FC Kaiserslautern
Pfälzer Scherbenhaufen
Von MICHAEL ASHELM UND ANDREAS ERB, KAISERSLAUTERN
16.05.2016 •Der 1. FC Kaiserslautern muss sparen – und die Hinweise auf Missmanagement in der kürzlich zu Ende gegangenen Ära Kuntz werden immer zahlreicher.
Dunkle Wolken: Der Betzenberg in Kaiserslautern
Die glorreiche Vergangenheit blitzte am Donnerstag noch mal kurz auf. Da trafen sich einige Altvordere vor dem Fritz-Walter-Stadion am Denkmal, das dort zur WM vor zehn Jahren zu Ehren der fünf Lauterer Weltmeister von 1954 errichtet worden war. Doch heute steht der Kultklub aus der Pfalz vor einem Scherbenhaufen. Der Kassensturz der neuen, um Transparenz bemühten Führung zeigt: Der FCK ist finanziell schwer belastet. Dafür steht auch eine verbratene Fananleihe über sechs Millionen Euro, die eigentlich komplett für das Zukunftsprojekt des Nachwuchsleistungszentrums vorgesehen war. Hier herrscht vorerst Ausbaustopp. Der Traditionsverein droht durch die angespannte Wirtschaftslage in eine Abwärtsspirale zu geraten.
Dabei klangen die Parolen der langjährigen Bosse äußerst selbstbewusst. Die kürzlich abgetretenen Vorstände Stefan Kuntz und Fritz Grünewalt sprachen noch zuletzt vom „Substanzverein“. Der FCK sei wirtschaftlich saniert. Doch viele Mitglieder fühlen sich von dem Duo in die Irre geführt. Und die Zahlen geben ihnen recht. „Ich bin von ihnen enttäuscht. Da wurde nie ehrlich gearbeitet“, sagt Klaus Becker, mehr als 20 Jahre im FCK-Fanbeirat. Er trägt für seine Verdienste die Goldene Ehrennadel des Vereins. Als die „Betze-Anleihe“ 2013 herausgegeben wurde, zeichnete der FCK-Enthusiast Becker nicht mal die Mindesteinlage von 100 Euro. „Ich habe dem damals schon nicht getraut.“
Kritiker als „Ratten“ bezeichnet
Wer das undurchsichtige Geschäftsgebaren der alten FCK-Führung in Frage stellte, wurde entweder juristisch angegangen, was den Verein stets Geld kostete, oder diffamiert. Auch die Auseinandersetzung mit dem Bund der Steuerzahler um die Abhängigkeit des Vereins von öffentlichen Subventionen mündete in einen kuriosen Rechtsstreit. Kritiker wurden schon mal als „Ratten“ bezeichnet.
Bei einer Vereinsversammlung in johlender Bierzeltatmosphäre gab es die Ansage „draufzuhauen“. Der Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Rombach, dem im Winter von den Mitgliedern das Vertrauen entzogen worden ist, dachte laut darüber nach, ob nicht manche Journalisten ausgesperrt werden sollten. Nach dem Motto: Lügenpresse.
Rombachs Ehrenwort
Der Informatik-Professor hatte in der Vergangenheit stets in enger Bande mit Kuntz gewirkt. Dass die sechs Millionen Euro der Fananleihe nur fürs bedeutsame Talentzentrum gedacht seien und nicht zum Stopfen von Finanzlöchern zweckentfremdet würden, dafür gab Rombach sein „Ehrenwort“. Die Aussage liegt dieser Zeitung schriftlich vor. Eigentlich war Rombach oberster FCK-Kontrolleur.
WhatsAppFacebookTwitterGoogle+MailWhatsAppDer 1. FC Kaiserslautern steht vor dem Pfälzer Scherbenhaufen (Michael Ashelm und Andreas Erb) #FCK
Nun steht die alte Führung ganz schlecht da. Der Zweitligaverein wurde in Wirklichkeit über all die Jahre offenbar schwer geschädigt. Es sei eine „spannende Frage“, sagt der neue Finanzvorstand Michael Klatt, ob die Vorgänger die Öffentlichkeit bei der Verfügbarkeit der Anleihe belogen hätten. Viele Mitglieder fühlen sich getäuscht. Manche diskutieren schon, ob nicht gegen Rombach, Kuntz und Grünewalt vorgegangen werden sollte. Der FCK steht als Beispiel dafür, wie ein Fußballklub mit heldenhafter Geschichte, gutem Entwicklungspotential und einem begeisterungsfähigen Umfeld durch Misswirtschaft, Unfähigkeit und Fehlverhalten des Managements sowie mangelnde Aufsicht ins Straucheln gerät. Das erinnert an Borussia Dortmund Mitte der 2000er, als das Duo Niebaum/Meier das Finanzdesaster zu vertuschen versuchte und den Klub so fast in die Insolvenz trieb.
In Kaiserslautern ließ sich die Politik durch die Strahlkraft des FCK immer wieder zu fragwürdigen Deals in Sachen Stadionmiete hinreißen. Aktuell wird gegenüber der Stadt unter anderem aus diversen Stundungen der Stadionmiete eine Rückzahlung von 1,2 Millionen Euro fällig.
Schulden angehäuft, Sponsoren vergrault
Beim FCK versagten die Kontrollmechanismen, obwohl der wirtschaftliche Verfall unübersehbar war. Als Kuntz im Jahr 2008 Vorstandschef wurde, stand der FCK mit positivem Eigenkapital und de facto ohne Verbindlichkeiten da. Der damalige Aufsichtsratschef Dieter Buchholz, ein Unternehmer aus dem Saarland, übergab die Geschäfte an seinen Nachfolger Rombach. Danach rutschte der Verein mehrmals in die bilanzielle Überschuldung und häufte seine Verbindlichkeiten auf rund 17 Millionen Euro an (Bilanz 2015). Der aktuelle Verlust soll bei bis zu 1,8 Millionen Euro liegen. Schon 2014 warnte Buchholz bei einer Mitgliederversammlung vor einer Insolvenzgefahr.
Stefan Kuntz bei seiner Verabschiedung
© DPA, F.A.Z.
Stefan Kuntz bei seiner Verabschiedung
Wichtige Sponsoren wurden vergrault, die fragwürdige Transferpolitik von Kuntz lief häufig ins Leere. Unter ihm kamen und gingen mehr als 200 Spieler. Nicht alle Wechsel erwiesen sich als sportlich sinnhaft, Transferflops rissen Löcher in die Kassen. Transferüberschüsse wurden zur Stützung der Bilanz verwendet. Auf einer Mitgliederversammlung 2012 musste Kuntz sich Vorwürfen erwehren, er würde über Spielerberater an Transfers mitverdienen.
Aufarbeitung der alten Ära
Die Aufsichtsräte im Verein blieben dennoch jahrelang tatenlos. Dieser Zeitung liegen Schriftstücke aus dem Kontrollgremium vor, die zeigen, dass Warnungen vorlagen. Aus den Dokumenten ergeben sich verschiedene Fragen an den ehemaligen FCK-Vorstand. So soll Kuntz zum Beispiel gleich zu seinem Start 2008 veranlasst haben, dass die Zuwendung eines Sportvermarkters (Signing Fee) in Millionenhöhe erst im darauffolgenden Jahr umfänglich verbucht wurde. Vermutlich sollte mit diesem Bilanztrick nach seiner ersten vollen Saison ein besseres Ergebnis erreicht werden. Das Papier einer Wirtschaftskanzlei legt nahe, dass Grünewalt bereits vor seiner Bestellung als Finanzvorstand 2010 im Hintergrund geschäftlich für den FCK mit seinem Protegé Kuntz tätig gewesen war.
Derweil wusste die FCK-Führung den Medienpartner des Klubs stets hinter sich. Das Lokalblatt „Die Rheinpfalz“ attestierte auch noch zum Schluss dem Vorstandsduo Kuntz/Grünewalt ein „solides Wirtschaften“. Da war schon absehbar, dass das Geld der Fananleihe weg sein müsste. Noch immer sitzt Kuntz im Vorstand des Ligaverbandes. Der Verein kann jetzt nicht mal die im Prospekt vorgesehene halbe Million Euro jede Saison zur Seite legen, um die Rückzahlung im Jahr 2019 zu gewährleisten. Der neue Vorstandschef Thomas Gries versprach den Anhängern dennoch die Rückzahlung der Anleihe. Es werde an einem Finanzierungskonzept gearbeitet. Doch kann dies kaum ohne eine Umschuldung gehen. Auch der Verbleib zweckgebundener Mittel in Höhe von 2,8 Millionen Euro, die aus einem Stadion-Deal mit der Stadt stammen, ist ungewiss. Konsequenterweise schlägt die neue Führung unter Gries und Klatt, die erkennbar umschwenken wollen, einen radikalen Sparkurs ein und kündigte eine Reduzierung des Spieleretats um 20 Prozent auf unter neun Millionen Euro an. Auch regelmäßige Informationen über den Finanzstatus soll es geben, zugleich ein neues Wir-Gefühl entfacht werden. Die Aufarbeitung der alten Ära steht erst bevor.
