zu führen. Das Thema ist im Grunde tot - manchmal aber von Innenministern gerne wieder angeleiert, wohlwissend, dass es nichts werden kann. Das ist eher Verarsche als Dialog.
Der mögliche Dialog soll im Grunde genommen dazu dienen, einer möglichen Akzeptanz von bestimmten Forderungen (von beiden Seiten) ein Stück entgegen zu kommen. Da wird es weder die Freigabe von Pyro geben noch das Stadionverbot für alle Ultras.
Manchmal spielen aber auch die Vereine eine merkwürdige Rolle.
Bei der Eröffnungsfeier der zweiten Liga kam es in Bochum zu "Protesten". Hier wurde seitens der Fans die "Eventiisierung" der Liga verteufelt (Helene Fischer ...).
Es wurde auf der DFL rumgehackt, dass man diesen Quatsch einfach sein lassen soll (1:40 Min) und einfach wieder Fußball spielen lässt.
Kein Verein (!) hat sich geäussert, wenn dann lediglich gegen die Fans.
Es war nicht die DFL die dieses Spektakel wollte. Es war der Wunsch der Vereine der zweiten Liga die sich damit eine "Eröffnungsfeier" gegeben haben. Es war also nicht der Verband, sondern deren Mitglieder. Nur sagt kein Verein seinen Fans "Hey, stellt euch nicht so an. Wir finden das knorke".
Da gibt es noch die eine oder andere Geschichte, bei der sich die Vereine gerne hinter dem Verband verstecken obwohl sie selbst in der Lage wären, etwas zu ändern.
Aber genug geplaudert.
Ich wollte das nur mal aus dem "Nähkästchen" erzählen