Der neue FCK-Trainer im Porträt

Torsten Lieberknecht: Der lange Weg zurück zum Betze

Torsten Lieberknecht: Der lange Weg zurück zum Betze


Torsten Lieberknecht kommt. Als Cheftrainer. Endlich. Damit erfüllt er seine eigene Prophezeiung. Zum Betze passt der Springsteen-Fan nicht nur, weil er Pfälzer ist. Zuletzt fehlte Feuer - und er könnte der Funke sein, der's neu entfacht.

"I'll meet you further on up the road - Ich treff dich ein Stück weiter die Straße rauf", heißt es in dem Song "Further on up the Road", von dem die meisten wohl nur die eindrucksvolle Cover-Version von Johnny Cash kennen. Tatsächlich aber stammt er aus der Feder von Bruce Springsteen, Torsten Lieberknechts Lieblingsmusiker. Und so ähnlich hat es der neue Cheftrainer des 1. FC Kaiserslautern immer auch formuliert, wenn ihn Bekannte aus der Pfalz ansprachen, wann man ihn denn endlich mal als Trainer auf dem Betzenberg antreffe: "Irgendwann wird es schon mal klappen mit mir und dem FCK."

In der Tat schien die Rückkehr des gebürtigen Bad Dürkheimers in seine Heimat schon immer vorgezeichnet. Wer sich in der Vergangenheit mit ihm austauschte, erkannte schnell, dass er stets bestens über den FCK informiert war. Hinter den Kulissen soll es auch immer wieder Anwerbeversuche gegeben haben, schon in den Jahren zwischen 2008 und 2018, als Lieberknecht bei Eintracht Braunschweig als einer der am stärksten verwurzelten Trainer der Branche galt. Auch danach scheiterte eine Verpflichtung meistens daran, dass er gerade anderswo fest engagiert und erfolgreich war, wenn Lautern einen Trainer suchte.

2021 hätte schonmal soweit sein können, aber ...

Einmal allerdings wurde es ein wenig kurios. Im Februar 2021, als der FCK Marco Antwerpen als Nachfolger von Jeff Saibene vorstellte. Da wurde der damalige Beiratssprecher Markus Merk gefragt, weshalb es nicht Torsten Lieberknecht geworden sei, der im November 2020 beim MSV Duisburg entlassen worden war. "Torsten stand nicht zur Verfügung", antwortete Merk. Das erschien nicht so ganz glaubwürdig. Es war doch mitten in der Corona-Zeit, als jeder leicht zuhause zu erreichen war. Und nach DBB-Informationen soll es durchaus ein Gespräch gegeben haben, allerdings sprach sich mindestens ein FCK-Investor gegen Lieberknecht aus.

Diesmal also hat's geklappt. Torsten Lieberknecht ist zurück bei dem Verein, mit dem er 1992 deutscher A-Jugend-Meister wurde. Im Finale schlugen die Betze-Buben damals den Nachwuchs des 1. FC Köln 5:1. Und hinter dem jungen Kapitän und Innenverteidiger Lieberknecht räumte ein Libero namens Thomas Hengen ab. Der ist heute Geschäftsführer beim FCK. So ein Zufall aber auch. "Come and get me if I ain't right, but if I am, meet me in the city tonight - Komm und hol mich, wenn ich daneben liege, und wenn doch, triff mich heute Nacht in der Stadt", heißt es in einem anderen Springsteen-Song.

In Mainz traf er Wolfgang Frank - ein Wegweiser

Die Profi-Karriere blieb dem Youngster am Betze jedoch versagt. Nur 13 Einsätze in der Ersten Mannschaft zwischen 1992 und 1994, beim 3:1-Sieg gegen Bochum im Oktober 1992 erzielte er immerhin mal einen Treffer. Nach einem Zwischenspiel auf dem Waldhof, über das man heute lieber nicht mehr spricht, landete er in Mainz. Dort coachte ihn zwei Jahre lang Wolfgang Frank. Ein Trainer, der nie in der Bundesliga arbeitete, der aber dennoch zu einem der einflussreichsten Übungsleitern dieser Dekade wurde, gemeinsam mit dem damals noch in Ulm beschäftigten Ralf Rangnick. In einer Zeit, in der ein Otto Rehhagel in Kaiserslautern noch erklärte, er gebe "keinen Fünfer" auf die Viererkette, bereiteten Frank und Rangnick den deutschen Fußball auf das kommende Jahrhundert vor. International wiesen Trainer wie Arrigo Sacchi vom AC Milan bereits die Richtung. Und wie Rangnick inspirierte auch Frank etliche seiner Spieler, die später Trainer wurden. Zu denen neben Lieberknecht auch ein gewisser Jürgen Klopp zählte.

Ab 2002 ließ der Bad Dürkheimer seine Karriere zunächst in Saarbrücken, dann in Braunschweig ausklingen. Die Eintracht war damals gerade in die drittklassige Regionalliga abgestiegen, setzte aber auch in diesen Tagen immer mal Ausrufezeichen. Als sie im August 2003 den damaligen Bundesligisten Kaiserslautern 4:1 im DFB-Pokal schlug, trug Lieberknecht blaugelb.

Zehn Jahre Braunschweig: Eine Erfolgsgeschichte

2007/2008 übernahm der Pfälzer in Niedersachsen seinen ersten Trainerjob, wurde Coach der U19, rückte als "Sachwalter Fußball" zudem ins Präsidium des Klubs auf. Im Mai 2008 übernahm er kurz vor Rundenende die Erste Mannschaft von Benno Möhlmann, holte in drei Spielen sieben Punkte und schloss die Saison auf Platz 10 ab. Das genügte den Verantwortlichen, um ihm auch für die Spielzeit darauf das Vertrauen auszusprechen.

Im Jahr darauf gelang ihm die Qualifikation für die neu gegründete 3. Liga, und gemeinsam mit dem Sportlicher Leiter Marc Arnold entwickelte Lieberknecht den Stil, der die Eintracht in den kommenden Jahren prägen sollte: Personelle Kontinuität und finanzielle Konsolidierung, in dem man Talente aus unteren Klassen an höhere Aufgaben heranführte. 2011 kletterte Braunschweig eine Liga höher, ging mit 85 Punkten als Tabellenerster durchs Ziel. Der Aufstieg war schon sechs Runden vor Schluss rechnerisch klar gemacht worden.

Nochmal zwei Jahre später kehrte die Eintracht in die Bundesliga zurück, nach 28 Jahren Abstinenz. Lieberknecht hatte in der Zwischenzeit seinen Fußballlehrer gemacht. Titel seiner Abschlussarbeit: "Der schwierige Spagat zwischen Tradition und Zukunft bei Eintracht Braunschweig." Dieses Thema hätte sich sicher auch beim 1. Kaiserslautern gut recherchieren lassen. Der wäre nach seinem Abstieg 2012 den Niedersachen gerne wieder ins Oberhaus gefolgt, scheiterte aber in den Relegationsspielen an der TSG Hoffenheim.

Mit einem kaum wettbewerbsfähigen Etat im Rücken konnten die Braunschweiger in der Bundesliga jedoch nicht überleben. Ein Jahr später ging's wieder runter. Der Trainer aber blieb nicht nur, er verlängerte sogar seinen Vertrag bis 2020. Und ums Haar wäre ihm in der Folgesaison der direkte Wiederaufstieg geglückt, doch unterlag er in der Relegation dem VfL Wolfsburg.

Das versetzte dem Verein einen Schlag, von dem er sich in der kompletten Spielzeit danach nicht mehr erholte. Er rutschte auf Platz 17 ab. Abstieg in die 3. Liga, gemeinsam mit dem FCK. Und an diesem Punkt trennten sich die Wege Lieberknechts und der Eintracht.

An Corona gescheitert in Duisburg, dann neuer Erfolg in Darmstadt

Im Oktober 2018 übernahm er den Zweitligisten MSV Duisburg auf Platz 18 - zu spät also, um noch ein wenig Personalpolitik mitgestalten zu können. Zum Start gelingt ihm zwar direkt ein 2:1 in Köln, über den gesamten Saisonverlauf vermag er aber keine Aufwärtsentwicklung herbeizuführen. Die Zebras steigen ab. Wieder aber darf er bleiben, weil er die Verantwortlichen überzeugen kann, über die Spielzeit hinaus zu denken. Abermals scheitert der direkte Wiederaufstieg nur knapp. Am Ende fehlen in der von Corona gebeutelten und schwer durchgewirbelten 3. Liga zwei Punkte auf Platz 2, einer auf den Relegationsplatz. Und wieder kommt's in der Saison darauf zum Bruch. Nach nur zwei Punkten aus den ersten vier Spielen musste Lieberknecht gehen.

Im Sommer 2021 tritt er seine nächste Station an. Darmstadt 98, dessen Trainer Markus Anfang von Werder Bremen abgeworben wurde. Platz 4 im ersten Jahr, Platz 2 im zweiten, danach ein insgesamt chancenloses Jahr in der Bundesliga. Wie damals bei den Braunschweiger Löwen: Die Lilien können allein schon finanziell nicht im Oberhaus mithalten. Doch nicht nur sportlich werden die Jahre in Hessen bewegend. Im November 2023 erleidet Torsten Lieberknechts Ehefrau Simone einen Schlaganfall. Vor der Partie gegen Mainz 05 sprechen die Lilienfans dem Paar Mut zu. Mit einem Banner, das, wie könnte es anders sein, einen Springsteen-Song zitiert: "Well, we made a promise we swore we'd always remember, no retreat, Simone, no surrender - Nun, wir haben ein Versprechen gegeben und geschworen, dass wir uns immer erinnern würden. Kein Rückzug, Simone, gib nicht auf."

Menschlichkeit und Anstand: Mehr als hohle Phrasen

Die beiden Partien gegen seinen Heimatverein im ersten gemeinsamen Zweitliga-Jahr seit Lauterns Abstieg in die 3. Liga enden 3:3 und 2:0 für Darmstadt. Bemerkenswert, wie Lieberknecht in der PK nach dem Spiel die Verdienste des nunmehrigen Lautern-Coaches und ehemaligen Lilien-Trainers Dirk Schuster für Darmstadt würdigt. Da ist zu spüren: Da redet einer, für den Menschlichkeit und Anstand in dieser Branche nach wie vor keinen hohlen Phrasen sind.

Dazu passt, wie er am Rande seines ersten Trainings am Mittwoch betonte, dass der FCK insgesamt bislang ja "eine stabile Saison" gespielt, und sich eine immer noch gute Ausgangssituation "erarbeitet, erkämpft und auch erspielt" habe, diese noch zu "veredeln". Da schwingt Anerkennung für die Arbeit des Vorgängers mit. Hätten seine Vorgesetzten das ebenso gesehen, hätten sie Markus Anfang wohl kaum entlassen.

Anfang war Visionär, Lieberknecht ist Pragmatiker

Dass der alte Übungsleiter die Instrumentarien des modernen Fußballspiels ebenso gut verinnerlicht hatte wie der neue, dürfte auch unstrittig sein. Markus Anfang allerdings war eher der Typ, der eine Idee vom perfekten Spiel im Kopf hatte, nach der er sein Team formen wollte. Mit der Zeit versuchte er sich zwar auch an ein paar Anpassungen, die aber nicht wirklich überzeugten.

Lieberknecht ist eher als Pragmatiker zu sehen, der sein Spiel mehr nach den aktuellen Möglichkeiten seines Personals aus. Und der um die Nuancen weiß, die am Ende entscheiden: "Es kommt Wochenende für Wochenende auf die Tagesform, das nötige Quäntchen Glück, aber vor allem auch auf die Bereitschaft an, mehr zu investieren als der Gegner", sagte er bereits vor zweieinhalb Jahren im DBB-Interview.

Diese Einstellung könnte sich in den verbleibenden Saisonspiele als hilfreich erweisen. Komplett neu erfinden lässt sich in der kurzen Zeitspanne ohnehin nichts.

Abschied in Darmstadt auf eigenen Wunsch

Die Trennung in Darmstadt war übrigens auf Lieberknechts eigenen Wunsch erfolgt. Nach nur drei Spieltagen mit zwei Niederlagen und einem Remis habe er gespürt, wie schwer der "Rucksack" gewesen sei, an dem Verein nach dem Bundesliga-Abstieg zu tragen hatte. Auch, weil er einen Vertrag bis 2027 unterschrieben hatte. Da habe er den Verantwortlichen helfen wollen, um "eventuellen Hemmungen, Entscheidungen zu treffen" entgegenzuwirken, erklärte der Trainer im Februar in einem Interview mit "Sport1".

Worauf er um Auflösung seines Vertrags bat und auf viel Geld verzichtete. Für so viel Größe bedankten sich die Fans zu seinem Abschied erneut mit einem Banner - selbstredend wieder mit einem Springsteen-Zitat: "We stood side by side each one fightin for the other - we said until we die we'd be blood brothers! - Wir standen Seite an Seite, jeder kämpfte für den anderen. Wir haben gesagt, bis wir sterben, werden wir Blutsbrüder sein."

"Die Sehnsucht ist da"

Dass sich Lieberknecht und der FCK irgendwann finden mussten, bestätigt das Interview ebenfalls. "Es war damals mein Kindheitstraum, Profi bei meinem Herzensverein, dem FCK, zu werden", erzählt Torsten Lieberknecht da. "Ob sich der Traum erfüllt, diesen Klub eines Tages zu trainieren, weiß ich nicht."

Und er zieht interessante Vergleiche: "In Braunschweig unter meiner Regie und in Darmstadt unter Dirk Schuster gab es damals auch eine besondere Entwicklung - der Doppel-Aufstieg von der 3. Liga in die Bundesliga. Wenn man Kaiserslautern in den vergangenen Jahren verfolgt, erkennt man Parallelen. Sie standen kurz vor dem Abstieg in die Regionalliga, doch aus dieser Situation hat sich eine enorme Kraft entwickelt."

Was den Betze ausmacht, hat er jedenfalls nicht vergessen: "Das Selbstverständnis, wieder auf den Betzenberg zu gehen, und die Gewissheit, dass das Stadion eine absolute Macht ist, sind beeindruckend. Ich glaube, dass es für den FCK ein guter Moment wäre. (...) Die Sehnsucht ist da, und sie wollen sie wecken."

Die Chance, dabei mitzuhelfen, ist ihm nun schneller gegeben worden, als er es sich wohl selbst hätte träumen lassen. Aber so geht's nun einmal zu in diesem Geschäft.

Als Springsteen-Fan kennt Lieberknecht sicher auch den Song "Dancing in the Dark", in dem es heißt: "You can't start a fire without a spark - Du kannst kein Feuer entfachen ohne eine Funken." Den könnte er schon am kommenden Sonntag gegen Schalke entzünden - und den Betze bis zum Ende der Saison brennen lassen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Chronologie im DBB-Forum: Torsten Lieberknecht wird neuer FCK-Trainer

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