Mit einem brutalen Leistungseinbruch nach der Pause macht sich der 1. FC Kaiserslautern gegen die SV Elversberg eine starke erste Hälfte zunichte - und verliert 0:1. "Weiter dran glauben" allein dürfte kaum genügen, um die Ursachen zu beheben.
Wie kann eine Mannschaft nach einer wirklich starken ersten Halbzeit ein Spiel derart aus der Hand geben? Trainer und Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern gaben sich da nach der Partie erstmal ratlos. Sie werden sich gefallen lassen müssen, dass auf der Suche nach Erklärungen zunächst mal die einfachste bemüht wird. Da hat eine der nachweislich laufschwächsten Mannschaften der Liga gegen eine der nachweislich laufstärksten eine Halbzeit lang gut mitgehalten, hat für eine zweite Hälfte in dieser Intensität aber nicht mehr die Luft gehabt.
Schon klar: Dass sein Team nicht fit genug sei, ist so ziemlich der schlimmste Vorwurf, den man einem Trainerteam machen kann. Es wird ihn hundertprozentig zurückweisen. Und etwa dagegenhalten, dass die Elf in dieser Saison Spiele zum Ende hin ja auch schon auf seine Seite gezogen, Rückstände aufgeholt und sogar gedreht hat, und das deute ja wohl kaum auf Fitnessprobleme hin. Das stimmt zwar von Resultaten her, aber: Für diese muss nicht unbedingt eine Steigerung der Laufleistung ursächlich gewesen sein.
Bei ihrem 2:1-Auftaktsieg in Ulm, bei dem die Lautrer einen 0:1-Rückstand aus der 48. Minute drehten, liefen sie dennoch fast sieben Kilometer weniger als ihr Gegner, zogen 30 Sprints weniger an. Beim anschließenden 2:2 gegen Fürth, als sie einen 0:2-Rückstand aufholten, waren sie am Ende vier Kilometer weniger gelaufen. Und auch bei ihrem spät herausgeschossenen 1:0-Sieg in Münster liefen und sprinteten sie weniger als die unterlegenen Hausherren, auch wenn die Daten da enger beieinander lagen.
Erinnerungen ans Paderborn-Spiel vom Februar
Im übrigen wäre der Vorwurf ja auch nicht an nur ein Trainerteam zu richten. Der FCK hat bekanntlich schon unter diversen Vorgängern Markus Anfangs in den Lauf-Rankings "gelaufene Kilometer", "Sprints" und "intensive Läufe" permanent hintere Plätze belegt. Unter Dirk Schuster mag dies zum Teil noch dessen ingesamt zurückhaltender Spielanlage geschuldet gewesen sein. Dass die Mannschaft aber auch nicht hochschalten konnte, als eine intensivere Gangart gefordert wurde, zeigte sich dann bereits unter dessen Nachfolger Dimitrios Grammozis.
Dessen "Abschiedsspiel" gegen den SC Paderborn im Februar erinnerte ein wenig an diesen aktuellen Auftritt des FCK in Elversberg. Eine hochkonzentriert geführte erste Halbzeit mit phasenweise lehrbuchmäßigen Pressingphasen und einer verdienten 1:0-Führung. Danach eine zweite Hälfte, in der die Intensität empfindlich nachließ, der Gegner die Initiative übernahm und 2:1 gewann.
Auch in Elversberg hatte der FCK die Partie 45 Minuten lang im Griff, auch wenn ihm kein Treffer glückte. Okay, der eine oder andere wird jetzt einwenden: Das war auch schon vergangene Woche in Regensburg der Fall, aber da hat man vorm Tor auch nichts zuwege gebracht. Dieser Auftritt aber war vollkommen anders gestaltet.
Hälfte eins: Viel Bewegung, Vorwärtsdrang, Zweikampfstärke
Die Roten Teufel präsentierten sich in der Offensive nicht mehr so statisch wie an der Donau. Wenn etwa Linksverteidiger Erik Wekesser auf seiner Seite hinaufmarschierte, sicherte ihn Filip Kaloc ab. Daniel Hanslik, der für den von der Startelf auf die Tribüne versetzten Dickson Abiama reinkam, zog dann in die Mitte. Daisuke Yokota auf der gegenüberliegenden Seite tat es ihm gleich, setzte sich, mit dem Ball an seinem starken linken Fuß, auch in engen Räumen elegant durch. Immer wieder spielten sich die Pfälzer im Angriffsdrittel fest, stellten den Gegner bereits bei Einwürfen tief in dessen eigener Hälfte, kombinierten sich selbst durch enge Räume.
So etwa schon nach sieben Minuten. Yokota und Jan Gyamerah behaupten einen Einwurf von Marlon Ritter auf dem rechten Flügel, passen auf den sich halbrechts im Strafraum anbietenden Boris Tomiak, der flankt auf Ragnar Ache, doch dessen Kopfball landet direkt in den Armen von SVE-Keeper Nicolas Kristof.
Die Betze-Buben sind aber auch in Zweikämpfen präsent und reagieren fix nach Balleroberungen. Beispiel 28. Minute: Lauterns Goalie Julian Krahl leistet sich mal wieder einen zu riskanten Flachpass durchs Zentrum, Richtung Mittellinie. Der Ball landet zunächst beim Gegner, doch Kaloc ist direkt zur Stelle, holt sich das Leder zurück, passt nach rechts zu Yokota. Der gibt steil auf den durchstartenden Rechtsverteidiger Jan Gyamerah, dessen Flanke wird abgewehrt, doch Kaloc ist mittlerweile am Sechzehner angekommen und ballert die Kugel knapp übers Torgebälk.
Für die "Elv" kam in Hälfte eins erstmals nach 25 Minuten mit Fisnik Asllani ein Angreifer in Schussposition. Kurz vor dem Halbzeitpfiff musste Krahl nochmal Kopf und Kragen riskieren, aber ansonsten war's das mit saarländischer Offensivherrlichkeit.
Der FCK indes war noch bei einigen Standardsituationen präsent. Schade, dass Ritter bei einem Freistoß halbrechts von der Strafraumgrenze nicht Wekesser ranließ, denn das war eine Position für einen Linksfuß. Statt dessen schlenzte MR7 das Leder mit seinem rechten Fuß links am Tor vorbei.
Unterm Strich aber boten diese 45 Minuten durchaus den Fußball, den Markus Anfang am Betzenberg etablieren soll. Aber dann …
Der Bruch: Die schlimme Viertelstunde nach der Pause
Ja, was war da in der Pause nur geschehen? Die erste Viertelstunde nach Wiederanpfiff jedenfalls war erschütternd.
Ein paar "Wyscout"-Visualisierungen dokumentieren den Bruch recht anschaulich. So verschoben sich plötzlich die Zweikampfbilanzen:
So die Ballbesitzanteile:
So die Anzahl der Pässe, die eine Mannschaft dem Gegner gestattet, ehe er ihn attackiert (Passes per defensive Action, PPDA)
Und so die Aufstellungslinien.
Und obwohl die Lautrer nun tief standen, fanden die Elversberger immer wieder Anspielstationen in der "roten Zone" vorm Sechzehner. Durften den Ball bisweilen zwanzig Meter vorm Tor über die volle Spielfeldbreite laufen lassen, um nach einem Weg in die Tiefe zu suchen.
Asllani hätte eigentlich schon in der 49. Minute die Führung besorgen müssen, aber doch Elv ließ sich noch ein wenig Zeit. Nach 61 Minuten verzeichnete sie bereits fünf Abschlüsse in Hälfte zwei, der FCK einen.
In der 66. Minute war's dann soweit. Nach einem gar nicht mal rasend schnell vorgetragenen Angriff über die rechte Seite kam SVE-Linksaußen Muhammad Damar am Sechzehner frei zum Schuss. Und schlenzte das Leder mit Effet neben den rechten Torpfosten ins Netz.
Tomiak musste raus, aber das war nicht spielentscheidend
Danach war's sicher Pech, dass der angeschlagene Tomiak endgültig rausmusste. Aber ob er wirklich der Sechser gewesen wäre, der in einer solchen Situation die Nerven behalten und den Spielaufbau ruhig gehalten hätte? Im übrigen hatten auch die Elversberger ihren Taktgeber im hinteren Mittelfeld bereits verletzt auswechseln müssen. Für Semih Sahin war der Ex-Lautrer Carlo Sickinger gekommen.
Für Tomiak kam Luca Sirch zu seinem Zweitligadebüt. Er gab von nun an den Mittelmann einer Dreierkette zwischen Jannis Heuer und Jan Elvedi. Zudem warf Anfang die Stürmer Richmond Tachie und Jannik Mause in die Schlacht, aber so etwas wie geordnetes Offensivspiel kam nicht mehr zustande. Stattdessen Langholz, dass ja eine gewisse Aussicht auf Erfolg hat, wenn man einen Ragnar Ache in seinen Reihen weiß. Der Mittelstürmer biss jedoch bei den SVE-Innenverteidigern auf Granit, hatte seine besten Szenen, wenn er auf die Flügel auswich.
Tachie versuchte es mal aus spitzem Winkel, was Kristof aber keine Probleme bereitete. Ansonsten kam nur der schon nach 65 Minuten für Hanslik eingewechselte Tobias Raschl kurz vor dem Abpfiff nochmal in eine nennenswerte Einschussposition, jagte das Leder jedoch über die Latte.
Ja, dieser FCK kann gegen jeden mithalten - aber auch vergeigen
Damit hat der FCK nun nach acht Spielen neun Punkte auf dem Konto. In diesem ersten Saison-Viertel habe man gesehen, "dass wir mit jeder Mannschaft dieser Liga mithalten können", bilanzierte Kapitän Ritter hinterher. Stimmt. Phasenweise. In anderen Phasen aber war zu sehen, dass diese Mannschaft gegen jede Mannschaft dieser Liga ein Spiel vergeigen kann.
Wie diese Leistungseinbrüche abzustellen sind? Wenn das Trainerteam nicht den Vorwurf gelten lassen will, dass die Defizite im physischen Bereich liegen, wird sie diese im mentalen suchen müssen. Allein "weiter dran glauben", wie es der Trainer und die Spieler hinterher formulierten, dürfte das Problem eher nicht lösen.
Was die schwachen Laufwerte angeht, sei noch auf eines hingewiesen: Mannschaften, die sich in ihrer Liga erfolgreich gegen Wettbewerber behaupten, die mehr Budget zur Verfügung haben, schaffen dies meist über eine besondere Laufintensität. Das gilt in Liga zwei für Elversberg, in Liga eins etwa für Heidenheim. Schon allein von daher wäre es am Betzenberg angezeigt, da mal aufzuholen. Gleich, ob man diesen Aspekt als ursächlich für die jüngsten Ergebnisse ansieht oder nicht.
Für den xG-Erfolg kann man sich nichts kaufen
Zu den Grafiken. In der xG-Timeline von Wyscout "siegt" der FCK sogar noch ein wenig deutlicher als bei den mit Opta-Daten arbeitenden Anbietern, die nur ein 1,40 : 1,36 errechnet haben. Egal, kaufen kann er sich dafür eh nix.
Die Positions- und Passgrafik des FCK. Da ist wieder mal eine gewisse Asymmetrie auf den Flügeln zu erkennen. Diesmal aber auf der anderen Seite. Yokota (Nr. 41) gab einen Rechtsaußen, während die linke Seite wechselweise besetzt wurde, etwa durch den aufrückenden Wekesser (13). In der ersten Hälfte sah das auch recht gut aus. In der Schlussphase durfte übrigens wieder mal Florian Kleinhansl (3) für Wekesser ran.
Zum Vergleich die Passmap der SVE: Schöner, gleichmäßiger Aufbau. Asllani (10) im Mittel sogar noch vor Mittelstürmer Schnellbacher (24) positioniert.
Die Überkreuz-Tabelle zu den Duellen sparen wir uns. Die wär nur aufschlussreich, wenn wir eine von der ersten Hälfte und eine von der zweiten präsentieren könnten.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage