Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SCF

Die DBB-Analyse: Stolz - und doch ein "scheiß Gefühl"

Die DBB-Analyse: Stolz - und doch ein "scheiß Gefühl"


Fast 120 Minuten auf Augenhöhe mit Europa League-Team SC Freiburg - und nur zehn Sekunden mit "Oberamateurhausen". Doch dieser kurze Moment läutet für den 1. FC Kaiserslautern das Pokal-Aus ein.

Das Unangenehme zuerst: Ja, auch diesmal kassierten die Roten Teufel wieder zwei Treffer nach Standardsituationen. Mit sich ins Gericht gehen müssen sie allerdings nur wegen des ersten Einschlags, und das tat Trainer Dirk Schuster denn auch - mit der ihm eigenen Sprachgewalt. "Da haben wir uns angestellt, als kämen wir aus Oberamateurhausen, wobei ich damit allen Amateuren zu nahe trete", kommentierte der Coach den Ausgleich der Freiburger in der 82. Minute.

Konkret: Bereits wie Vicenzo Grifo den eingewechselten Nils Petersen bei einer Ecke am kurzen Pfosten anspielt, kann sich eine Hintermannschaft eigentlich nicht bieten lassen. Und wieso darf der ebenfalls eingewechselte Roland Sallei in einer solchen Situation anschließend am Fünfer so frei stehen? Unfassbar.

Ein Freistoß entscheidet - Doch Vorsicht mit Schiri-Schelte

Der Freistoß der SC-Neuerwerbung Ritso Doan dagegen ließ sich im Grunde nicht verteidigen. Der 20-Meter-Schlenzer schlug zwar auf halber Höhe ein - was einem 1,95 Meter-Keeper wie Andreas Luthe eigentlich den Hauch einer Chance lassen sollte - aber dermaßen hart am Innenpfosten, dass er diesen sogar noch touchierte. Allenfalls der Freistoß an sich hätte verhindert werden können. Hendrick Zuck hatte Doan entschieden vom Ball getrennt, diesen dabei auch getroffen, den Gegner aber ebenfalls. Und er hatte ihn von hinten attackiert. Da kann man pfeifen.

Allerdings war Schiedsrichter Sven Jablonski in den 110 Minuten zuvor nach Zweikampfmomenten wie diesen schon mehrmals mit Freiburger Spielern gnädiger umgegangen als mit Lautrern. Gerade Doan hätte schon längst Gelb sehen können. Drum ist nicht so ganz verwunderlich, dass das Publikum auf dem mit 38.317 Zuschauern phantastisch gefüllten Betzenberg auch mit dieser Entscheidung unzufrieden war. Schiedsrichterschelte bringt jedoch nichts. Zumal nicht vergessen werden darf, dass Jablonski und sein Team zuvor ein Handspiel des eingewechselten Hikmet Ciftci im eigenen Strafraum übersehen hatten. Da hätte es also auch Elfmeter für Freiburg geben können.

Das war nicht nur Pokalfight, sondern auch feines Spiel

Damit soll es jetzt aber auch genug sein mit der Meckerei. Denn von den beschriebenen Szenen abgesehen, war es ein großartiges Pokalspiel. Natürlich auch ein großartiger Fight, aber eben nicht nur. Denn der FCK brachte nicht irgendeinen Bundesligisten an der Rand einer Niederlage, sondern einen, der sich zuletzt im oberen Tabellendrittel der Beletage etabliert hat. Ganz ohne "20-Millionen-Euro-plus-x"-Transfers. Und dennoch zählt der SC zu den spielstärksten Teams der Liga, was er auch in dieser Partie vor allem ab der zweiten Hälfte zeigte.

Und die Pfälzer? Hielten nicht nur kämpferisch dagegen, sondern zeigten von der ersten Minute an, dass sie etwa auch in Phasen, in denen der Gegner weit vorne zu pressen beginnt, gewillt und in der Lage sind, sich mit kurzem Passspiel zu befreien. Wofür es schon nach wenigen Minuten ersten Szenenapplaus gab.

Torchancen blieben freilich erst mal auf beiden Seiten Mangelware. Denn wie die Lautrer sich gegen den Ball verschoben, war geradezu lehrbuchmäßig. Wenn sich die Mannschaft diese Ordnung, diese Konzentration und diese Laufintensität über die komplette Spielzeit bewahrt, muss sich niemand um den weiteren Verbleib in der Zweiten Liga Gedanken machen. Die Startelf war identisch mit der vom jüngsten 2:2 in Kiel, auch beließ es Dirk Schuster bei der Formation, die allgemein als 4-2-3-1 dargestellt wird.

Man of Match? Ja, schon klar, blöde Frage ...

Wobei sich Marlon Ritter bei Ballbesitz permanent von seiner Position des zweiten Sechsers löste und zu Zehner Mike Wunderlich aufrückte. Und eigentlich alleine schon für seine erneut überragende Laufleistung gefeiert werden müsste, die auch in der Verlängerung nicht nachließ. Allerdings wird Lauterns Nummer 7 aus dieser Partie mit einer anderen Aktion in Erinnerung bleiben.

Mit seinem Treffer zum 1:0 nämlich, bei dem er Freiburgs Keeper Mark Flekken aus knapp 50 Metern überloppte. Auf Tipp von Torwarttrainer Andreas Clauß übrigens, der die Spieler schon vor der Partie darauf aufmerksam machte, dass Flekken als mitspielender Torhüter gern mal zu weit vorm eigenen Kasten steht.

Den Treffer hat jeder Leser jetzt bestimmt schon etliche Male im TV bestaunt. Drum wollen wir an dieser Stelle mal seine ebenfalls lobenswerte Entstehungsgeschichte in den Fokus rücken. Er fiel nach einem Einwurf Zucks, nach dem die Roten Teufel den Ball eigentlich schon verloren hatten, buchstäblich aber "hart am Mann" blieben. Daniel Hanslik und Kevin Kraus eroberten sich das Leder noch im Mittelkreis wieder. Darauf erst durfte Ritter seine Großtat vollbringen - das Wort "Geniestreich" wurde in den vergangenen 24 Stunden schon zu oft bemüht.

Hälfte zwei: Streich reagiert, und es wird eng und enger

Zu Beginn der zweiten Hälfte nahm Christian Streich dann den blassen Zehner Woo-Yeong Jeong raus und brachte Roland Sallei. Mit Grifo und Doan wirbelten in der offensiven Dreierreihe hinter Sturmspitze Michael Gregoritsch nun drei ausgewiesene Feinstmotoriker, die zudem permanent zwischen Zentrum und Flügel zu switchen verstanden. Und der SC zeigte zunehmend, was ein Top-Team ausmacht: Tief stehende Gegner nicht mit Kraft und Wucht attackieren, sondern im wahrsten Sinne des Wortes zu bespielen. So kam es zu guten Einschussmöglichkeiten für Gregoritsch und Nachfolger Petersen. Auch der offensivstarke Linksverteidiger Christian Günter setzte sich nun immer wieder in Szene.

Aber: Lautern hielt weiter dagegen - und hatte beste Gelegenheiten, einige seiner gut ausgespielten Umschaltmomente zum 2:0 zu nutzen. Zur tragischen Figur wurde Terrence Boyd, der seinen Teamkameraden in Lauf- und Einsatzbereitschaft in nichts nachstand, in der Spitze immer wieder engagiert Bälle behauptete und ablegte.

Boyd als tragische Figur - aber: Er wird zurückkommen

Aber der eben auch derjenige war, der gleich mehrmals fast im Minutentakt die Vorentscheidung auf dem Fuß oder dem Kopf hatte. Am klarsten nach einer passgenauen Ciftci-Flanke, die er auch mit dem Schädel erwischte, die Abnahme aber nicht auf Torhöhe bringen konnte. Das Gleiche passierte nach einem präzisen Zuspiel Ritters in die zentrale Position an der Sechzehn-Meter-Linie. Aus der hat einer wie Boyd sicher schon einige Dutzend Mal getroffen - diesmal aber verunglückte ihm der Abschluss vollkommen.

Doch da muss er nun durch. Schon seine Körpersprache später bei seiner Auswechslung verriet: Niemand war von dem 31-Jährigen mehr enttäuscht als er selbst. Aber er hat die fußballerischen Fähigkeiten und die Persönlichkeit, nach einer solchen Erfahrung gestärkt zurückzukehren. "Das nächste Mal haut er die Dinger wieder ein", war auch Trainer Schuster nach dem Spiel überzeugt.

Wunderlich bester Passspieler - und diesmal gut ersetzt

Apropos Auswechslungen: Mike Wunderlich ging nach 73 Minuten vom Feld. Natürlich kam der 36-Jährige auch diesmal wieder hier und da einen Schritt zu spät. Gleichzeitig aber bewies er seinen Wert erneut mit seiner Passsicherheit. Seine insgesamt 19 Zuspiele brachte er laut sportal.de mit einer Erfolgsquote von 84,2 Prozent an den Mann - Bestwert im Lautrer Team.

Und: Schuster wechselte diesmal für ihn keinen weiteren Offensiven ein, sondern mit Lars Bünning einen zweiten Sechser, der sich zu Ciftci gesellte, der zuvor für Julian Niehues gekommen war. Ritter rückte nun auf die Zehner-Position. Und tatsächlich: Der FCK blieb wesentlich besser im Spiel als zuletzt in Kiel, wo Wunderlich von Kenny Redondo ersetzt wurde. Der wiederum durfte auf dem linken Flügel ran, nachdem Hansliks Akku schwächelte. Der Deutsch-Spanier dankte es mit einigen starken Sprints über seine angestammte Seite.

Letzte Hoffnung Elfmeterschießen - Doan setzt ihr ein Ende

Spätestens nach dem ärgerlichen 1:1 ließ es aber auch nicht mehr leugnen: In der Verlängerung würde der SC am Drücker sein, für die Männer in Rot schien die beste Option, sich ins Elfmeterschießen zu retten, das eigentlich immer mindestens eine Fifty-Fifty-Chance bietet. Doch Doans Freistoß in der 111. Minute setzte diesen Hoffnungen ein Ende. Sodass es mit Dirk Schusters Worten nur noch zu konstatieren gilt: "Wir können mit hoch erhobenen Kopf die Segel streichen." Aber auch: "Es bleibt das scheiß Gefühl, das Spiel verloren und dabei mitgeholfen zu haben."

Plots wird es zu diesem DFB-Pokalspiel wohl auch im Nachgang nicht geben, weil unser Abkommen mit "11tegen11" nur für Liga-Spiele gilt und wir auf wyscout-Grafiken wohl erst wieder nach dem Spiel gegen den FC St. Pauli am kommenden Sonntag Zugriff haben werden.

1,63 : 2,49 nach xGoals? Das muss an Sallais Chance liegen

Laut footystats.org gewannen die Freiburger nach xGoals mir 2.49 : 1.63. Eine Timeline dazu wäre spannend gewesen, allein um zu sehen, wie die Boyd-Gelegenheiten bewertet wurden. Einen großen Teil der stattlichen Differenz von fast 0.8 xG-Punkten dürfte wohl Sallais Treffer zum 1:1 ausmachen. So nah und frei vorm Tor - das war wohl eine von den Chancen, die andernorts gerne als "Hundertprozentige" bezeichnet werden.

Als kleinen Trost hier eine Visualisierung der Aktionsradien von "sportal.de". Demnach hielten sich sechs Freiburger Spieler bevorzugt in der Lautrer Hälfte auf, dagegen nur vier FCK-Profis in der SC-Hälfte. Das passt zum Ballbesitzverhältnis von 35 zu 65 Prozent für Freiburg.

Aktionsradien FCK-SCF

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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