Interview des Monats: NLZ-Leiter Uwe Scherr, Teil 2/2

"Die U21-Mannschaft ist ein Muss"

"Die U21-Mannschaft ist ein Muss"


Uwe Scherr im Interview des Monats: Der NLZ-Leiter spricht über verwöhnte und gescheiterte Jugendspieler, seine Zusammenarbeit mit Thomas Hengen und die Bedeutung der U21 für den 1. FC Kaiserslautern.

Der Betze brennt: Uwe Scherr, als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums in Kaiserslautern begannen Sie im Sommer 2020, nach dem ersten Lockdown. In den Jugendligen war praktisch eine Saison nicht gespielt worden. Wie stellt man da wettbewerbsfähige Kader für die kommende Spielzeit zusammen?

Uwe Scherr (55): Wir haben sehr viele interne Spiele gemacht, die Jahrgänge auch untereinander gegeneinander spielen lassen, um herauszufinden, bei wem reicht es, wo sehen wir noch Entwicklungspotenzial, wo nicht. Da waren oft schwierige Entscheidungen zu treffen. Ein Talent braucht nun mal Spiele, um sich zu entwickeln. Bei denen, denen wir keine Spielpraxis ermöglichen konnten, mussten wir den Eltern sagen: Guckt, dass der Junge woanders unterkommt, wo er spielen kann.

Der Betze brennt: Und wie sind Sie mit den Ergebnissen dieser Kärrnerarbeit zufrieden?

Scherr: Die Teams zwischen U9 und U19 haben wir gut verstärkt, da sind wir noch nicht sehr gut, aber gut aufgestellt - und in zwei Jahren werden wir Top-Niveau erreichen. Allerdings haben diese Jungs auch schon wieder Begehrlichkeiten bei finanzkräftigen Vereinen aus ganz Deutschland geweckt. Im Leistungsbereich, also in der U17 und der U19, haben wir einige, aber noch nicht genug gute Talente. Nichtsdestotrotz lief es bei der U19 unter Alexander Bugera zuletzt recht gut. Bei der U17 ist sicher noch Steigerungspotenzial.

Der Betze brennt: Sie rangiert trotz einiger begeisternder Heimspiele derzeit auf Rang 18 von 21 Mannschaften in der U17-Bundesliga, Staffel Süd/Südwest. Wie sehr träfe den FCK ein Abstieg eines seiner wichtigsten Jugendteams?

Scherr: Der würde wehtun, aber auch nicht das Ende aller Tage bedeuten. Wir werden natürlich dennoch alles daran setzen, die Liga zu erhalten. Aufgeben darf niemals eine Option für einen Roten Teufel sein.

"Gescheiterte Talente sind im Kopf oftmals bereits kaputt"

Der Betze brennt: Und wo wollen Sie künftig Talente für den FCK finden?

Scherr: Um es klar zu sagen: Ich halte nichts davon, Spieler einzusammeln, die von den großen Nachbarn weggeschickt werden, weil sie dort keine Perspektive mehr sehen. Die helfen dir oft nicht mehr weiter. Die tragen den Namen des großen Vereins vor sich her, von dem sie kommen, sind aber im Kopf oftmals bereits kaputt. Da haben wir eine andere Philosophie. Wir müssen wieder auf die Dörfer in der Umgebung gehen, auch dort gibt es gute Jungs. Das hat der FCK in den vergangenen Jahren leider ein wenig vernachlässigt. Abgesehen davon, macht es auch nicht bei jedem Sinn, ihn über 400 Kilometer von zuhause wegzulocken und ihn dann auf ein Internat zu schicken. Manche brauchen die Nestwärme.

Der Betze brennt: Nicht zu vergessen: Finanziell kann der FCK momentan ohnehin nicht mit den Nachbarn aus Mainz oder Hoffenheim mithalten, denen als Bundesligisten ganz andere Mittel zur Verfügung stehen.

Scherr: Machen wir uns nichts vor. Wir sind von denen meilenweit entfernt. Wir sind ein Nachwuchsleistungszentrum eines Drittligisten. Wir können kein Geld in die Hand nehmen, um Spieler hierher zu locken. Und natürlich ist auch der Fröhnerhof ein wenig in die Jahre gekommen. Wir hätten gerne zwei Kunstrasenplätze mehr, aber das ist im Moment nicht machbar. Wir müssen mit unseren Tugenden überzeugen, mit den Werten, die wir vermitteln. Mit Trainern, die mit Herzblut und Leidenschaft dabei sind. Auch unserer Geschäftsführer Thomas Hengen schaut sich fast alle Jugendspiele an, kennt jeden unserer Nachwuchsspieler bis in die U15 hinunter. Nirgendwo sonst ist der Weg vom Nachwuchs zu den Profis so kurz.

Der Betze brennt: Sind denn dafür auch die Eltern der Spieler empfänglich? Oder gucken die nur aufs Geld?

Scherr: Das mag bei einigen so sein, ist aber längst nicht bei allen so. Viele sind auch bereit, das Sportliche in den Vordergrund zu stellen - mit denen müssen wir Doppelpass spielen. Geld ist ja auch keine Garantie dafür, dass du deine Ziele erreichst. Es gibt 16-Jährige, die verdienen bereits 6.000, 8.000, 10.000 Euro im Monat. Da fass' ich mir doch an den Kopf. Und ich behaupte: Wer in einem solchen Alter so sehr den Fokus aufs Geld legt, der wird es nicht schaffen.

"16-Jährige mit 10.000 Euro im Monat? Da fass' ich mir an den Kopf"

Der Betze brennt: Wie wichtig ist, mit erfolgreichen Beispielen werben zu können - mit Talenten, die über den FCK den Sprung in den Profibereich schafften?

Scherr: Dazu kann Dirk Walter etwas sagen, der ist schon seit über 20 Jahren Organisatorischer Leiter unseres NLZ und liefert übrigens überragende Arbeit für den FCK ab ...

Dirk Walter: Wir haben im Besprechungsraum eine Art Ahnengalerie, die im wahrsten Sinne des Wortes plakativ sichtbar macht, wer aus diesem NLZ alles hervorgegangen ist. Da schauen auch Eltern gerne drauf. Willi Orban, Dominique Heintz, Kevin Trapp, Jean Zimmer - ohne die Ablösesummen, die mit diesen Spielern generiert wurden, würde der FCK vielleicht gar nicht mehr existieren. Und damals waren wir Zweitligist. Wenn wir sie als Erstligist verkauft hätten, hätten wir an die ein oder andere Transfersumme vielleicht noch eine Null anhängen können. Nicht zu vergessen die, die nur zeitweise bei uns waren und dann auf Umwegen den Durchbruch woanders schafften. Bei Schalke hat jetzt ein gewisser Rufat Dadashov sein erstes Spiel in der 2. Bundesliga gemacht - im Alter von 30 Jahren. Vor zehn Jahren spielte der mal bei uns.

Der Betze brennt: Manchem der eben Genannten - aber in jüngerer Vergangenheit etwa auch Florian Pick, Christian Kühlwetter, Carlo Sickinger, Robert Glatzel oder dem heutigen Nationalspieler Robin Koch - glückte der Sprung zu den FCK-Profis aber nicht direkt aus der U19. Sie brauchten noch den Zwischenschritt über die U21. So mancher Profiklub hat seine Zweitvertretung mittlerweile aufgelöst, und auch beim FCK soll dies schon mal angedacht worden sein, aus Kostengründen.

Scherr: Mit dem Gedanken gespielt wurde in der Tat. Ein Glück, dass wir mittlerweile Thomas Hengen haben, denn der sieht dies genauso wie wir: Die U21 ist ein Muss. Gerade dass auch schon viele Zweitligisten ihre zweiten Mannschaften abgemeldet haben, bietet uns doch einen riesigen Vorteil: Da können noch mehr Spieler ihre Chance bei uns suchen, die nach der U19 noch nicht soweit waren. Vielleicht verletzungsbedingt, vielleicht, weil sie wegen Abitur oder Berufsausbildung zeitweise kürzer treten mussten. Ich selbst bin doch das beste Beispiel dafür, dass es nicht direkt nach oben gehen muss. Die Oberliga bietet jungen Spielern eine hervorragende Plattform, Erfahrung zu sammeln - gegen abgeklärte 30-Jährige, die vielleicht zehn Kilo zu viel auf den Rippen haben, aber immer noch kicken können. Wir haben auch schon U19-Spieler zeitweise in der U21 eingesetzt und dann wieder zur U19 zurückgeschickt. Auch das hat Ihrer Entwicklung enorm gutgetan.

"Der Zuspruch vom neuen NLZ-Förderverein ist absolut überragend"

Der Betze brennt: Wie und wo kann der neu gegründete Förderverein NLZ 1. FC Kaiserslautern e.V. helfen, die finanziellen Nachteile gegenüber den höherklassigen Nachbarn zu überbrücken?

Scherr: Das ist absolut überragend, was wir da für einen Zuspruch erfahren. Als erstes Projekt nehmen wir einen kleinen Court in Angriff, der auf dem Fröhnerhof direkt neben unseren Fritz-Plätzen entstehen soll. Da schaffen wir eine Trainingsmöglichkeit für unsere Mannschaften im Grundlagenbereich, die hier nun auch in der kalten Jahreszeit trainieren können. Ab Oktober, November war dies den Jungs bislang nur in diversen Schulturnhallen möglich. Wir planen auch, neues Equipment für Bereiche wie Life-Kinetik, kognitives oder Technik-Training anzuschaffen. Und jedes Jahr an Pfingsten fahren wir mit U15 zu einem hochkarätig Turnier nach Österreich. Das hätten wir nächstes Jahr nicht mehr stemmen können. Doch jetzt hat sich der Förderverein bereiterklärt, die Übernachtungskosten zu übernehmen. Das ist doch großartig.

Der Betze brennt: Wäre das nicht eine tolle Sache für die Jungs, hin und wieder auch mal unter Anleitung eines bekannten Ex-Profis zu trainieren?

Scherr: Wir verhandeln darüber gerade mit zwei Ikonen. Sofern er finanzierbar ist, baue ich jeden Ehemaligen gerne in unsere Arbeit ein.

Der Betze brennt: Finanzierbar? Heißt das, altgediente Herzblut-FCK'ler, die das für lau machen, gibt's nicht?

Scherr: Deren Zahl hält sich eher in Grenzen ... Bei uns im NLZ lassen sich nunmal keine Reichtümer verdienen. Unser Job ist es, dem Verein perspektivisch Reichtümer zu generieren.

Der Betze brennt: Und wie läuft die Verzahnung des Nachwuchs- mit dem Profibereich?

Scherr: Zuletzt haben in der Länderspielpause im Oktober einige unserer Nachwuchsspieler mit den Profis trainiert. Wir würden gerne noch viel mehr in dieser Richtung anbieten, im NLZ beispielsweise Trainingseinheiten mit U17, U19, U21 und Profis durchführen. Leider macht uns Corona da gegenwärtig noch einen Strich durch die Rechnung. Da sind wir besser beraten, die einzelnen Kader getrennt zu lassen. Aber wir behalten das alles im Hinterkopf. Die Zusammenarbeit mit Thomas Hengen ist hervorragend.

Der Betze brennt: Von den U19- und U21-Spielern steht ja Neal Gibs bereits immer mal bei den Profis im Spieltagskader. In der besagten Länderspielpause kamen im Benefizspiel gegen Mainz Maxi Fesser, Moritz Theobald, Shawn Blum und Tristan Zobel zum Einsatz. Sind das auch die Jungs, die gegenwärtig auf dem Sprung stehen?

"Meine Wünsche: Klassenerhalt, Klassenerhalt, Klassenerhalt, Aufstieg"

Scherr: Es gibt noch ein paar mehr, mit denen wir gerade sprechen, um sie länger beim FCK zu halten. Kommenden Sommer laufen bei den Profis einige Verträge aus. Wir werden bei jeder Position, die es neu zu besetzen gilt, erst mal schauen, ob wir nicht jemand im eigenen Stall stehen haben, der sie ausfüllen kann. Wir im NLZ leisten dafür die Vorarbeit, Thomas Hengen vollstreckt.

Der Betze brennt: Haben Sie auf Spieler, die die Position spielen, die Sie einst ausfüllten, eigentlich ein besonderes Auge? Mit Dominik Schad und Philipp Hercher hat der FCK zurzeit zwei Spieler in seinen Reihen, die die rechte Außenbahn ähnlich dynamisch entlang fegen, wie Sie damals ...

Scherr: Ich hab beide schon im Training gesehen und auch in unserem Fußballcamp im NLZ kennengelernt. Sind beide sehr sympathische Jungs. Aber regelmäßig spielen sehe ich sie leider nicht. Ich schau mir jedes Wochenende zwischen vier und sechs Jugendspiele an, da habe ich keine Zeit, unseren Profis zuzugucken. Diese Saison habe ich bislang nur das Heimspiel gegen 1860 München gesehen. Beim 3:0-Sieg haben mir beide natürlich gut gefallen.

Der Betze brennt: Unsere obligatorische Abschlussfrage lautet ja eigentlich: Wo sehen Sie den FCK am Ende der Saison? Für Sie differenzieren wir diesmal: Was wünschen Sie sich für U17, U19, U21 und Profi-Team?

Scherr: Klassenerhalt, Klassenerhalt, Klassenerhalt, Aufstieg.

Der Betze brennt: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "Der Wille muss immer stärker sein als die Angst" (Der Betze brennt)

Kommentare 10 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken