Interview des Monats: FCK-Trainer Markus Anfang (Teil 1/2)

"Mir hat es nie gereicht, unentschieden zu spielen"

"Mir hat es nie gereicht, unentschieden zu spielen"


Das erste ausführliche Interview mit Markus Anfang: Im DBB-Gespräch verrät der neue FCK-Trainer die drei Säulen seiner Arbeit mit der Mannschaft, welcher Fehler auf dem Platz für ihn ein No-Go ist und wie seine erste Begegnung mit den Investoren war.

Der Betze brennt: Markus Anfang, wie verfolgen Sie denn die EM?

Markus Anfang (50): Bislang haben wir es meistens nur geschafft, die 21-Uhr-Spiele zu sehen, weil wir vorher nicht nach Hause gekommen sind. Oft konnte ich auch nur die zweite Halbzeit schauen. Ich versuche natürlich, alle Spiele der deutschen Mannschaft zu sehen.

Der Betze brennt: Gibt es eine Mannschaft, von der Sie sagen, wie die spielt, so will ich auch beim 1. FC Kaiserslautern spielen lassen?

Anfang: Natürlich jede, die gewinnt (lacht). Nein, im Ernst, da habe ich eigentlich noch nie drauf geachtet, das wäre auch nicht fair. Wir sind Zweitligist, wir haben ganz andere Voraussetzungen. Wir können uns nicht mit den Top-Spielern vergleichen, die bei so einer Europameisterschaft unterwegs sind. Natürlich hast du als Trainer immer den Wunsch, dass deine Jungs einfach alles können. Sie wollen ja auch alles lernen, das merke ich in den Trainingseinheiten. Wir wollen uns alle weiterentwickeln. Dabei dürfen die Jungs auch mal Fehler machen. Es gibt nur einen Fehler, den ich gar nicht akzeptiere: die Unterlassung. Wenn du nichts versuchst, dann wirst du dich nicht weiterentwickeln.

"Einen Fehler akzeptiere ich gar nicht: die Unterlassung"

Der Betze brennt: Sie sind auf Ihren bisherigen Stationen immer dadurch aufgefallen, dass Sie sehr offensiv denken. Ihre Mannschaften sollen agieren, nicht reagieren. Woher kommt das, dass Sie Fußball immer offensiv denken?

Anfang: So ein bisschen liegt das wohl in der Natur der Sache. Ich war früher auch ein Offensivspieler, der viel nach vorne gespielt hat, der wahnsinnig ehrgeizig ist, der natürlich unheimlich gerne Spiele gewinnt. Mir hat es nie gereicht, unentschieden zu spielen. Das versuche ich auch als Trainer weiterzugeben. Aber das soll jetzt nicht so rüberkommen, dass ich nur Hurra-Fußball spielen lassen will, was uns ja auch schon angedichtet worden ist. Ich möchte auch gerne zu Null spielen.

Der Betze brennt: Gab es auf Ihrem Karriereweg als Spieler Trainer, die Sie besonders beeinflusst haben?

Anfang: Ich hatte das Glück, viele gute, aber auch unterschiedliche Trainer zu erleben. Aleks Ristic, Huub Stevens, Jogi Löw ... Übrigens auch Erik Gerets in Kaiserslautern, selbst wenn es da am Ende bekanntlich Probleme gab (Anfang wurde im Januar 2004 zusammen mit Thomas Hengen und Steffen Freund aussortiert; Anm. d. Red.). Inhaltlich aber war seine Arbeit absolut in Ordnung. In der Jugend war mein Vater zehn Jahre lang mein Trainer, das prägt natürlich ebenfalls. Was für mich rausgezogen habe ich mir bei jedem, aber jemanden kopieren wollte ich nie, das macht auch keinen Sinn. Du musst immer dein eigenes Ding machen. Für mich als Spieler war es immer wichtig, mich wohlzufühlen, und das soll jetzt auch bei meinen Jungs so sein. Früher haben die Trainer mit mehr Distanz gearbeitet und Dinge eingefordert, was über Respekt schon hinausging. Mir ist Empathie wichtiger.

Der Betze brennt: Wir in Kaiserslautern haben Sie das erste Mal in der Saison 2017/18 wahrgenommen, als Sie mit Holstein Kiel in die Zweite Liga aufgestiegen waren und am Ende Platz 3 erreichten, während der FCK abstieg. Kiel fiel damals durch einen gepflegten Fußball auf, der so gar nichts Underdog-mäßiges hatte, wie man es von einem Aufsteiger erwartet ...

Anfang: Der Verein hatte 36 Jahre lang versucht, in die Zweite Liga aufzusteigen, und hatte es dann endlich geschafft. Wir hatten eine Mannschaft, die einfach eine gute Entwicklung genommen hatte, da haben wir uns gesagt: Wir gehen da jetzt nicht rein und rufen den Klassenverbleib als Saisonziel aus. So verlierst du schon von vorneherein Spiele und kämpfst gegen den Abstieg. Wir bereiten uns vor, um Spiele zu gewinnen und nicht mit dem Gedanken, bloß nicht verlieren zu wollen. Das versuchte ich danach auch allen anderen meiner Mannschaften zu vermitteln, nur ist es manchmal anders wahrgenommen worden.

Der Betze brennt: Was in Kiel auffällt: Für Sie und fast alle Trainer, die nach Ihnen kamen, wurde die KSV zum Karriere-Sprungbrett. Tim Walter landete anschließend beim Hamburger SV, Ole Werner coacht jetzt Erstligist Bremen, Marcel Rapp ist mit den Störchen in die Bundesliga aufgestiegen, nur mit André Schubert hat's zwischenzeitlich mal nicht so funktioniert. Beim FCK findet man seit Jahren keine Linie, wenn es um Trainerverpflichtungen geht. Wie bekommt Kiel das hin? An den Sportdirektoren kann's nicht liegen, denn auch die wechseln regelmäßig.

Anfang: Da sitzen mit Hermann Langness und Gerhard Lütje erfolgreiche und erfahrene Unternehmer im Aufsichtsrat. Mit Wolfgang Schwenke haben sie einen Finanz-Geschäftsführer, der auch sportlich viel Einfluss hat, weil er selbst sehr erfolgreich als Handball-Trainer gearbeitet hat. Das ist schon einmal eine gute Basis, um Geld vernünftig und gut einzusetzen. Zusammen hat man ein Umfeld und Strukturen geschaffen, die die Ruhe und Kontinuität ausstrahlen, die alle so gerne hätten. Findet man so aber nicht überall. Hat vielleicht auch was mit der typisch norddeutschen Gelassenheit zu tun. Gemeinsam hat man Kiel von einer Handballstadt zu einer Sportstadt entwickelt, in der auch Fußball seinen Platz hat. Und man hat Trainer geholt, die aufstrebend waren, die mutig waren, die nach vorne spielen wollen.

"Guardiola? Klopp? Jeder muss seinen eigenen Weg finden"

Der Betze brennt: Gerade in den unteren Klassen herrscht ja die Meinung vor: Allzu hohe fußballerische Ansprüche darf man nicht stellen, weil ja das Geld fehlt, um die Spieler zu verpflichten, die diese erfüllen können. Aber es gibt Ausnahmen, Teams, die mit geringen Budgets zusammengestellt sind und dennoch attraktiven Fußball spielen wollen. Sie und Ihre Nachfolger in Kiel waren und sind solche Ausnahmen, außerdem Christian Titz in Magdeburg, Horst Steffen in Elversberg, Lukas Kwasniok in Paderborn. Erkennen Sie da geistige Verwandte?

Anfang: Von geistigen Verwandten würde ich nicht reden. Jeder hat seine Herangehensweise, wie er Fußball spielen lässt, seine Prinzipien. Und man braucht eine gewisse Zeit, diese umzusetzen. Die genannten Kollegen arbeiten alle schon länger an ihren gegenwärtigen Stationen, und alle haben auch schon mal Zeiten durchlebt, in denen es nicht so lief. Ich weiß natürlich, je größer ein Verein ist, umso mehr Wucht er hat, umso stärker wünscht man sich - und ich spreche jetzt bewusst nicht von Erwartungshaltung -, dass es schnell geht, dass man schnell nach oben kommt. Aber wenn man zu schnell nach oben geht, geht's vielleicht auch schnell wieder runter, weil, um nachhaltig was aufzubauen, ein Jahr mehr nötig gewesen wäre. Das ist so ein bisschen die Problematik, gerade bei großen Vereinen. Ich war in Köln, in Bremen, in Dresden, ich weiß, wie die Fans ticken. Aber ich glaube, wenn die Mannschaft dem Publikum das Gefühl gibt, das, was da passiert, ist ehrlich, ist geradeaus, ist leidenschaftlich, dann akzeptieren die Fans auch mal ein schlechtes Ergebnis. Und bauen die Jungs auf, statt draufzuhauen.

Der Betze brennt: Apropos, wie die Fans ticken: Beim FCK kommen Sie in Ihrer Trainerkarriere zum ersten Mal zu einem Verein, in dem auch Investoren mitreden. Haben Sie die schon kennengelernt?

Anfang: Ja. Auch die Investoren sind ja Fans, ich denke, dass kann man von allen in dieser Gruppe sagen. Ich hatte auch schon ein Gespräch mit dem Beirat, da sind ja auch zwei der Investoren dabei. Lief alles sehr positiv. Ich hatte auch nichts anderes erwartet.

Der Betze brennt: Der FCK hatte letzte Saison den zweithöchsten Zuschauerschnitt der Vereinsgeschichte, jetzt wurde mit 28.000 Dauerkarten gerade ein neuer Rekord für die Zweite Liga aufgestellt. Welche Bedeutung messen Sie den Zuschauern für die kommende Saison zu?

Anfang: Es ist sehr wichtig für uns, so eine Fanbase und solch einen Support zu haben. Das wollen wir natürlich auch vom Platz aus beliefern: Wir wollen den Funken überspringen lassen. Wenn du so eine Tribüne hinter dir stehen hast und ein ganzes Stadion, das so eine Atmosphäre erzeugen kann - das ist eine Riesenchance und die wollen wir nutzen. Das ist einfach das Besondere an solchen Vereinen wie dem FCK.

Der Betze brennt: Zurück zum Trainerdasein. Von Ihrem Kollegen Pep Guardiola ist der Satz überliefert, es brauche 100 Trainingseinheiten, bis eine Mannschaft in der Lage ist, seine Spielidee umzusetzen. Würden Sie das so unterschreiben oder geht es auch mit weniger?

Anfang: Also zunächst mal finde ich es heftig, in einem Atemzug mit Pep Guardiola genannt zu werden, von dem bin ich Meilen entfernt ...

Der Betze brennt: Aber eine ganze Trainergeneration versucht, ihm nachzueifern ...

Anfang: Ich nicht. Weil er einzigartig ist, genauso, wie Jürgen Klopp einzigartig ist. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. 100 Trainingseinheiten? Ich weiß nicht. Bei zwei Trainingseinheiten pro Tag wärst du dann nach 50 Tagen soweit ... Ich habe da, ehrlich gesagt, noch nie drüber nachgedacht, ob das hinkommen kann. Richtig ist, um sich Automatismen anzueignen, brauchst du eine gewisse Zeit. Und die kann kürzer werden, wenn sich Erfolgserlebnisse einstellen. Wenn die Mannschaft merkt, mit der Art und Weise, wie du Fußball spielst, kannst du gewinnen, dann wächst aus dieser Überzeugung Selbstvertrauen. Dann gehen viele Sachen wesentlich leichter von der Hand. Dann spielst du auch mal Spiele, die auch in die andere Richtung gehen können, aber aufgrund deiner Lockerheit, deines Selbstvertrauens, deines Selbstverständnisses gewinnst du auch die.

"Spieler besser machen, das Team besser machen, Ergebnisse erzielen"

Der Betze brennt: Marco Antwerpen und Dirk Schuster haben beim FCK einen Fußball spielen lassen, der mehr auf Reagieren als auf Agieren ausgelegt war. Und unterm Strich waren sie auch erfolgreich: Antwerpen hat den FCK wieder an die Aufstiegsplätze herangeführt, Schuster hat den Aufstieg klargemacht und ein erstes erfolgreiches Zweitliga-Jahr gespielt. Die Probleme begannen, als versucht wurde, einen mehr agierenden, dominanten Stil zu etablieren. Da haben die Ergebnisse nicht mehr gestimmt. Nachfolger Dimitrios Grammozis wollte ebenfalls auf Offensive mit laufintensiven Angriffspressing setzen, das sah phasenweise auch gut aus, brachte aber keine Punkte. Erst Friedhelm Funkel hat eine Balance zwischen Defensive und Offensive gefunden, mit der sich der Abstieg vermeiden ließ. Was stimmt Sie zuversichtlich, den Stilwechsel besser hinzukommen als Ihre Vorgänger?

Anfang: Alle Trainer, die Sie eben genannt haben, haben ihre Spuren hinterlassen. Und alle haben ihren Teil dazu beigetragen, das DFB-Pokal-Finale zu erreichen, waren zumindest in diesem Punkt erfolgreich. Meine Aufgabe ist es nicht, zurückzuschauen, was gestern war. Oder mich mit anderen zu vergleichen. Ich habe jetzt eine Sommervorbereitung zur Verfügung, das ist schon mal ein Vorteil, den andere nicht hatten. Wir müssen uns auf drei Bausteine, drei Säulen konzentrieren: Einzelne Spieler besser machen, das Mannschaftsgefüge besser machen - und Ergebnisse erzielen. Denn die müssen am Ende des Tages stimmen, das ist klar. Aber ohne die beiden erstgenannten Säulen gibt es auch diese dritte nicht. In Dresden habe ich zuletzt gesehen, wie's laufen kann. In fast allen Spielen waren wir überlegen, wir haben die wenigsten Schüsse aufs Tor zugelassen, die meisten Chancen herausgespielt, sie aber nicht genutzt. Die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen war in den meisten Partien extrem hoch, aber wir haben nicht gewonnen. Klar kannst du trotzdem versuchen, mal was umzustellen, die Mannschaft mal tiefer stellen und so. Auch das haben wir getan, doch die Ergebnisse haben immer noch nicht gestimmt. Trotzdem würde ich den Weg immer wieder so wählen. Weil ich glaube, dass es nicht häufig vorkommt, dass du trotz überlegenen Spiels kein gutes Ergebnis erzielst.

Morgen im zweiten Teil unseres großen Interviews: FCK-Trainer Markus Anfang über Dreier-, Vierer- oder Fünferkette, seine gewünschte Kadergröße und die Zusammenarbeit mit Enis Hajri.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 2 des Interviews: "Friedhelm Funkel war mein wichtigster Ansprechpartner"

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