Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SVS

Die DBB-Analyse: Video killed the Betzenberg-Roar

Die DBB-Analyse: Video killed the Betzenberg-Roar


Vom Sturm gepeitscht, von Viren geplagt, vom VAR genervt. Kaum Torszenen, aber vier Treffer. Wohl kein anderes Saisonspiel des 1. FC Kaiserslautern lässt sich so schwer einordnen wie das 2:2 gegen den SV Sandhausen.

Als etwa dreißig Minuten vor Spielbeginn die Mannschaftsausstellungen bekannt wurden, machte sich zunächst Erleichterung unter den fast 40.000 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion breit. Na, da hatte sich doch noch eine wettbewerbsfähige Mannschaft zusammengefunden, nachdem Dirk Schuster unter der Woche von - größtenteils infektbedingten - Ausfällen im zweistelligen Bereich gekündet hatte.

Wer genauer hinsah, erkannte jedoch: Philipp Klement, Aaron Opoku, Nicolai Rapp fehlten, dazu Nicolas de Préville, dessen Startelf-Debüt zumindest angedeutet worden war. Und Kenny Redondo saß nur auf Bank, offenbar, weil er nach seiner Oberschenkelblessur noch nicht hundertprozentig wieder hergestellt war. Alles technisch starke Spieler, die bestens zu gebrauchen gewesen wären gegen einen Gegner, der vorm eigenen Tor nicht viele Räume bieten würde. Zudem musste Stammkeeper Andreas Luthe passen, er wurde von Avdo Spahic ersetzt.

Zimmer rechts vorne, Hercher links, und dann die kalte Dusche

Nach dem Anpfiff offenbarten sich schnell weitere Suboptimalitäten. Der Ausfälle auf den Flügeln wegen übernahm Jean Zimmer in Schusters 4-2-3-1-Formation rechts die offensive Position vor Erik Durm. Die ist für ihn zwar nicht ungewohnt, aber besser geeignet gegen Gegner, die lange Wege nach vorne ermöglichen. Philipp Hercher rückte daher nach links - seine Schokoladenseite ist die andere. Innenverteidiger Boris Tomiak wurde wieder auf die Sechser-Position vorgezogen, weil auch Julian Niehues wegen fünf Gelber Karten ausfiel.

Dennoch versuchte der FCK, vom Start weg die Kontrolle zu übernehmen. Wurde aber schon nach acht Minuten kalt abgeduscht. Tomas Oral hatte in seinem dritten Pflichtspiel als SVS-Trainer erstmals seine Startelf verändert und zum ersten Mal einen zweiten Stürmer aufgeboten. Und eben dieser Ahmed Kutucu markierte den Führungstreffer für die Gäste.

Erst setzte er sich gegen den Hendrick Zuck durch, dann schob er sich an Robin Bormuth vorbei, um sich in Schussposition zu bringen, und das alles durch die Spielfeldmitte. Und auch sein Abschluss sah nicht unbedingt unhaltbar aus. Sofern die beteiligten Roten Teufel nicht unter schweren Grippeknochen litten, wird Trainer Schuster bei der Nachbesprechung dieser Szene wohl ein bisschen was mitzuteilen haben.

Die Mentalitätsmonster zaudern - bis Durm die Latte trifft

Danach war zunächst nicht viel zu sehen von den Mentalitätsmonstern, als die sich die Lautrer in dieser Spielzeit schon öfter profiliert hatten. Viel Ballzirkulieren in der hinteren Reihe, aber kein Druckpass, der die Sandhäuser Defensivordnung in Bewegung brachte. Aggressives Pressing? Fehlanzeige. Fiel den Betze-Buben wirklich nichts ein? Oder wollten sie sich nicht aus der Ruhe bringen lassen? Oder wollten sie nur ihre Kräfte mit so viel Bedacht wie möglich einteilen, weil die körperliche Schwächung infolge der Infektionswelle nicht mehr zuließ? Gerade der letzte Punkt sollte in der Gesamtbeurteilung des Spiels nicht unterschlagen werden und wurde vom Trainer auch im Nachgang indirekt bestätigt.

Ein Tritt von Kevin Kraus gegen Alexander Esswein im FCK-Strafraum rief ein erstes Mal den VAR auf den Plan. Kein Elfmeter.

Nach einer halben Stunde kam die Betze-Offensive endlich besser ins Rollen. Aufgeweckt hatte sie ein abgefälschter Durm-Schuss, der an der Latte landete. Vier Minten später dann das 1:1. Eine Ritter-Ecke wird zu kurz abgewehrt, Zuck retourniert in die Tormitte, SVS-Schlussmann Patrick Drewes fegt die Flanke nicht konsequent genug aus dem Fünf-Meter-Raum, Tomiak vollstreckt.

Der berühmte Betzenberg-Roar erstickt jedoch. Schiri Max Burda lässt sich geschlagene fünf Minuten Zeit für die Video-Überprüfung. Und fällt danach eine Entscheidung, die SVS-Coach Oral dennoch für falsch hält und zu der FCK-Trainer Schuster zumindest einräumt, dass sie auch andersrum hätten fallen können. Treffer zählt.

Kurz vor der Pause hätte eine mit scharfem Schnitt zum Tor getretene Zuck-Ecke die Gastgeber beinahe noch in Führung gebracht. Diesmal aber kann Drewes den Ball über die Latte lenken. Anschließend sorgt der Schiedsrichter noch für eine kuriose Szene, als er genau in dem Moment abpfeift, in dem eine letzte Flanke vom FCK in den Sandhäuser Strafraum segelt. Dann geht es bei Nieselregen und eisigem Wind zum wärmenden Pausentee.

Hälfte zwei: Nerven- und Stellungskrieg, bis der VAR Elfer pfeift

Die zweite Hälfte gestaltete sich überwiegend als Nerven- und Stellungskrieg. Über weite Strecken beanspruchten zwanzig Feldspieler nur etwa ein Viertel die Fläche des gesamten Spielfeldes, und die befand sich vor und hinter den Mittellinie. Keiner wollte mal eine öffnende Spielverlagerung gelingen. Nur zu Beginn bot sich Zimmer mal Raum zum Marschieren. Seine flache Flanke musste allerdings erst abgefälscht werden, ehe sie bei Terrence Boyd landete. Dessen 17-Meter-Schuss stellte Drewes aber nicht wirklich vor Probleme.

Oral nahm einen Dreifach-Wechsel vor, Schuster konterte mit einem Doppelwechsel, Redondo und Tyger Lobinger kamen für Boyd und Hercher. Erkennbare Effekte? Überschaubar.

Und dann doch die FCK-Führung. Wieder Ecke, Kraus köpft, die Lautrer schreien - der eingewechselte Hamadi Al Ghaddioui soll den Ball mit der Hand gespielt haben. Das Spiel läuft zunächst weiter, dann schreitet Schiri Burda abermals zum Videostudium. Elfmeter. Der etatmäßige Schütze Klement ist krank, vor dem Spiel wurden Ritter, Zuck und Kraus als Ersatzkandidaten festgelegt. Kraus schnappt sich den Ball und trifft. Die Mentalitätsmonster haben wieder mal ein Spiel gedreht. Weniger mitreißend diesmal, aber sie sind halt auch grippegeplagt. Oder?

Spiel gedreht? Von wegen. Ausgleich nach Ecke.

Nö. Diesmal doch nicht. Wieder vier Minuten später. Ecke Sandhausen. Die Gäste stellen mit allen großgewachsenen Spielern die kurze Ecke und den gegnerischen Keeper zu. Der Trick ist nicht neu, hat sich aber schon oft bewährt. Der Ball segelt mit viel Schnitt über alle hinweg aufs lange Eck, der eingewechselte Franck Evina hält den Kopf hin, Spahic und Co. können den Ball erst hinter der Torlinie klären. Da braucht sogar der VAR ausnahmsweise mal nur ein paar Sekunden, um das zu erkennen.

2:2 gegen einen Abstiegskandidaten, damit war kaum einer im Stadion glücklich. Aber man sollte die besonderen Umstände dieses Spiels berücksichtigen, und es in der Gesamtbewertung dieser Saison einfach außen vor lassen. Und den abstiegsbedrohten Nachbarn aus Sandhausen den Punkt einfach gönnen. Tomas Oral stellte hinterher nicht ganz zu Unrecht fest, dass die meisten 50:50-Entscheidungen gegen sein Team fielen.

Ärgerlich bleibt allerdings, dass es dem FCK nicht gelang, eine aus einem 0:1 gedrehte 2:1-Führung nicht noch eine Viertelstunde über die Zeit zu bringen. Und dann den Ausgleich auch noch durch eine Ecke zu kassieren. Denn gerade die vermögen Kraus und Co. gemeinhin recht gut zu verteidigen.

Lautern mit Ballbesitz-Rekord? Das sehen nicht alle so

Beim Betrachten der Analysedaten verschiedener Anbieter fallen diesmal ein paar Abweichungen auf. "Bundesliga.de" hat 49 Prozent Ballbesitz des FCK gemessen. Der "Kicker" kündet von 57 Prozent, das wäre ein Rekordwert für Lautrer Verhältnisse. Die Analysten von "Wyscout" - ein ehemaliger FCK-Sportdirektor bezeichnete diese gerne mal scherzhaft als "betrunkene Italiener" - liegen mit 52 Prozent ungefähr in der Mitte.

Die xG-Timeline von "11tegen11" sieht klare Vorteile für die Betze-Buben, aber nur, weil beide Treffer aus Gelegenheiten mit hohem xG-Faktor resultierten. Davon abgesehen, spielte sich vor Gegners Tor kaum was ab.

xG-Plot FCM-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Sieht eigentlich ordentlich aus, zeigt aber auch, dass Hercher bei seinem so lange herbeigesehnten Startelf-Comeback die Bindung zu seinen Kollegen im Zentrum fehlte.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik des SVS. Weiße Spots auf weißem Hintergrund sind nicht wirklich gut zu sehen, mit ein wenig Phantasie lassen sie sich aber nachvollziehen. Im SVS-Spiel fällt eine gewisse Rechtslastigkeit auf.

Passmap FCM

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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