Interview des Monats: FCK-Trainer Markus Anfang (Teil 2/2)

"Friedhelm Funkel war mein wichtigster Ansprechpartner"

"Friedhelm Funkel war mein wichtigster Ansprechpartner"


Markus Anfang antwortet schlagkräftig auf die Frage nach der Viererkette, nennt seine Wunschgröße für den Kader und spricht über die Zusammenarbeit mit Enis Hajri: Teil 2 unseres großen Interviews mit dem FCK-Trainer.

Der Betze brennt: Markus Anfang, wie haben sie denn den 1. FC Kaiserslautern in der vergangenen Saison verfolgt?

Markus Anfang (50): Ehrlich gesagt, habe ich mir die Zweite Liga immer wieder mal angeschaut, aber mich keinem Verein explizit gewidmet. Mein Fokus lag auf Dynamo Dresden und dementsprechend auf der 3. Liga.

Der Betze brennt: Als Sie das DFB-Pokal-Finale sahen, wie sicher waren Sie da bereits, dass Sie Ihre künftige Mannschaft sehen?

Anfang: Noch nicht sehr sicher. 'Natürlich habe ich mir das Spiel angeschaut, aber nicht in dem Bewusstsein, dass das meine neue Mannschaft sein könnte, wie verschiedene Dinge auf dem Platz funktionierenoder wie sich wer bewegt. Ich kannte die Kaderstruktur und einzelne Spieler ja noch gar nicht. Ja, es hatte bereits erste Gespräche mit Thomas Hengen gegeben, unmittelbar, nachdem klar war, dass es mit Friedhelm Funkel nicht weitergehen würde. Aber dann bin ich in Urlaub geflogen und habe Thomas mitgeteilt, dass ich erst mit Friedhelm reden möchte, bevor ich unterschreibe. Das habe ich dann auch getan. Friedhelm Funkel war mein wichtigster Ansprechpartner. Einen mit seiner Erfahrung, den muss man einfach kontaktieren, wenn man dazu die Möglichkeit hat.

Der Betze brennt: Wie Ihre Aussage zu Ihrer Dresdner Zeit zeigte, beschäftigen Sie sich ja auch mit Analysedaten - die der eben genannte Friedhelm Funkel etwa für "überbewertet" hält. Haben Sie sich auch die vom FCK aus der letzten Saison schonmal angeguckt?

Anfang: Nicht wirklich. Zurzeit geht's für mich darum, zu erkennen, was für ein Potenzial jeder Einzelne hat und das, was wir spielen lassen wollen, mit den Jungs zu besprechen. Was im letzten Jahr war, will ich gar nicht wissen. Die Spieler hatten drei unterschiedliche Trainer mit drei unterschiedlichen Ansätzen, denen sie sich immer wieder neu anpassen mussten. Das macht es schwierig, sie allein anhand von Daten zu bewerten. Wir nutzen lieber diese Vorbereitung, um uns eigene Eindrücke zu verschaffen. Dort haben wir Möglichkeiten, mit jedem zu besprechen, wo er sich noch steigern kann.

Der Betze brennt: Das ist nachvollziehbar, soweit es um individuelle Leistungsdaten geht. Aber einige Team-Statistiken springen so ins Auge, dass Sie mit Thomas Hengen darüber doch gesprochen haben müssen, bevor sie unterschrieben haben. Zum Beispiel über die Leistungseinbrüche in der zweiten Halbzeit. Nach Halbzeit-Ergebnissen war der FCK Tabellendritter, nach 90 Minuten Abstiegskandidat. War das ein Problem der körperlichen oder der mentalen Fitness?

Anfang: Ja, darüber haben wir schon gesprochen, aber nur kurz. Ich glaube sogar, dass sich das umgekehrt zu meiner Dresdner Bilanz verhält. Da zählten wir nach den Ergebnissen der ersten Hälfte zu den schlechtesten, danach aber zu den besten Teams. Konkret an irgendwas festmachen, woran es liegt, ist schwierig. Sind wir läuferisch eingebrochen oder hatten wir einfach nur Angst zu verlieren? Haben wir zu viele Standardsituationen zugelassen? Wobei der FCK da ja eher eine der guten Mannschaften war. Du kannst alles auf den Kopf stellen, aber du wirst das vergangene Jahr nicht zurückholen können. Ich mache mir jetzt erst einmal ein Bild vom Ist-Zustand. Und wenn mir das eine oder andere auffällt, was ich als problematisch empfinde, werde ich die Leute in meinem Trainerteam und Staff fragen: War das letzte Saison auch schon so? Das ist ja auch ein Vorteil, dass wir uns da austauschen können, der Blick von außen und der Blick von innen. Dann kann ich vergleichen - und überlegen, wie wir das ändern können.

"Wir spielen in Räumen - da geht’s nicht um klassische Grundordnung"

Der Betze brennt: Wir haben mal bei Kollegen nachgefragt, die Holstein Kiel schon lange verfolgen: Wo seht Ihr Unterschiede zwischen dem Aufstiegstrainer Anfang und dem Aufstiegstrainer Rapp? Die Antwort, kurz zusammengefasst: Guten Fußball haben wir unter beiden gespielt, aber Rapp achtet mehr darauf, das Spiel seiner Mannschaft dem Gegner anzupassen und stellt dementsprechend auch mal um. Anfang ist eher einer, der will, dass sich die Gegner nach ihm richten. Ähnliches hört man auch von anderen Stationen, an denen sie arbeiteten. Ein Vorurteil?

Anfang: Jein. Wir wollen früh Druck auf den Gegner bekommen, ihn im Zweikampf hart angehen und an ihm kleben. Dazu müssen wir im Spiel gegen den Ball auch mal was an unserer Positionierung ändern, damit das Zahlenverhältnis stimmig bleibt. Wenn der Gegner etwa mit vier Mann im Zentrum spielt, kannst du nicht mit zweien dagegenhalten, sonst bist du in Unterzahl. Und ich möchte grundsätzlich immer eine Sicherung haben. Also müssen wir gegen den Ball auch mal anpassen. Das heißt aber nicht, dass ich alles ändere. Aber wenn wir die Kugel haben, dann wollen wir variabel sein, jedoch in unserer Ordnung und bei unseren Abläufen bleiben. Da muss jeder Spieler wissen, ich kann mich in dem Raum bewegen, in dem oder in dem. Und das haben Ihre Kollegen wahrscheinlich gemeint, als sie sagten, dem Anfang ist es egal, was der Gegner macht, seine Spieler sollen nur auf sich gucken.

Der Betze brennt: Welche Grundordnung bevorzugen Sie denn nun eigentlich? In der Regel ein 4-3-3, so ist es jedenfalls meistens zu lesen?

Anfang: Ich habe es eben schon angedeutet. Von diesem klassischen Systemdenken sollten wir langsam mal wegkommen. Spielt der nun ein 4-3-3, ein 4-4-2 oder 3-5-2? Ich weiß, die Medien wollen die Fans immer damit bedienen und das ist auch legitim. Tatsächlich aber kannst du einen Trainerkollegen kaum noch groß überraschen, wenn du mal von Vierer- auf Dreierkette umstellst. Wir spielen in Räumen - da geht's nicht mehr so um eine klassische Grundordnung. Will ich einen zusätzlichen Sicherungsspieler hinten, ziehe ich den Sechser ins Abwehrzentrum. Ob Ihr das dann eine Dreier- oder Fünferkette nennt, was aus der Vierkette geworden ist, ist mir doch egal. Will ich vorne mit zwei Mann attackieren, ziehe ich noch einen Mittelfeldspieler vor die Sturmspitze, dann wird aus dem 4-2-3-1 eben ein 4-4-2, na und? Oder wir lenken das Spiel auf eine Seite und laufen nur mit einer Spitze an. Im Grunde weiß jeder Trainer, welche Ordnung, welches Zahlensystem auf ihn zukommt. Am Ende entscheidet die Umsetzung, wie und mit was die eigene Mannschaft am besten zurecht kommt.

Der Betze brennt: Das heißt, eine intensive Gegner-Analyse spielt bei Ihrer Spiel­vorbereitung genauso eine wichtige Rolle wie bei Ihren Vorgängern?

Anfang: Natürlich. Wir müssen doch wissen, was auf uns zukommt, und das der Mannschaft nahebringen. Aber wir dürfen den Gegner auch nicht zu groß machen. Wir müssen wissen, wie wir ihn defensiv und wie wir ihn offensiv bespielen wollen. Da haben wir unsere Herangehensweise. Egal, gegen wen es geht, wir überlegen immer, wie wir einen gewissen Druck auf ihn bekommen. Das ist, wie wenn du dich auf einen Boxkampf vorbereitest: Du guckst dir an, wie dein Gegner schlägt, wie du ihn am besten verteidigst. Dazu musst du auch mal deine Position oder deine Armhaltung ändern. Aber du musst auch wissen, wo seine Schwächen sind und wie du ihn treffen kannst. Also richtest du dich nicht komplett nach deinem Gegner aus, sondern versuchst auch, dem Stil treu zu bleiben, den du am ehesten beherrschst.

Der Betze brennt: Für diesen Part haben Sie ja neben Co-Trainer Florian Junge auch Ihren Videoanalysten aus den knapp zwei Jahren in Dresden mitgebracht, Timon Klasen.

Anfang: Ja. Timon wollte Dresden eigentlich schon verlassen, fand dann aber total spannend, wie wir als Trainerteam arbeiten, und ist geblieben. Mittlerweile hat er meine Herangehensweise total verinnerlicht und arbeitet viele Dinge schon im Vorfeld ab, was für mich eine wahnsinnige Arbeitserleichterung ist. Er arbeitet jetzt mit FCK-Spielanalyst Marvin Manske zusammen und, soweit ich sehe, passt das gut. Und mit Niklas Martin haben wir noch jemandem im Trainerteam, der aus diesem Bereich kommt, da sind wir nun also top aufgestellt. Außerdem sind die Datenanalysten unser Bindeglied zum Scouting-Bereich.

Der Betze brennt: Gutes Stichwort. Der FCK stellte vergangene Saison die zweitschwächste Defensive der Liga. Nichts gegen die bereits getätigten Neuverpflichtungen, aber so ziemlich jeder im Umfeld wünscht sich für den Abwehrbereich mindestens noch ein echtes Kaliber, vorzugsweise einen Linksfuß.

Anfang: Abwehrarbeit hat nicht nur was mit einzelnen Positionen zu tun, die ist Sache des Mannschaftsverbundes. Auch mit dem vorhandenen Personal können wir Verbesserungen erzielen. Wir haben ja schon vier Innenverteidiger, und die können auch verteidigen, sonst wäre die Mannschaft vergangenes Jahr nicht ins Pokalfinale gekommen. Unser Hauptaugenmerk liegt zurzeit auf denen, die wir haben und mit denen wir noch planen wollen. Für die Sechser-Position haben wir beispielsweise noch einen Afeez Aremu, der letzte Saison oft ausgefallen ist, wenig Spielzeit bekommen hat und vielleicht auch insgesamt ein unglückliches Jahr hatte. Spieler wie ihn müssen wir uns erstmal angucken und ein Gefühl für sie entwickeln. Deswegen wollen wir nicht in Hektik und Aktionismus verfallen. Was nicht heißt, dass wir Trainer uns nicht ständig mit Thomas Hengen und Enis Hajri (Geschäftsführer und Sportdirektor; Anm. d. Red.) austauschen, wer auf dem Markt ist und für uns interessant wäre, auch für andere Positionen. Aber es muss passen.

"Ideal wären 24 Feldspieler, um in drei Achtergruppen zu trainieren"

Der Betze brennt: Welche Kadergröße schwebt Ihnen denn vor?

Anfang: Ideal wären vier Torhüter und 24 Feldspieler, so dass wir im Training in drei Achtergruppen arbeiten können. Zurzeit haben wir 22 Feldspieler, weil sich Ragnar Ache noch in der Reha befindet und Hendrick Zuck erst wieder ins Lauftraining eingestiegen ist. Wieviele Jugendspieler und Jungprofis das Aufgebot auffüllen, wird von der Qualität der Jugendspieler abhängen. Wie es final ausschauen wird, ist aber noch nicht endgültig geklärt. Das liegt natürlich auch an der Machbarkeit und den wirtschaftlichen Mitteln.

Der Betze brennt: Stichwort Enis Hajri. Dass es um den Technischen Direktor Sport - so die offizielle Bezeichnung seiner Position - vergangene Saison Diskussionen gab, dürfte Ihnen bekannt sein. Unter Trainer Schuster saß er auf der Tribüne, bei Grammozis wechselte er dann runter auf die Bank, ehe Funkel ihn wieder nach oben verbannte - er sei zu emotional, würde zu viel Unruhe in die Mannschaft bringen. Wie werden Sie da verfahren?

Anfang: Da haben wir noch nicht drüber gesprochen, weil wir uns jetzt in erster Linie um die Mannschaft kümmern. Beim Testspiel saßen Enis und Thomas [Hengen] beide mit auf der Bank. Wie wir das dann in der Meisterschaft und im Pokal regeln, werden wir in Ruhe besprechen.

Der Betze brennt: Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit Hajri denn bislang für Sie dar?

Anfang: Bislang kann ich nur Positives über ihn sagen. Er gibt immer Hilfestellung, scoutet Spieler, gibt Empfehlungen, aber lässt uns in Ruhe arbeiten. Ebenso Thomas Hengen, der sehr wissbegierig und oft bei den Trainingseinheiten dabei ist. Alles total in Ordnung. Wir sind ja alle ein Team. Da gehört Thomas dazu, Enis, da gehört die Mannschaft dazu, ebenso die Physios. Aber ich bin der Cheftrainer. Ich höre mir gerne Meinungen an, aber ich entscheide, wer spielt und wer eingewechselt wird.

Der Betze brennt: Und da lassen Sie sich von niemandem reinreden?

Anfang: Niemals. Da kann ich ein ganz schöner Sturkopf sein.

"Ich wünsche mir, auch unruhige und holprige Phasen durchzustehen"

Der Betze brennt: Sie sind vor kurzem 50 geworden. Wie sieht Ihre weitere Lebensplanung aus? Wollen Sie irgendwann mal Bundesliga trainieren?

Anfang: Den Ehrgeiz, es noch einmal in die Bundesliga zu schaffen, habe ich auf jeden Fall. Ich war ja schon ein paar Mal nah dran. Mit Kiel in den Relegationsspielen, Köln war Tabellenerster der Zweiten Liga, als ich gehen musste, auch Bremen hat es in der Saison, in der ich schon in der Vorrunde gehen musste, am Ende geschafft. Das heißt jetzt nicht, dass ich mich dazu verpflichtet sehe, mit dem FCK aufzusteigen. Ich sehe die Aufgabe und die Entwicklung. Aber den Ehrgeiz habe ich, auf jeden Fall. Ansonsten sieht meine Lebensplanung vor, dass ich gesund bleiben will und ab einem gewissen Zeitpunkt mehr Zeit für meine Familie haben will. Doch meine Leidenschaft ist der Fußball. Wenn ich den nicht habe, fehlt mir auch ein Stück Energie.

Der Betze brennt: Sie haben in Lautern einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Ist das lang genug, um Ihr Ziel Bundesliga mit FCK zu schaffen?

Anfang: Das musste ja jetzt noch kommen (lacht). Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass vergangene Saison hier drei Trainer waren. Da müssen wir erstmal wieder Kontinuität reinkriegen. Dann können wir erfolgreich sein, davon bin ich überzeugt. Aber ob das dann am Ende für den Aufstieg reicht? Da muss viel zusammenkommen. Ich hab's mit Holstein Kiel mit 56 Punkten in die Relegationsspiele geschafft, in Dresden bin ich mit 69 Punkten nur Sechster geworden. Bei Dynamo haben wir in einem Kalenderjahr mal 89 Punkte geholt, aber leider nicht einer Saison. Was wir alle lernen sollten, ist ein Stück Bescheidenheit, so ambitioniert wir auch sind. Wir müssen geerdet bleiben und dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Aber wenn wir gut gearbeitet und die Jungs sich gut entwickelt haben, wollen wir auch nichts ausschließen.

Der Betze brennt: Würden Sie sich denn wünschen, beim Verein auch mal über einen längeren Zeitraum arbeiten zu können?

Anfang: Das wünschen sich viele Trainer. Die meisten Vereine wünschen es sich auch, und trotzdem kommt es nur in Ausnahmefällen zu längeren Zusammenarbeiten. Wir haben vorhin ja ein paar Namen genannt, und dort hat sich auch nachhaltiger Erfolg eingestellt. Ich würde mir wünschen, dass man gemeinsam mal eine Phase durchsteht, die unruhig und holprig ist, weil da kann man wahnsinnig viel draus lernen, auch voneinander. Und hinterher ist die Verbindung dann noch intensiver. Es müssen aber alle, auch die Fans, immer das Gefühl haben, dass es insgesamt in die richtige Richtung geht. Da gehört viel dazu, ich weiß.

Der Betze brennt: Am Donnerstag wird der Spielplan für die kommende Saison veröffentlicht. Haben Sie einen Wunschgegner zum Auftakt?

Anfang: Schön wäre ein Heimspiel. Gegen wen, ist mir egal.

Der Betze brennt: Dann bleibt uns nur, Ihnen alles Gute zu wünschen und uns für das tolle Gespräch zu bedanken. Wir sehen uns zum Saisonauftakt. Hoffentlich bei einem Heimspiel. Egal, gegen wen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "Mir hat es nie gereicht, unentschieden zu spielen"

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